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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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"Oberlehrer Haut

Sie nickte.

Man wird in seinem Gemüt groß und still davon.

Sie nickte wieder und sah in die Ferne. Nach einer Weile sagte sie: Dies
ist Vaters Lieblingsplatz.

Ihr wunderbarer Vater!

Sie sah warm und strahlend zu ihm auf.

Ja, er ist wunderbar!

Er stand da und schwenkte den Spazierstock hin und her. Dann sagte er
leichthin: Es ist nur schade, daß Ihre Mutter so unangenehm ist!

Er wurde ganz bange. Sie sprang auf und stand mit flammenden Augen
vor ihm.

Pfui! o pfui! Wie abscheulich von Ihnen! Ich saß hier und hatte Sie so
gern und fand, daß Sie so fein und lieb waren!

Liebes Fräulein Berry, ich meinte es ja nicht so, ich wollte Sie ja nicht
verletzen, oder . . .

Sie barg das Gesicht in den Händen: Sie sind nicht einmal ein gebildeter
Mann. Ich will das Wort nicht aussprechen, das auf Sie paßt, wenn Sie so
etwas zu mir sagen!

Darüber ist weiter nichts zu sagen, Fräulein Berry! sagte Svend Bugge er¬
geben, es war also geradezu pöbelhaft --

Pfui! Sie schritt an ihm vorüber, bergab.

Aber so hören Sie doch! rief er ihr nach und stellte sich vor sie hin und
sah ihr ins Gesicht -- das ist zu viel, sage ich Ihnen! Es hat keinen Sinn, daß
Sie so von mir weglaufen und mich so stehn lassen. Dazu sind Sie viel zu klug
und namentlich zu gut! Sie müssen es doch anhören, wenn ich artig um Ver¬
zeihung bitte! Denn ein Rüpel bin ich doch nicht, das wissen Sie ja recht gut.
Und Sie sind auch nicht so grenzenlos niederträchtig gegen mich --

Wie können Sie es nur wagen, ein Wort gegen meine Mutter zu sagen! Denken
Sie denn nicht daran, daß Sie geradeswegs aus ihren Zimmern kommen! daß --

Ja, es war häßlich, das kann niemand leugnen, aber --

Wissen Sie, daß meine Mutter eine prachtvolle Frau ist! Sie ist kränklich
und schwach, aber eine Heldin, allein durch die Liebe! Ein erhabner Mensch, das
ist sie -

Verzeihen Sie mir, Fräulein Berry!

Sie überwindet alles -- mit ihrer großen, großen Liebe!

Berry brach wieder in Tränen aus.

Geben Sie mir Ihre Hand, Fräulein Berry! Nur einen Augenblick! Ich
stehe hier und bettle um Verzeihung, ich -- ich könnte hier auf dem Hügel auf
die Knie niederfallen, vor Ihnen --

Ich habe ein Gefühl, als hätten Sie mich geschlagen --> und Mutter -- Pfui!
o, Wie abscheulich von Ihnen!

Er beugte sich herab und nahm ihre uubehandschuhte Hand. Sie suchte sie
ihm zu entziehen, aber er hielt sie fest.

Ich kann sie nicht loslassen. Erst müssen Sie mich ein wenig ansehen, nur
eine Sekunde!

Sie stand einen Augenblick regungslos da, gab den Widerstand mit der Hand
auf, hielt aber das Taschentuch noch immer vor das Gesicht.

Da fing er an, die Hand zu streicheln, die er hielt.

Fräulein Berry, sagte er, das ist wieder einmal meine Tölpelei! Ich ver¬
diene es, dafür bestraft zu werden. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß mir


«Oberlehrer Haut

Sie nickte.

Man wird in seinem Gemüt groß und still davon.

Sie nickte wieder und sah in die Ferne. Nach einer Weile sagte sie: Dies
ist Vaters Lieblingsplatz.

Ihr wunderbarer Vater!

Sie sah warm und strahlend zu ihm auf.

Ja, er ist wunderbar!

Er stand da und schwenkte den Spazierstock hin und her. Dann sagte er
leichthin: Es ist nur schade, daß Ihre Mutter so unangenehm ist!

Er wurde ganz bange. Sie sprang auf und stand mit flammenden Augen
vor ihm.

Pfui! o pfui! Wie abscheulich von Ihnen! Ich saß hier und hatte Sie so
gern und fand, daß Sie so fein und lieb waren!

Liebes Fräulein Berry, ich meinte es ja nicht so, ich wollte Sie ja nicht
verletzen, oder . . .

Sie barg das Gesicht in den Händen: Sie sind nicht einmal ein gebildeter
Mann. Ich will das Wort nicht aussprechen, das auf Sie paßt, wenn Sie so
etwas zu mir sagen!

Darüber ist weiter nichts zu sagen, Fräulein Berry! sagte Svend Bugge er¬
geben, es war also geradezu pöbelhaft —

Pfui! Sie schritt an ihm vorüber, bergab.

Aber so hören Sie doch! rief er ihr nach und stellte sich vor sie hin und
sah ihr ins Gesicht — das ist zu viel, sage ich Ihnen! Es hat keinen Sinn, daß
Sie so von mir weglaufen und mich so stehn lassen. Dazu sind Sie viel zu klug
und namentlich zu gut! Sie müssen es doch anhören, wenn ich artig um Ver¬
zeihung bitte! Denn ein Rüpel bin ich doch nicht, das wissen Sie ja recht gut.
Und Sie sind auch nicht so grenzenlos niederträchtig gegen mich —

Wie können Sie es nur wagen, ein Wort gegen meine Mutter zu sagen! Denken
Sie denn nicht daran, daß Sie geradeswegs aus ihren Zimmern kommen! daß —

Ja, es war häßlich, das kann niemand leugnen, aber —

Wissen Sie, daß meine Mutter eine prachtvolle Frau ist! Sie ist kränklich
und schwach, aber eine Heldin, allein durch die Liebe! Ein erhabner Mensch, das
ist sie -

Verzeihen Sie mir, Fräulein Berry!

Sie überwindet alles — mit ihrer großen, großen Liebe!

Berry brach wieder in Tränen aus.

Geben Sie mir Ihre Hand, Fräulein Berry! Nur einen Augenblick! Ich
stehe hier und bettle um Verzeihung, ich — ich könnte hier auf dem Hügel auf
die Knie niederfallen, vor Ihnen —

Ich habe ein Gefühl, als hätten Sie mich geschlagen —> und Mutter — Pfui!
o, Wie abscheulich von Ihnen!

Er beugte sich herab und nahm ihre uubehandschuhte Hand. Sie suchte sie
ihm zu entziehen, aber er hielt sie fest.

Ich kann sie nicht loslassen. Erst müssen Sie mich ein wenig ansehen, nur
eine Sekunde!

Sie stand einen Augenblick regungslos da, gab den Widerstand mit der Hand
auf, hielt aber das Taschentuch noch immer vor das Gesicht.

Da fing er an, die Hand zu streicheln, die er hielt.

Fräulein Berry, sagte er, das ist wieder einmal meine Tölpelei! Ich ver¬
diene es, dafür bestraft zu werden. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß mir


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[0050] «Oberlehrer Haut Sie nickte. Man wird in seinem Gemüt groß und still davon. Sie nickte wieder und sah in die Ferne. Nach einer Weile sagte sie: Dies ist Vaters Lieblingsplatz. Ihr wunderbarer Vater! Sie sah warm und strahlend zu ihm auf. Ja, er ist wunderbar! Er stand da und schwenkte den Spazierstock hin und her. Dann sagte er leichthin: Es ist nur schade, daß Ihre Mutter so unangenehm ist! Er wurde ganz bange. Sie sprang auf und stand mit flammenden Augen vor ihm. Pfui! o pfui! Wie abscheulich von Ihnen! Ich saß hier und hatte Sie so gern und fand, daß Sie so fein und lieb waren! Liebes Fräulein Berry, ich meinte es ja nicht so, ich wollte Sie ja nicht verletzen, oder . . . Sie barg das Gesicht in den Händen: Sie sind nicht einmal ein gebildeter Mann. Ich will das Wort nicht aussprechen, das auf Sie paßt, wenn Sie so etwas zu mir sagen! Darüber ist weiter nichts zu sagen, Fräulein Berry! sagte Svend Bugge er¬ geben, es war also geradezu pöbelhaft — Pfui! Sie schritt an ihm vorüber, bergab. Aber so hören Sie doch! rief er ihr nach und stellte sich vor sie hin und sah ihr ins Gesicht — das ist zu viel, sage ich Ihnen! Es hat keinen Sinn, daß Sie so von mir weglaufen und mich so stehn lassen. Dazu sind Sie viel zu klug und namentlich zu gut! Sie müssen es doch anhören, wenn ich artig um Ver¬ zeihung bitte! Denn ein Rüpel bin ich doch nicht, das wissen Sie ja recht gut. Und Sie sind auch nicht so grenzenlos niederträchtig gegen mich — Wie können Sie es nur wagen, ein Wort gegen meine Mutter zu sagen! Denken Sie denn nicht daran, daß Sie geradeswegs aus ihren Zimmern kommen! daß — Ja, es war häßlich, das kann niemand leugnen, aber — Wissen Sie, daß meine Mutter eine prachtvolle Frau ist! Sie ist kränklich und schwach, aber eine Heldin, allein durch die Liebe! Ein erhabner Mensch, das ist sie - Verzeihen Sie mir, Fräulein Berry! Sie überwindet alles — mit ihrer großen, großen Liebe! Berry brach wieder in Tränen aus. Geben Sie mir Ihre Hand, Fräulein Berry! Nur einen Augenblick! Ich stehe hier und bettle um Verzeihung, ich — ich könnte hier auf dem Hügel auf die Knie niederfallen, vor Ihnen — Ich habe ein Gefühl, als hätten Sie mich geschlagen —> und Mutter — Pfui! o, Wie abscheulich von Ihnen! Er beugte sich herab und nahm ihre uubehandschuhte Hand. Sie suchte sie ihm zu entziehen, aber er hielt sie fest. Ich kann sie nicht loslassen. Erst müssen Sie mich ein wenig ansehen, nur eine Sekunde! Sie stand einen Augenblick regungslos da, gab den Widerstand mit der Hand auf, hielt aber das Taschentuch noch immer vor das Gesicht. Da fing er an, die Hand zu streicheln, die er hielt. Fräulein Berry, sagte er, das ist wieder einmal meine Tölpelei! Ich ver¬ diene es, dafür bestraft zu werden. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß mir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/50>, abgerufen am 22.05.2024.