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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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R'eisebilder aus Dalmatien

lieferten der Gegenwart ein Stadtbild, das einen tausendjährigen Baugedanken
rein verkörpert.

Hinter der Stadt im Gebirge ist ein Grünen und Blühen, der dalmatinische
Frühling, der das steinige Land bräutlich schmückt. Hier in den südlichern
Lagen nehmen die Kraft und die Fülle der Vegetation zu, an den Küstenteilen
vor allem und in den Seitentälern.

Die Straße führt durch Weinland zwischen niedrigem Gemäuer, an dem
flockenweise Blütenbüschel stehn. Weißrot, gelb und rosa sind die farbigen
Akzente der österlichen Berglandschaft. Sie wird bald höher und rauh, der
Wein bleibt zurück, die Olive, der Brotbaum und eine Steinwüste beherrschen
die Höhe. Jenseits steigt die Straße nieder, und nach einer weitern Viertel¬
stunde Fahrt grünt ein Tal empor, ein Smaragd im grauen Gestein -- die
Krka mit ihren berühmten Fällen.

Ein römischer Kaiser, Dalmater von Geburt, baut in Spalato seinen
Palast, oder besser gesagt, ein befestigtes und monumental geschmücktes Lager
mit einem Mausoleum. Ägyptische Steinarbeiter, Handwerker aus Griechenland
und aus dem Orient sind an dem römischen Palast beschäftigt. Formen ent¬
steh", bedeutsam für die nachmalige Kunst Venedigs, die später unter dem
Zeichen des geflügelten Löwen dem ganzen Lande die entscheidende Marke gibt;
im Mausoleum wurden in der Kuppel die Spuren von Mosaiken entdeckt, der
ältesten dieser Flächenkunst. Ein kühner Gedankenwurf, dem nicht das Fundament
fehlt, weist Dalmatien den Ursprung jenes sogenannten byzantinischen Stils
unter Diokletian zu, jener noch nicht zu Ende bewunderten Kunst, die zu ihrer
Entwicklung den Spaziergang nach Byzanz macht und von dort wieder unter
die Fittiche des Flügellöwen zurückkehrt, um in der Kirche des heiligen Markus
zu Venedig einen ihrer Triumphe zu feiern, die alles Spätere in Schatten
stellen, bis auf den heutigen Tag. Also Dalmatien war nicht bloß das Ein¬
gangstor, durch das der Orient in die abendländische Kunst einzog. Von
Altägypten bis Napoleon finden sich die künstlerischen Merkmale aller Kulturen
in den Steinen Dalmatiens, alle Völker, die in der abendländischen und west-
äsiatischen Geschichte auftauchen, begegnen einander auf diesem Boden und
bestimmen die Schicksale der heimischen Kultur.

Noch für einen andern hochbedeutenden Entwicklungsgang der Kunst war
der Diokletianpalast der Ausgangspunkt. Die dort vorhandnen Archivolten
über den Säulen, die fortlaufenden Bogenstellungen sind die künstlerische Tat,
die für die Entwicklung des romanischen Stils, wie schon erwähnt worden ist,
entscheidend war. Spalato ist das Haupttor, durch das die oriental beeinflußte,
späthellenische Bauform ins Abendland einzieht, wo sie zu einer neuen,
künstlerisch so bedeutsamen Entwicklung den Anstoß gibt. Spalato ist ein
Markstein der romanischen Kunst bei ihrem Übertritt aus dem Orient in das
Abendland, wie der bekannte Grazer Gelehrte Dr. Strzygowski in einer ein¬
dringenden Schrift darlegt. -


R'eisebilder aus Dalmatien

lieferten der Gegenwart ein Stadtbild, das einen tausendjährigen Baugedanken
rein verkörpert.

Hinter der Stadt im Gebirge ist ein Grünen und Blühen, der dalmatinische
Frühling, der das steinige Land bräutlich schmückt. Hier in den südlichern
Lagen nehmen die Kraft und die Fülle der Vegetation zu, an den Küstenteilen
vor allem und in den Seitentälern.

Die Straße führt durch Weinland zwischen niedrigem Gemäuer, an dem
flockenweise Blütenbüschel stehn. Weißrot, gelb und rosa sind die farbigen
Akzente der österlichen Berglandschaft. Sie wird bald höher und rauh, der
Wein bleibt zurück, die Olive, der Brotbaum und eine Steinwüste beherrschen
die Höhe. Jenseits steigt die Straße nieder, und nach einer weitern Viertel¬
stunde Fahrt grünt ein Tal empor, ein Smaragd im grauen Gestein — die
Krka mit ihren berühmten Fällen.

Ein römischer Kaiser, Dalmater von Geburt, baut in Spalato seinen
Palast, oder besser gesagt, ein befestigtes und monumental geschmücktes Lager
mit einem Mausoleum. Ägyptische Steinarbeiter, Handwerker aus Griechenland
und aus dem Orient sind an dem römischen Palast beschäftigt. Formen ent¬
steh«, bedeutsam für die nachmalige Kunst Venedigs, die später unter dem
Zeichen des geflügelten Löwen dem ganzen Lande die entscheidende Marke gibt;
im Mausoleum wurden in der Kuppel die Spuren von Mosaiken entdeckt, der
ältesten dieser Flächenkunst. Ein kühner Gedankenwurf, dem nicht das Fundament
fehlt, weist Dalmatien den Ursprung jenes sogenannten byzantinischen Stils
unter Diokletian zu, jener noch nicht zu Ende bewunderten Kunst, die zu ihrer
Entwicklung den Spaziergang nach Byzanz macht und von dort wieder unter
die Fittiche des Flügellöwen zurückkehrt, um in der Kirche des heiligen Markus
zu Venedig einen ihrer Triumphe zu feiern, die alles Spätere in Schatten
stellen, bis auf den heutigen Tag. Also Dalmatien war nicht bloß das Ein¬
gangstor, durch das der Orient in die abendländische Kunst einzog. Von
Altägypten bis Napoleon finden sich die künstlerischen Merkmale aller Kulturen
in den Steinen Dalmatiens, alle Völker, die in der abendländischen und west-
äsiatischen Geschichte auftauchen, begegnen einander auf diesem Boden und
bestimmen die Schicksale der heimischen Kultur.

Noch für einen andern hochbedeutenden Entwicklungsgang der Kunst war
der Diokletianpalast der Ausgangspunkt. Die dort vorhandnen Archivolten
über den Säulen, die fortlaufenden Bogenstellungen sind die künstlerische Tat,
die für die Entwicklung des romanischen Stils, wie schon erwähnt worden ist,
entscheidend war. Spalato ist das Haupttor, durch das die oriental beeinflußte,
späthellenische Bauform ins Abendland einzieht, wo sie zu einer neuen,
künstlerisch so bedeutsamen Entwicklung den Anstoß gibt. Spalato ist ein
Markstein der romanischen Kunst bei ihrem Übertritt aus dem Orient in das
Abendland, wie der bekannte Grazer Gelehrte Dr. Strzygowski in einer ein¬
dringenden Schrift darlegt. -


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[0502] R'eisebilder aus Dalmatien lieferten der Gegenwart ein Stadtbild, das einen tausendjährigen Baugedanken rein verkörpert. Hinter der Stadt im Gebirge ist ein Grünen und Blühen, der dalmatinische Frühling, der das steinige Land bräutlich schmückt. Hier in den südlichern Lagen nehmen die Kraft und die Fülle der Vegetation zu, an den Küstenteilen vor allem und in den Seitentälern. Die Straße führt durch Weinland zwischen niedrigem Gemäuer, an dem flockenweise Blütenbüschel stehn. Weißrot, gelb und rosa sind die farbigen Akzente der österlichen Berglandschaft. Sie wird bald höher und rauh, der Wein bleibt zurück, die Olive, der Brotbaum und eine Steinwüste beherrschen die Höhe. Jenseits steigt die Straße nieder, und nach einer weitern Viertel¬ stunde Fahrt grünt ein Tal empor, ein Smaragd im grauen Gestein — die Krka mit ihren berühmten Fällen. Ein römischer Kaiser, Dalmater von Geburt, baut in Spalato seinen Palast, oder besser gesagt, ein befestigtes und monumental geschmücktes Lager mit einem Mausoleum. Ägyptische Steinarbeiter, Handwerker aus Griechenland und aus dem Orient sind an dem römischen Palast beschäftigt. Formen ent¬ steh«, bedeutsam für die nachmalige Kunst Venedigs, die später unter dem Zeichen des geflügelten Löwen dem ganzen Lande die entscheidende Marke gibt; im Mausoleum wurden in der Kuppel die Spuren von Mosaiken entdeckt, der ältesten dieser Flächenkunst. Ein kühner Gedankenwurf, dem nicht das Fundament fehlt, weist Dalmatien den Ursprung jenes sogenannten byzantinischen Stils unter Diokletian zu, jener noch nicht zu Ende bewunderten Kunst, die zu ihrer Entwicklung den Spaziergang nach Byzanz macht und von dort wieder unter die Fittiche des Flügellöwen zurückkehrt, um in der Kirche des heiligen Markus zu Venedig einen ihrer Triumphe zu feiern, die alles Spätere in Schatten stellen, bis auf den heutigen Tag. Also Dalmatien war nicht bloß das Ein¬ gangstor, durch das der Orient in die abendländische Kunst einzog. Von Altägypten bis Napoleon finden sich die künstlerischen Merkmale aller Kulturen in den Steinen Dalmatiens, alle Völker, die in der abendländischen und west- äsiatischen Geschichte auftauchen, begegnen einander auf diesem Boden und bestimmen die Schicksale der heimischen Kultur. Noch für einen andern hochbedeutenden Entwicklungsgang der Kunst war der Diokletianpalast der Ausgangspunkt. Die dort vorhandnen Archivolten über den Säulen, die fortlaufenden Bogenstellungen sind die künstlerische Tat, die für die Entwicklung des romanischen Stils, wie schon erwähnt worden ist, entscheidend war. Spalato ist das Haupttor, durch das die oriental beeinflußte, späthellenische Bauform ins Abendland einzieht, wo sie zu einer neuen, künstlerisch so bedeutsamen Entwicklung den Anstoß gibt. Spalato ist ein Markstein der romanischen Kunst bei ihrem Übertritt aus dem Orient in das Abendland, wie der bekannte Grazer Gelehrte Dr. Strzygowski in einer ein¬ dringenden Schrift darlegt. -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/502>, abgerufen am 15.06.2024.