Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.Das Wesen der Freimaurerei jeher bestimmter Kultformen, bestimmter Symbole und Rituale. In diesen Diese auf die Pflege, Verbreitung lind Verwirklichung des Humanitäts- Das Wesen der Freimaurerei jeher bestimmter Kultformen, bestimmter Symbole und Rituale. In diesen Diese auf die Pflege, Verbreitung lind Verwirklichung des Humanitäts- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310448"/> <fw type="header" place="top"> Das Wesen der Freimaurerei</fw><lb/> <p xml:id="ID_103" prev="#ID_102"> jeher bestimmter Kultformen, bestimmter Symbole und Rituale. In diesen<lb/> hat mancher fälschlich das Wesen der Freimaurerei erblickt. Mit Recht hebt<lb/> demgegenüber Lessing hervor: „Diese Worte und diese Zeichen und diese Ge¬<lb/> bräuche sind nicht die Freimaurerei." Tatsächlich sind sie lediglich ein Mittel zum<lb/> Zweck, ein Werkzeug der in den Logen betriebnen Humanitätserziehung. Aller¬<lb/> dings ist der Symbolismus an sich etwas für das Freimaurertum charakteristisches.<lb/> Dieses kennt als Vertreter des Humanitütsgedankens auch bei seiner eignen<lb/> Erziehungsarbeit keinen Dogmatismus. Es setzt bei seinen Mitgliedern den<lb/> Gottesglauben voraus, stellt aber keinerlei autoritative, dogmatische Lehren<lb/> über das Göttliche und Sittliche auf, sondern bietet an Stelle von Dogmen<lb/> lediglich Symbole, die zur eignen Jnncnschau und Anßenschau anleiten, dieser<lb/> Gedankenbildung aber die weitestgehende Freiheit lassen. Diese Duldsamkeit,<lb/> die ihm als ein höchst wichtiges Erfordernis wahren Menschheitsfortschritts<lb/> erscheint, hält unter anderm das Freimaurertum auch von allen aggressiven<lb/> Gelüsten fern; die Loge streitet grundsätzlich gegen keine der politischen oder<lb/> kirchlichen Überzeugungen, soweit diese nicht in intolerante, die Gewissensfrei¬<lb/> heit vernichtende Herrschsucht ausarten. Lediglich durch die Macht der Wahr¬<lb/> heit soll bei der Wirksamkeit des Logentums der Humanitätsgedanke zur Geltung<lb/> gebracht werden, nicht durch Gebieten und Gehorchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_104" next="#ID_105"> Diese auf die Pflege, Verbreitung lind Verwirklichung des Humanitäts-<lb/> gedcmkens gerichtete Logentätigkeit ist nun an sich gewiß ein durchaus wert¬<lb/> volles, der Entwicklung eines gesunden Volkslebens förderliches Unternehmen.<lb/> In besonderm Maße trifft das in der Gegenwart zu. In unsrer der Hebung<lb/> des Volksgeistes und der sonstigen Kulturgesundung so bedürftigen, nach adog¬<lb/> matischer Religion und „sozialer" Sittlichkeit immer dringender verlangenden<lb/> Zeit ist jener Erziehungsgedanke, der ohne unduldsame Herrschgelüste den<lb/> Fortschritt auf religiös-sittlicher Grundlage durch Pflege des Menschentums,<lb/> der Aufklärung und der Freiheit anstrebt, wertvoller als je. Die Erziehung<lb/> aller zur „Arbeit am Gesellschaftsbau" durch Entwicklung ihres religiösen<lb/> Empfindens und ihrer sozialen Intelligenz, die natürliche Ausbildung der allen<lb/> wahren Gesellschaftswert bedingenden Persönlichkeit unter Abwehr herdenmäßiger<lb/> Bevormundung ist sicherlich ein höchst wichtiges, unerläßliches Erfordernis<lb/> jener geistig-sittlichen Reformation, ohne die es keine wirkliche, zum individuellen<lb/> Wohlbefinden führende Lösung der heutigen „sozialen Frage" gibt. Der<lb/> Humanitütsgedcmke findet denn auch tatsächlich in unsern Tagen der religiösen,<lb/> ethischen und sozialen Reformation steigende Beachtung Dafür spricht unter<lb/> anderm die Erscheinung, daß auf ein im September 1906 erlassenes Preis¬<lb/> ausschreiben, das zur Beantwortung der Frage aufforderte: „Wie kann die<lb/> Gesundung unsers sozialen Lebens durch Volkserziehung im Geiste der Hu¬<lb/> manität gefördert werden?" mehr als achtzig, zum Teil sehr umfangreiche<lb/> Arbeiten eingegangen sind. Und wirkt doch am Ende auch in den „moder¬<lb/> nistischen" Bestrebungen der katholischen Welt heutzutage jener Humanitüts-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Das Wesen der Freimaurerei
jeher bestimmter Kultformen, bestimmter Symbole und Rituale. In diesen
hat mancher fälschlich das Wesen der Freimaurerei erblickt. Mit Recht hebt
demgegenüber Lessing hervor: „Diese Worte und diese Zeichen und diese Ge¬
bräuche sind nicht die Freimaurerei." Tatsächlich sind sie lediglich ein Mittel zum
Zweck, ein Werkzeug der in den Logen betriebnen Humanitätserziehung. Aller¬
dings ist der Symbolismus an sich etwas für das Freimaurertum charakteristisches.
Dieses kennt als Vertreter des Humanitütsgedankens auch bei seiner eignen
Erziehungsarbeit keinen Dogmatismus. Es setzt bei seinen Mitgliedern den
Gottesglauben voraus, stellt aber keinerlei autoritative, dogmatische Lehren
über das Göttliche und Sittliche auf, sondern bietet an Stelle von Dogmen
lediglich Symbole, die zur eignen Jnncnschau und Anßenschau anleiten, dieser
Gedankenbildung aber die weitestgehende Freiheit lassen. Diese Duldsamkeit,
die ihm als ein höchst wichtiges Erfordernis wahren Menschheitsfortschritts
erscheint, hält unter anderm das Freimaurertum auch von allen aggressiven
Gelüsten fern; die Loge streitet grundsätzlich gegen keine der politischen oder
kirchlichen Überzeugungen, soweit diese nicht in intolerante, die Gewissensfrei¬
heit vernichtende Herrschsucht ausarten. Lediglich durch die Macht der Wahr¬
heit soll bei der Wirksamkeit des Logentums der Humanitätsgedanke zur Geltung
gebracht werden, nicht durch Gebieten und Gehorchen.
Diese auf die Pflege, Verbreitung lind Verwirklichung des Humanitäts-
gedcmkens gerichtete Logentätigkeit ist nun an sich gewiß ein durchaus wert¬
volles, der Entwicklung eines gesunden Volkslebens förderliches Unternehmen.
In besonderm Maße trifft das in der Gegenwart zu. In unsrer der Hebung
des Volksgeistes und der sonstigen Kulturgesundung so bedürftigen, nach adog¬
matischer Religion und „sozialer" Sittlichkeit immer dringender verlangenden
Zeit ist jener Erziehungsgedanke, der ohne unduldsame Herrschgelüste den
Fortschritt auf religiös-sittlicher Grundlage durch Pflege des Menschentums,
der Aufklärung und der Freiheit anstrebt, wertvoller als je. Die Erziehung
aller zur „Arbeit am Gesellschaftsbau" durch Entwicklung ihres religiösen
Empfindens und ihrer sozialen Intelligenz, die natürliche Ausbildung der allen
wahren Gesellschaftswert bedingenden Persönlichkeit unter Abwehr herdenmäßiger
Bevormundung ist sicherlich ein höchst wichtiges, unerläßliches Erfordernis
jener geistig-sittlichen Reformation, ohne die es keine wirkliche, zum individuellen
Wohlbefinden führende Lösung der heutigen „sozialen Frage" gibt. Der
Humanitütsgedcmke findet denn auch tatsächlich in unsern Tagen der religiösen,
ethischen und sozialen Reformation steigende Beachtung Dafür spricht unter
anderm die Erscheinung, daß auf ein im September 1906 erlassenes Preis¬
ausschreiben, das zur Beantwortung der Frage aufforderte: „Wie kann die
Gesundung unsers sozialen Lebens durch Volkserziehung im Geiste der Hu¬
manität gefördert werden?" mehr als achtzig, zum Teil sehr umfangreiche
Arbeiten eingegangen sind. Und wirkt doch am Ende auch in den „moder¬
nistischen" Bestrebungen der katholischen Welt heutzutage jener Humanitüts-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |