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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Antiquar

einem Mittel gesucht, wie man ein Ding, so man in Verwahr und Eigentum gehabt
und so durch einen andern mit hinweggenommen worden, nioclo ii^xsrxli^Sipo
möchte zurückerhalten, habe selber auch fleißig experimentiert und als den endlichen
Preis unausgesetzter Bemühungen eine Salbe erlangt, die sich bei sorgfältiger An¬
wendung trefflich bewähret, also, daß mir von da an gute Freunde und curieuse
Durchreisende, die Bücher, Münzen, Preziosen oder dergleichen aus meinem Hause
mit von dannen geführet, selbige nach kurzer Frist haben zurückbringen müssen. Ja,
es mag verwunderlich klingen: Gedachte Salbe übet eine so starke chemisch-magne¬
tische Kraft, daß auch Menschen, die in das Haus gehören, zum Exempel kairculi
oder Domestiken, wenn sie einmal eine Reise getan oder einen andern Dienst an¬
genommen, nicht lange mögen außenbleiben, sondern, gleichsam als könnten sie
nirgends anders leben, mit reuigem Herzen zurückkehren.

Zu gedachter Salbe sind aber dreiunddreißig inZröäisQtia Vonnöten, die genau
in der Reihenfolge, wie hier angegeben, in einen eisernen Tiegel getan und bei
konstanten Feuer, am besten in einem Windofen, so lange gekocht werden müssen,
bis es eine dickliche Brühe von silbergrauer Farbe und aromatischen Gerüche wird.
Man nehme: Süße Milch 1 Schoppen, Kandis 8 Lot, Branntwein ^ Schoppen,
^los 1 Lot, orientalischen Safran ^ Quint, Onainxlior ^/^ Lot, ?iisriae 1^ Lot,
^NAsIioa, l^/z Quint, Lsrrg. siKiUg.tÄ 1 Lot, Ossg, thus ckoiri. gebrannt und pulverisiert
3 Lot, Goßlarischen Alaun ^ K, <ürsiv.ortg.rtM 1 Messerspitze, Tormentill
1^/2 Quint, Krebsschalen gestoßen 1 Lot, ?1orss sulxli. 2 Quint, Taubenhirn
2 Lot -- hier war das Hintere Vorsatzblatt des ersten Bandes zu Ende, und
Seyler mußte die Fortsetzung des Rezeptes im zweiten suchen. Dort wurde die
Aufzählung denn auch weitergeführt und nach einigen Vorschriften über die Auf¬
bewahrung des Dekokts die ziemlich einfache Gebrauchsanweisung beigefügt. Man
brauche mit der Salbe, so stand da zu lesen, nur die Schwelle des Hauses oder
des Raumes zu bestreichen, dessen Inhalt gegen die Gelüste oder gegen die Ver¬
geßlichkeit fremder Interessenten geschützt werden solle, und müsse den Gebrauch des
Mittels wiederholen, wenn die letzte Spur der Bepinselung verschwunden sei.

Der Antiquar legte die beiden Bücher beiseite und begann in einem der
andern neuerworbnen Bände zu blättern. Aber seine Gedanken kamen von den
Aufzeichnungen des Helmstedter Sonderlings nicht los, und halb unbewußt begann
er deren Lektüre von neuem. Da wurde er, sehr zu seinem Mißvergnügen, durch
Käthchen gestört, die ihm mitteilte, es gehe schon auf neun, und wenn er nicht
bald in die Wohnung heraufkomme, würde der Tee ganz kalt, die Butter weich
und der Schinken trocken sein. Ob er denn gar keinen Hunger spüre? Oder ob
er ihr zumute, so lange mit dem Abendbrot zu warten, bis er den ganzen Bücherstoß
durchgelesen habe? Mit seinen guten Vorsätzen scheine es nicht weit her zu sein,
denn wenn er die Leserei doch wieder fortsetze, so werde er nie und nimmer auf
einen grünen Zweig kommen.

Der Onkel ließ diese Philippika geduldig über sich ergehn, weniger weil er
einsehen mochte, daß seine Nichte im Rechte war, als weil die heitere Gelassenheit
seines Gemüts ihn wider alle Anfechtungen wirksam schützte. Er legte die Bücher
in sein Pult, befestigte die schweren hölzernen Schutzläden vor dem Schaufenster,
drehte die Lampe aus und folgte, nachdem er die Ladentür abgeschlossen hatte, dem
Mädchen in die Wohnung.

Als sich die beiden bei Tisch gegenüber saßen und ihr bescheidnes Abendbrot
verzehrten, hielt Käthchen den Augenblick für günstig, den Onkel schonend mit einer
Tatsache bekannt zu machen, die zunächst ihre eigne kleine Person betraf, die aber
auch für ihn von einiger Bedeutung sein mußte.


Der Antiquar

einem Mittel gesucht, wie man ein Ding, so man in Verwahr und Eigentum gehabt
und so durch einen andern mit hinweggenommen worden, nioclo ii^xsrxli^Sipo
möchte zurückerhalten, habe selber auch fleißig experimentiert und als den endlichen
Preis unausgesetzter Bemühungen eine Salbe erlangt, die sich bei sorgfältiger An¬
wendung trefflich bewähret, also, daß mir von da an gute Freunde und curieuse
Durchreisende, die Bücher, Münzen, Preziosen oder dergleichen aus meinem Hause
mit von dannen geführet, selbige nach kurzer Frist haben zurückbringen müssen. Ja,
es mag verwunderlich klingen: Gedachte Salbe übet eine so starke chemisch-magne¬
tische Kraft, daß auch Menschen, die in das Haus gehören, zum Exempel kairculi
oder Domestiken, wenn sie einmal eine Reise getan oder einen andern Dienst an¬
genommen, nicht lange mögen außenbleiben, sondern, gleichsam als könnten sie
nirgends anders leben, mit reuigem Herzen zurückkehren.

Zu gedachter Salbe sind aber dreiunddreißig inZröäisQtia Vonnöten, die genau
in der Reihenfolge, wie hier angegeben, in einen eisernen Tiegel getan und bei
konstanten Feuer, am besten in einem Windofen, so lange gekocht werden müssen,
bis es eine dickliche Brühe von silbergrauer Farbe und aromatischen Gerüche wird.
Man nehme: Süße Milch 1 Schoppen, Kandis 8 Lot, Branntwein ^ Schoppen,
^los 1 Lot, orientalischen Safran ^ Quint, Onainxlior ^/^ Lot, ?iisriae 1^ Lot,
^NAsIioa, l^/z Quint, Lsrrg. siKiUg.tÄ 1 Lot, Ossg, thus ckoiri. gebrannt und pulverisiert
3 Lot, Goßlarischen Alaun ^ K, <ürsiv.ortg.rtM 1 Messerspitze, Tormentill
1^/2 Quint, Krebsschalen gestoßen 1 Lot, ?1orss sulxli. 2 Quint, Taubenhirn
2 Lot — hier war das Hintere Vorsatzblatt des ersten Bandes zu Ende, und
Seyler mußte die Fortsetzung des Rezeptes im zweiten suchen. Dort wurde die
Aufzählung denn auch weitergeführt und nach einigen Vorschriften über die Auf¬
bewahrung des Dekokts die ziemlich einfache Gebrauchsanweisung beigefügt. Man
brauche mit der Salbe, so stand da zu lesen, nur die Schwelle des Hauses oder
des Raumes zu bestreichen, dessen Inhalt gegen die Gelüste oder gegen die Ver¬
geßlichkeit fremder Interessenten geschützt werden solle, und müsse den Gebrauch des
Mittels wiederholen, wenn die letzte Spur der Bepinselung verschwunden sei.

Der Antiquar legte die beiden Bücher beiseite und begann in einem der
andern neuerworbnen Bände zu blättern. Aber seine Gedanken kamen von den
Aufzeichnungen des Helmstedter Sonderlings nicht los, und halb unbewußt begann
er deren Lektüre von neuem. Da wurde er, sehr zu seinem Mißvergnügen, durch
Käthchen gestört, die ihm mitteilte, es gehe schon auf neun, und wenn er nicht
bald in die Wohnung heraufkomme, würde der Tee ganz kalt, die Butter weich
und der Schinken trocken sein. Ob er denn gar keinen Hunger spüre? Oder ob
er ihr zumute, so lange mit dem Abendbrot zu warten, bis er den ganzen Bücherstoß
durchgelesen habe? Mit seinen guten Vorsätzen scheine es nicht weit her zu sein,
denn wenn er die Leserei doch wieder fortsetze, so werde er nie und nimmer auf
einen grünen Zweig kommen.

Der Onkel ließ diese Philippika geduldig über sich ergehn, weniger weil er
einsehen mochte, daß seine Nichte im Rechte war, als weil die heitere Gelassenheit
seines Gemüts ihn wider alle Anfechtungen wirksam schützte. Er legte die Bücher
in sein Pult, befestigte die schweren hölzernen Schutzläden vor dem Schaufenster,
drehte die Lampe aus und folgte, nachdem er die Ladentür abgeschlossen hatte, dem
Mädchen in die Wohnung.

Als sich die beiden bei Tisch gegenüber saßen und ihr bescheidnes Abendbrot
verzehrten, hielt Käthchen den Augenblick für günstig, den Onkel schonend mit einer
Tatsache bekannt zu machen, die zunächst ihre eigne kleine Person betraf, die aber
auch für ihn von einiger Bedeutung sein mußte.


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/374>, abgerufen am 29.05.2024.