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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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"Lin Wort Schwinds über tels "Malen-Rönnen"

andern den "Gemälden" zugewiesen fände, so wäre er, wenn er das Kupfer-
stichkabinett zu sehen ausdrücklich zu vermeiden und nur farbige Werke (auch
etwa vorhaudne Nhhparographien) seiner nachgebornen Berufsgenossen zu
sehen wünschte, durch die Kenntnis seiner Muttersprache nicht davor bewahrt,
fehl zu gehn. Denn dem Kunstvolle der Griechen genügte in seiner Sprache
eines und dasselbe Wort in der Bedeutung: schreiben, zeichnen und farbig
darstellen; und wenn man einen griechischen Maler griechisch in wörtlicher
Übersetzung mit den Wortein "Der Maler muß malen können!" hätte er¬
nähren wollen, so wäre der Ermähnte in der angenehmen Lage gewesen,
nicht nötig zu haben, den Sinn des Vorhalts zu verstehn. Ähnlich unsre
ältern deutsche" Maler. Auch das deutsche Wort malen ist vou Hause aus
vollkommen gleichbedeutend mit dem Worte zeichnen. Wie zeichnen von Zeichen,
so stammt malen von Mal, einem Syuonhmum des Wortes Zeichen, das
noch heute in unsrer Sprache, besonders in den Zusammensetzungen Muttermal,
Merkmal, Denkmal, gangbar ist. Die Kinder in meiner sächsischen Heimat
malen noch heute Bilder mit Schieferstift, Bleistift oder weißer Kreide, bevor
sie übergehn zu solchen bunten malerischen Versuchen, zu denen sie einen
Farbenkasten nötig haben. Eine unterschiedliche Bedeutung gegenüber zeichnen
nahm bei uns das Wort malen erst allmählich, wahrscheinlich zunächst nur
in der Sprache der Gebildeten und unter dein Einfluß des Übersetzens aus
fremden Sprachen an. Dem aber sei, wie ihm wolle, jedenfalls wird die
Lehre, das; der Farbe in den dnrch die Kunst der Malerei hervorzubringenden
Phantasie- und Wirklichkeitsbildern eine überwiegende Bedeutung gebühre, und
es in der Kunst der Malerei kein Äquivalent für vermißte Leistungen in der
Farbe gebe, äußerst schwach verteidigt, wenn sich die Verteidigung auf Worte,
Worte aus dem Wörterbuche irgendeiner Sprache der Welt, namentlich aber
auf das Wort der deutschen Sprache stützt, das bei uns der Malkunst den
Ruinen gegeben hat.

Ein Zwiespalt in der deutschen Kunstwelt, den schon Gottfried Schadows
angeführte briefliche Äußerung erkennen läßt, trat deutlich in die Erscheinung,
als darüber entschieden wurde, wer an Stelle von Cornelius nach dessen
Übersiedlung nach München Direktor der Akademie in Düsseldorf werden
sollte. Man wünschte an maßgebender Stelle, daß an der dortigen Kunst¬
schule nicht "die Malerei al trsseo als Hauptstudium betrieben werde", und
das Amt, das man zehn Jahre früher dein französischen Altmeister Louis
David angeboten hatte, erhielt nnn aus ähnlicher Gesinnung heraus Gottfried
Schadows zweiter Sohn Wilhelm, der zwar auch dein römisch-deutschen
Künstlerkreise angehört und mit Cornelius zusammen in der Casa Bartholdh
gearbeitet hatte, später aber sich diesem mehr und mehr entfremdete. Ein
wirksamer Gegenpol gegen das Kunstschaffen, das in München unter der
Pflege eines mächtigen gekrönten Kunstfreundes erblühte, war mit dieser Er¬
nennung entstanden. Aber mehr als die Gegner vou außen, mehr als die


«Lin Wort Schwinds über tels „Malen-Rönnen"

andern den „Gemälden" zugewiesen fände, so wäre er, wenn er das Kupfer-
stichkabinett zu sehen ausdrücklich zu vermeiden und nur farbige Werke (auch
etwa vorhaudne Nhhparographien) seiner nachgebornen Berufsgenossen zu
sehen wünschte, durch die Kenntnis seiner Muttersprache nicht davor bewahrt,
fehl zu gehn. Denn dem Kunstvolle der Griechen genügte in seiner Sprache
eines und dasselbe Wort in der Bedeutung: schreiben, zeichnen und farbig
darstellen; und wenn man einen griechischen Maler griechisch in wörtlicher
Übersetzung mit den Wortein „Der Maler muß malen können!" hätte er¬
nähren wollen, so wäre der Ermähnte in der angenehmen Lage gewesen,
nicht nötig zu haben, den Sinn des Vorhalts zu verstehn. Ähnlich unsre
ältern deutsche» Maler. Auch das deutsche Wort malen ist vou Hause aus
vollkommen gleichbedeutend mit dem Worte zeichnen. Wie zeichnen von Zeichen,
so stammt malen von Mal, einem Syuonhmum des Wortes Zeichen, das
noch heute in unsrer Sprache, besonders in den Zusammensetzungen Muttermal,
Merkmal, Denkmal, gangbar ist. Die Kinder in meiner sächsischen Heimat
malen noch heute Bilder mit Schieferstift, Bleistift oder weißer Kreide, bevor
sie übergehn zu solchen bunten malerischen Versuchen, zu denen sie einen
Farbenkasten nötig haben. Eine unterschiedliche Bedeutung gegenüber zeichnen
nahm bei uns das Wort malen erst allmählich, wahrscheinlich zunächst nur
in der Sprache der Gebildeten und unter dein Einfluß des Übersetzens aus
fremden Sprachen an. Dem aber sei, wie ihm wolle, jedenfalls wird die
Lehre, das; der Farbe in den dnrch die Kunst der Malerei hervorzubringenden
Phantasie- und Wirklichkeitsbildern eine überwiegende Bedeutung gebühre, und
es in der Kunst der Malerei kein Äquivalent für vermißte Leistungen in der
Farbe gebe, äußerst schwach verteidigt, wenn sich die Verteidigung auf Worte,
Worte aus dem Wörterbuche irgendeiner Sprache der Welt, namentlich aber
auf das Wort der deutschen Sprache stützt, das bei uns der Malkunst den
Ruinen gegeben hat.

Ein Zwiespalt in der deutschen Kunstwelt, den schon Gottfried Schadows
angeführte briefliche Äußerung erkennen läßt, trat deutlich in die Erscheinung,
als darüber entschieden wurde, wer an Stelle von Cornelius nach dessen
Übersiedlung nach München Direktor der Akademie in Düsseldorf werden
sollte. Man wünschte an maßgebender Stelle, daß an der dortigen Kunst¬
schule nicht „die Malerei al trsseo als Hauptstudium betrieben werde", und
das Amt, das man zehn Jahre früher dein französischen Altmeister Louis
David angeboten hatte, erhielt nnn aus ähnlicher Gesinnung heraus Gottfried
Schadows zweiter Sohn Wilhelm, der zwar auch dein römisch-deutschen
Künstlerkreise angehört und mit Cornelius zusammen in der Casa Bartholdh
gearbeitet hatte, später aber sich diesem mehr und mehr entfremdete. Ein
wirksamer Gegenpol gegen das Kunstschaffen, das in München unter der
Pflege eines mächtigen gekrönten Kunstfreundes erblühte, war mit dieser Er¬
nennung entstanden. Aber mehr als die Gegner vou außen, mehr als die


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[0042] «Lin Wort Schwinds über tels „Malen-Rönnen" andern den „Gemälden" zugewiesen fände, so wäre er, wenn er das Kupfer- stichkabinett zu sehen ausdrücklich zu vermeiden und nur farbige Werke (auch etwa vorhaudne Nhhparographien) seiner nachgebornen Berufsgenossen zu sehen wünschte, durch die Kenntnis seiner Muttersprache nicht davor bewahrt, fehl zu gehn. Denn dem Kunstvolle der Griechen genügte in seiner Sprache eines und dasselbe Wort in der Bedeutung: schreiben, zeichnen und farbig darstellen; und wenn man einen griechischen Maler griechisch in wörtlicher Übersetzung mit den Wortein „Der Maler muß malen können!" hätte er¬ nähren wollen, so wäre der Ermähnte in der angenehmen Lage gewesen, nicht nötig zu haben, den Sinn des Vorhalts zu verstehn. Ähnlich unsre ältern deutsche» Maler. Auch das deutsche Wort malen ist vou Hause aus vollkommen gleichbedeutend mit dem Worte zeichnen. Wie zeichnen von Zeichen, so stammt malen von Mal, einem Syuonhmum des Wortes Zeichen, das noch heute in unsrer Sprache, besonders in den Zusammensetzungen Muttermal, Merkmal, Denkmal, gangbar ist. Die Kinder in meiner sächsischen Heimat malen noch heute Bilder mit Schieferstift, Bleistift oder weißer Kreide, bevor sie übergehn zu solchen bunten malerischen Versuchen, zu denen sie einen Farbenkasten nötig haben. Eine unterschiedliche Bedeutung gegenüber zeichnen nahm bei uns das Wort malen erst allmählich, wahrscheinlich zunächst nur in der Sprache der Gebildeten und unter dein Einfluß des Übersetzens aus fremden Sprachen an. Dem aber sei, wie ihm wolle, jedenfalls wird die Lehre, das; der Farbe in den dnrch die Kunst der Malerei hervorzubringenden Phantasie- und Wirklichkeitsbildern eine überwiegende Bedeutung gebühre, und es in der Kunst der Malerei kein Äquivalent für vermißte Leistungen in der Farbe gebe, äußerst schwach verteidigt, wenn sich die Verteidigung auf Worte, Worte aus dem Wörterbuche irgendeiner Sprache der Welt, namentlich aber auf das Wort der deutschen Sprache stützt, das bei uns der Malkunst den Ruinen gegeben hat. Ein Zwiespalt in der deutschen Kunstwelt, den schon Gottfried Schadows angeführte briefliche Äußerung erkennen läßt, trat deutlich in die Erscheinung, als darüber entschieden wurde, wer an Stelle von Cornelius nach dessen Übersiedlung nach München Direktor der Akademie in Düsseldorf werden sollte. Man wünschte an maßgebender Stelle, daß an der dortigen Kunst¬ schule nicht „die Malerei al trsseo als Hauptstudium betrieben werde", und das Amt, das man zehn Jahre früher dein französischen Altmeister Louis David angeboten hatte, erhielt nnn aus ähnlicher Gesinnung heraus Gottfried Schadows zweiter Sohn Wilhelm, der zwar auch dein römisch-deutschen Künstlerkreise angehört und mit Cornelius zusammen in der Casa Bartholdh gearbeitet hatte, später aber sich diesem mehr und mehr entfremdete. Ein wirksamer Gegenpol gegen das Kunstschaffen, das in München unter der Pflege eines mächtigen gekrönten Kunstfreundes erblühte, war mit dieser Er¬ nennung entstanden. Aber mehr als die Gegner vou außen, mehr als die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/42>, abgerufen am 22.05.2024.