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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Frankreich und die Vpiumfrage

der gegen den Mißbrauch des Opiums alle Augenblicke die Donnerkeile seiner
wenig wirksamen Rundschreiben richtet, macht selbst als Opiumindustrieller alle
Anstrengungen, so viel wie möglich von dem tödlichen Gift zu erzeugen und
mit Nutzen zu verkaufen. Seit 1899 und 1901 besteht in den französischen
Kolonien die Opium- und Alkoholfabrikation als Monopol. Für Jndochina
sind Opium und Alkohol sogar die beiden Prügelknaben des Kolonialbudgets
geworden, die einen Hauptteil der Einnahmen zu beschaffen haben. Das Opium
allein liefert mehr als ein Viertel des auf fünfzig Millionen bezifferten Ein¬
nahmebudgets von Jndochina. Welche Bedeutung man der dortigen Opium¬
fabrikation beilegte, zeigt der Umstand, daß noch 1905 auf der Marseiller Aus¬
stellung eine verkleinerte Nachbildung der "Musterbrennerei" von Saigon
figurierte und eine Broschüre des Generalregisseurs der Opiummanufaktur mit
Billigung des Generalgouverneurs von Jndochina herausgegeben und verbreitet
wurde. Vom rein industriellen Standpunkte konnte man allerdings mit einem
gewissen Stolz auf die Entwicklung der Manufaktur blicken. Denn im Jahre 1861
bei Beginn der französischen Herrschaft war das Opium in Cochinchina fast un¬
bekannt; und jetzt steht es als Posten des Einnahmebudgets mit fast fünfzehn
Millionen jährlich angekreidet.

Auch für Frankreich wird nun aber die Frage eine brennende. Zweifellos
macht sich ja gegen das Opium in allen zivilisierten Ländern eine starke Be¬
wegung bemerkbar, an der sich, wie man weiß, auch China beteiligt, das erst
jüngst ganz drakonische Maßnahmen gegen das Opiumraucher getroffen hat.
Sogar England, das vor zwei Generationen gegen China den Opiumkrieg führte,
um es zu zwingen, von jeder gesetzlichen Maßregel gegen das Opiumraucher
abzusehen und die Einfuhr des indischen Opiums nicht zu verhindern, selbst
England, das von dem Vorgehn der chinesischen Regierung in Indien Schaden
haben muß, hat sich für eine progressive Einschränkung der Produktion und der
Ausfuhr nach China ausgesprochen. Ganz untätig konnte da Frankreich nicht
bleiben. Aber die schwer zu lösende Frage war die, wie man den starken Aus¬
fall im Kolonialbudget decken sollte, wenn man die Opiummanufaktur einfach
schließt und das Opiumraucher verbietet. Diese fiskalischen Erwägungen führten
den Generalgouvemeur Beau von Jndochina dazu, einen Mittelweg zu gehn.
Er hat einfach den Preis für das Opium aufgeschlagen! So wird, meint er,
weniger konsumiert und die Gesundheit der indochinesischen und französischen
Staatsbürger gefördert, ohne daß der Säckel der Kolonie wesentliche Ein¬
buße erleidet.

Die Lösung ist elegant. Ob aber auch wirksam, bleibt fraglich. Wie die
meisten halben Maßregeln, ist auch diese schließlich nur ein Schlag ins Wasser.
Die armen Teufel werden einfach Schmuggelopium rauchen, und dem Staat
geht nicht nur Produktionseinnahme, sondern auch Zoll verloren. Die Reichen
werden sich etwas schneller ruinieren und dann auch zum Schmuggelopium
schlechtester Qualität greifen, das über alle Grenzen hinüber angeboten wird.
Übrigens hatte schon im Juni Paul Bourdarie eine halbamtliche Untersuchung


Frankreich und die Vpiumfrage

der gegen den Mißbrauch des Opiums alle Augenblicke die Donnerkeile seiner
wenig wirksamen Rundschreiben richtet, macht selbst als Opiumindustrieller alle
Anstrengungen, so viel wie möglich von dem tödlichen Gift zu erzeugen und
mit Nutzen zu verkaufen. Seit 1899 und 1901 besteht in den französischen
Kolonien die Opium- und Alkoholfabrikation als Monopol. Für Jndochina
sind Opium und Alkohol sogar die beiden Prügelknaben des Kolonialbudgets
geworden, die einen Hauptteil der Einnahmen zu beschaffen haben. Das Opium
allein liefert mehr als ein Viertel des auf fünfzig Millionen bezifferten Ein¬
nahmebudgets von Jndochina. Welche Bedeutung man der dortigen Opium¬
fabrikation beilegte, zeigt der Umstand, daß noch 1905 auf der Marseiller Aus¬
stellung eine verkleinerte Nachbildung der „Musterbrennerei" von Saigon
figurierte und eine Broschüre des Generalregisseurs der Opiummanufaktur mit
Billigung des Generalgouverneurs von Jndochina herausgegeben und verbreitet
wurde. Vom rein industriellen Standpunkte konnte man allerdings mit einem
gewissen Stolz auf die Entwicklung der Manufaktur blicken. Denn im Jahre 1861
bei Beginn der französischen Herrschaft war das Opium in Cochinchina fast un¬
bekannt; und jetzt steht es als Posten des Einnahmebudgets mit fast fünfzehn
Millionen jährlich angekreidet.

Auch für Frankreich wird nun aber die Frage eine brennende. Zweifellos
macht sich ja gegen das Opium in allen zivilisierten Ländern eine starke Be¬
wegung bemerkbar, an der sich, wie man weiß, auch China beteiligt, das erst
jüngst ganz drakonische Maßnahmen gegen das Opiumraucher getroffen hat.
Sogar England, das vor zwei Generationen gegen China den Opiumkrieg führte,
um es zu zwingen, von jeder gesetzlichen Maßregel gegen das Opiumraucher
abzusehen und die Einfuhr des indischen Opiums nicht zu verhindern, selbst
England, das von dem Vorgehn der chinesischen Regierung in Indien Schaden
haben muß, hat sich für eine progressive Einschränkung der Produktion und der
Ausfuhr nach China ausgesprochen. Ganz untätig konnte da Frankreich nicht
bleiben. Aber die schwer zu lösende Frage war die, wie man den starken Aus¬
fall im Kolonialbudget decken sollte, wenn man die Opiummanufaktur einfach
schließt und das Opiumraucher verbietet. Diese fiskalischen Erwägungen führten
den Generalgouvemeur Beau von Jndochina dazu, einen Mittelweg zu gehn.
Er hat einfach den Preis für das Opium aufgeschlagen! So wird, meint er,
weniger konsumiert und die Gesundheit der indochinesischen und französischen
Staatsbürger gefördert, ohne daß der Säckel der Kolonie wesentliche Ein¬
buße erleidet.

Die Lösung ist elegant. Ob aber auch wirksam, bleibt fraglich. Wie die
meisten halben Maßregeln, ist auch diese schließlich nur ein Schlag ins Wasser.
Die armen Teufel werden einfach Schmuggelopium rauchen, und dem Staat
geht nicht nur Produktionseinnahme, sondern auch Zoll verloren. Die Reichen
werden sich etwas schneller ruinieren und dann auch zum Schmuggelopium
schlechtester Qualität greifen, das über alle Grenzen hinüber angeboten wird.
Übrigens hatte schon im Juni Paul Bourdarie eine halbamtliche Untersuchung


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[0627] Frankreich und die Vpiumfrage der gegen den Mißbrauch des Opiums alle Augenblicke die Donnerkeile seiner wenig wirksamen Rundschreiben richtet, macht selbst als Opiumindustrieller alle Anstrengungen, so viel wie möglich von dem tödlichen Gift zu erzeugen und mit Nutzen zu verkaufen. Seit 1899 und 1901 besteht in den französischen Kolonien die Opium- und Alkoholfabrikation als Monopol. Für Jndochina sind Opium und Alkohol sogar die beiden Prügelknaben des Kolonialbudgets geworden, die einen Hauptteil der Einnahmen zu beschaffen haben. Das Opium allein liefert mehr als ein Viertel des auf fünfzig Millionen bezifferten Ein¬ nahmebudgets von Jndochina. Welche Bedeutung man der dortigen Opium¬ fabrikation beilegte, zeigt der Umstand, daß noch 1905 auf der Marseiller Aus¬ stellung eine verkleinerte Nachbildung der „Musterbrennerei" von Saigon figurierte und eine Broschüre des Generalregisseurs der Opiummanufaktur mit Billigung des Generalgouverneurs von Jndochina herausgegeben und verbreitet wurde. Vom rein industriellen Standpunkte konnte man allerdings mit einem gewissen Stolz auf die Entwicklung der Manufaktur blicken. Denn im Jahre 1861 bei Beginn der französischen Herrschaft war das Opium in Cochinchina fast un¬ bekannt; und jetzt steht es als Posten des Einnahmebudgets mit fast fünfzehn Millionen jährlich angekreidet. Auch für Frankreich wird nun aber die Frage eine brennende. Zweifellos macht sich ja gegen das Opium in allen zivilisierten Ländern eine starke Be¬ wegung bemerkbar, an der sich, wie man weiß, auch China beteiligt, das erst jüngst ganz drakonische Maßnahmen gegen das Opiumraucher getroffen hat. Sogar England, das vor zwei Generationen gegen China den Opiumkrieg führte, um es zu zwingen, von jeder gesetzlichen Maßregel gegen das Opiumraucher abzusehen und die Einfuhr des indischen Opiums nicht zu verhindern, selbst England, das von dem Vorgehn der chinesischen Regierung in Indien Schaden haben muß, hat sich für eine progressive Einschränkung der Produktion und der Ausfuhr nach China ausgesprochen. Ganz untätig konnte da Frankreich nicht bleiben. Aber die schwer zu lösende Frage war die, wie man den starken Aus¬ fall im Kolonialbudget decken sollte, wenn man die Opiummanufaktur einfach schließt und das Opiumraucher verbietet. Diese fiskalischen Erwägungen führten den Generalgouvemeur Beau von Jndochina dazu, einen Mittelweg zu gehn. Er hat einfach den Preis für das Opium aufgeschlagen! So wird, meint er, weniger konsumiert und die Gesundheit der indochinesischen und französischen Staatsbürger gefördert, ohne daß der Säckel der Kolonie wesentliche Ein¬ buße erleidet. Die Lösung ist elegant. Ob aber auch wirksam, bleibt fraglich. Wie die meisten halben Maßregeln, ist auch diese schließlich nur ein Schlag ins Wasser. Die armen Teufel werden einfach Schmuggelopium rauchen, und dem Staat geht nicht nur Produktionseinnahme, sondern auch Zoll verloren. Die Reichen werden sich etwas schneller ruinieren und dann auch zum Schmuggelopium schlechtester Qualität greifen, das über alle Grenzen hinüber angeboten wird. Übrigens hatte schon im Juni Paul Bourdarie eine halbamtliche Untersuchung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/627>, abgerufen am 02.06.2024.