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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

in einer recht ausgiebigen Weise mit Eisenbahnen erschlossen und ist Deutschland
in dieser Beziehung ganz bedeutend überlegen.

Dabei wäre es grundfalsch, die afrikanischen Kolonialbahnen der europäischen
Staaten, wie es bis zum vorigen Jahre in Deutschland vielfach geschehen ist,
als überflüssigen Luxus zu bezeichnen, als Anlagen, die nur große Anlagekosten
und dauernde Zuschüsse verschlingen würden, ohne sich jemals rentieren zu können.
Vielmehr lehrt die Erfahrung das genane Gegenteil: von verschwindenden Aus¬
nahmen abgesehen, repräsentieren die afrikanischen Bahnen durchweg ein sehr gut
angelegtes Kapital; viele von ihnen pflegen sogar schon in den ersten Jahren
des Bestehens ansehnliche Überschüsse abzuwerfen. Dabei ist der wirtschaftliche
Aufschwung der von den Bahnen durchschnittnen Landgebiete in einigen Fällen
ein nahezu verblüffender. Von der rapiden Entwicklung, die das deutsche Mucmza
und die umliegenden deutschen Gebiete am Viktorinsee infolge der Eröffnung
der britischen Ugandabahn zu verzeichnen hatten, war schon die Rede. Anderswo
sind ebenso erstaunliche Erfolge zu verzeichnen. So ist z. B. in der englischen
Goldküstenkolonie der Wert des Handelsverkehrs durch die 1903 erfolgte Er¬
öffnung der 270 Kilometer langen Bahn Sekondi-Kumcissi binnen zwei Jahren
von 5 auf 11 Millionen Pfund gestiegen, in Sierra Leone aus gleichem
Anlaß (Eisenbahn Freetown-Baimci) von 300 000 Pfund im Jahre 1902 auf
560 000 Pfund im Jahre 1906. Ebenso hat sich in Senegambien durch die
Eröffnung der Bahn Se. Louis-Dakar der Handel mit Erdnüssen in kurzer
Zeit verzehnfacht usw.

Auf Grund solcher Erfahrungen, die die ältern Kolonialstaaten in Afrika
mit ihren Eisenbahnbauten gemacht haben, ist das hohe Interesse verständlich,
das die deutschen Handels- und Kolonialkreise, wie schon erwähnt worden ist,
in fortwährend steigendem Maße der Schaffung eines großen Netzes von deutsch¬
afrikanischen Eisenbahnen entgegenbringen, ein Interesse, das natürlich, wie kaum
noch besonders betont zu werden braucht, von den militärischen Sachverständigen
vollauf geteilt wird. Daß auch der deutsche Reichstag von seiner frühern
Abneigung gegen koloniale Eisenbahnen immer mehr zurückkommt, ist bekannt.
Die entschieden freundlichern Gefühle, die der gegenwärtige Reichstag allen solchen
Bestrebungen entgegenbringt, dürften weiterhin wesentlich verstärkt werden durch
die amtliche Denkschrift: "Die Eisenbahnen Afrikas", die vor kurzem dem Reichs¬
tage zugegangen ist und auf 370 Textseiten an der Hand eines umfangreichen
statistischen Materials eine Reihe von bedeutsamen Nachweisen führt. Folgendes
sind die wichtigsten Ergebnisse aus den zahlenmäßigen Darlegungen dieser Denk¬
schrift (gekürzt):

"Nahezu alle afrikanischen Eisenbahnen mit sehr verschwindenden Aus¬
nahmen haben bereits von der Eröffnung an oder innerhalb sehr kurzer Frist
nachher mindestens ihre eignen Betriebsausgaben einschließlich der Unterhaltungs¬
kosten zu decken vermocht; eine größere Anzahl brachte von vornherein eine
Rente. Die Wirkungen von Eisenbahnen sind überall gewesen: g.) erhebliche


Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

in einer recht ausgiebigen Weise mit Eisenbahnen erschlossen und ist Deutschland
in dieser Beziehung ganz bedeutend überlegen.

Dabei wäre es grundfalsch, die afrikanischen Kolonialbahnen der europäischen
Staaten, wie es bis zum vorigen Jahre in Deutschland vielfach geschehen ist,
als überflüssigen Luxus zu bezeichnen, als Anlagen, die nur große Anlagekosten
und dauernde Zuschüsse verschlingen würden, ohne sich jemals rentieren zu können.
Vielmehr lehrt die Erfahrung das genane Gegenteil: von verschwindenden Aus¬
nahmen abgesehen, repräsentieren die afrikanischen Bahnen durchweg ein sehr gut
angelegtes Kapital; viele von ihnen pflegen sogar schon in den ersten Jahren
des Bestehens ansehnliche Überschüsse abzuwerfen. Dabei ist der wirtschaftliche
Aufschwung der von den Bahnen durchschnittnen Landgebiete in einigen Fällen
ein nahezu verblüffender. Von der rapiden Entwicklung, die das deutsche Mucmza
und die umliegenden deutschen Gebiete am Viktorinsee infolge der Eröffnung
der britischen Ugandabahn zu verzeichnen hatten, war schon die Rede. Anderswo
sind ebenso erstaunliche Erfolge zu verzeichnen. So ist z. B. in der englischen
Goldküstenkolonie der Wert des Handelsverkehrs durch die 1903 erfolgte Er¬
öffnung der 270 Kilometer langen Bahn Sekondi-Kumcissi binnen zwei Jahren
von 5 auf 11 Millionen Pfund gestiegen, in Sierra Leone aus gleichem
Anlaß (Eisenbahn Freetown-Baimci) von 300 000 Pfund im Jahre 1902 auf
560 000 Pfund im Jahre 1906. Ebenso hat sich in Senegambien durch die
Eröffnung der Bahn Se. Louis-Dakar der Handel mit Erdnüssen in kurzer
Zeit verzehnfacht usw.

Auf Grund solcher Erfahrungen, die die ältern Kolonialstaaten in Afrika
mit ihren Eisenbahnbauten gemacht haben, ist das hohe Interesse verständlich,
das die deutschen Handels- und Kolonialkreise, wie schon erwähnt worden ist,
in fortwährend steigendem Maße der Schaffung eines großen Netzes von deutsch¬
afrikanischen Eisenbahnen entgegenbringen, ein Interesse, das natürlich, wie kaum
noch besonders betont zu werden braucht, von den militärischen Sachverständigen
vollauf geteilt wird. Daß auch der deutsche Reichstag von seiner frühern
Abneigung gegen koloniale Eisenbahnen immer mehr zurückkommt, ist bekannt.
Die entschieden freundlichern Gefühle, die der gegenwärtige Reichstag allen solchen
Bestrebungen entgegenbringt, dürften weiterhin wesentlich verstärkt werden durch
die amtliche Denkschrift: „Die Eisenbahnen Afrikas", die vor kurzem dem Reichs¬
tage zugegangen ist und auf 370 Textseiten an der Hand eines umfangreichen
statistischen Materials eine Reihe von bedeutsamen Nachweisen führt. Folgendes
sind die wichtigsten Ergebnisse aus den zahlenmäßigen Darlegungen dieser Denk¬
schrift (gekürzt):

„Nahezu alle afrikanischen Eisenbahnen mit sehr verschwindenden Aus¬
nahmen haben bereits von der Eröffnung an oder innerhalb sehr kurzer Frist
nachher mindestens ihre eignen Betriebsausgaben einschließlich der Unterhaltungs¬
kosten zu decken vermocht; eine größere Anzahl brachte von vornherein eine
Rente. Die Wirkungen von Eisenbahnen sind überall gewesen: g.) erhebliche


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[0556] Die deutschen Eisenbahnen in Afrika in einer recht ausgiebigen Weise mit Eisenbahnen erschlossen und ist Deutschland in dieser Beziehung ganz bedeutend überlegen. Dabei wäre es grundfalsch, die afrikanischen Kolonialbahnen der europäischen Staaten, wie es bis zum vorigen Jahre in Deutschland vielfach geschehen ist, als überflüssigen Luxus zu bezeichnen, als Anlagen, die nur große Anlagekosten und dauernde Zuschüsse verschlingen würden, ohne sich jemals rentieren zu können. Vielmehr lehrt die Erfahrung das genane Gegenteil: von verschwindenden Aus¬ nahmen abgesehen, repräsentieren die afrikanischen Bahnen durchweg ein sehr gut angelegtes Kapital; viele von ihnen pflegen sogar schon in den ersten Jahren des Bestehens ansehnliche Überschüsse abzuwerfen. Dabei ist der wirtschaftliche Aufschwung der von den Bahnen durchschnittnen Landgebiete in einigen Fällen ein nahezu verblüffender. Von der rapiden Entwicklung, die das deutsche Mucmza und die umliegenden deutschen Gebiete am Viktorinsee infolge der Eröffnung der britischen Ugandabahn zu verzeichnen hatten, war schon die Rede. Anderswo sind ebenso erstaunliche Erfolge zu verzeichnen. So ist z. B. in der englischen Goldküstenkolonie der Wert des Handelsverkehrs durch die 1903 erfolgte Er¬ öffnung der 270 Kilometer langen Bahn Sekondi-Kumcissi binnen zwei Jahren von 5 auf 11 Millionen Pfund gestiegen, in Sierra Leone aus gleichem Anlaß (Eisenbahn Freetown-Baimci) von 300 000 Pfund im Jahre 1902 auf 560 000 Pfund im Jahre 1906. Ebenso hat sich in Senegambien durch die Eröffnung der Bahn Se. Louis-Dakar der Handel mit Erdnüssen in kurzer Zeit verzehnfacht usw. Auf Grund solcher Erfahrungen, die die ältern Kolonialstaaten in Afrika mit ihren Eisenbahnbauten gemacht haben, ist das hohe Interesse verständlich, das die deutschen Handels- und Kolonialkreise, wie schon erwähnt worden ist, in fortwährend steigendem Maße der Schaffung eines großen Netzes von deutsch¬ afrikanischen Eisenbahnen entgegenbringen, ein Interesse, das natürlich, wie kaum noch besonders betont zu werden braucht, von den militärischen Sachverständigen vollauf geteilt wird. Daß auch der deutsche Reichstag von seiner frühern Abneigung gegen koloniale Eisenbahnen immer mehr zurückkommt, ist bekannt. Die entschieden freundlichern Gefühle, die der gegenwärtige Reichstag allen solchen Bestrebungen entgegenbringt, dürften weiterhin wesentlich verstärkt werden durch die amtliche Denkschrift: „Die Eisenbahnen Afrikas", die vor kurzem dem Reichs¬ tage zugegangen ist und auf 370 Textseiten an der Hand eines umfangreichen statistischen Materials eine Reihe von bedeutsamen Nachweisen führt. Folgendes sind die wichtigsten Ergebnisse aus den zahlenmäßigen Darlegungen dieser Denk¬ schrift (gekürzt): „Nahezu alle afrikanischen Eisenbahnen mit sehr verschwindenden Aus¬ nahmen haben bereits von der Eröffnung an oder innerhalb sehr kurzer Frist nachher mindestens ihre eignen Betriebsausgaben einschließlich der Unterhaltungs¬ kosten zu decken vermocht; eine größere Anzahl brachte von vornherein eine Rente. Die Wirkungen von Eisenbahnen sind überall gewesen: g.) erhebliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/556>, abgerufen am 14.05.2024.