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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Altjapanische Lyrik

ein andres heißt:

Und nun meldet sich auch die Reflexion, alsbald mit einer pessimistischen Note:

Auch sie wird bisweilen rein als Bild ausgesprochen:

Wie das Bild jetzt nicht mehr so kernhaft zugleich mit dem Hauptgedanken
entspringt wie in den ältesten Strophen, sondern mehr als besondrer ästhetischer
Wert neben ihn tritt, kündet sich schon in einer so schönen Strophe an wie der:

Auf dieser Stufe etwa ist die japanische Lyrik angekommen, da wird sie
mit der chinesischen bekannt. Die ersten in Japan zusammengestellten Lieder¬
sammlungen als solche enthielten nur chinesisches Gut, bis Jakamochi eben
nach diesem Muster nun auch den Manyoshu zusammenbrachte. Eine deutsche
Parallele dazu wäre es, wenn bei uns zur Stauferzeit etwa zunächst nur
Übersetzungen französischer Nitterlyrik aufgeschrieben worden wären und daraus
dann ein deutscher Sänger den Mut geschöpft hätte, auch das eigennationale
Gut in dieser Weise zu sammeln. Man nimmt die höhere Kultur, die sich in
Japan nun stellenweise ergibt, etwa aus einem Gedicht wahr wie dem
folgenden, wo sich ursprüngliches Empfinden ruhiger über die größer geformte
Strophe verbreitet:


Altjapanische Lyrik

ein andres heißt:

Und nun meldet sich auch die Reflexion, alsbald mit einer pessimistischen Note:

Auch sie wird bisweilen rein als Bild ausgesprochen:

Wie das Bild jetzt nicht mehr so kernhaft zugleich mit dem Hauptgedanken
entspringt wie in den ältesten Strophen, sondern mehr als besondrer ästhetischer
Wert neben ihn tritt, kündet sich schon in einer so schönen Strophe an wie der:

Auf dieser Stufe etwa ist die japanische Lyrik angekommen, da wird sie
mit der chinesischen bekannt. Die ersten in Japan zusammengestellten Lieder¬
sammlungen als solche enthielten nur chinesisches Gut, bis Jakamochi eben
nach diesem Muster nun auch den Manyoshu zusammenbrachte. Eine deutsche
Parallele dazu wäre es, wenn bei uns zur Stauferzeit etwa zunächst nur
Übersetzungen französischer Nitterlyrik aufgeschrieben worden wären und daraus
dann ein deutscher Sänger den Mut geschöpft hätte, auch das eigennationale
Gut in dieser Weise zu sammeln. Man nimmt die höhere Kultur, die sich in
Japan nun stellenweise ergibt, etwa aus einem Gedicht wahr wie dem
folgenden, wo sich ursprüngliches Empfinden ruhiger über die größer geformte
Strophe verbreitet:


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[0238] Altjapanische Lyrik ein andres heißt: Und nun meldet sich auch die Reflexion, alsbald mit einer pessimistischen Note: Auch sie wird bisweilen rein als Bild ausgesprochen: Wie das Bild jetzt nicht mehr so kernhaft zugleich mit dem Hauptgedanken entspringt wie in den ältesten Strophen, sondern mehr als besondrer ästhetischer Wert neben ihn tritt, kündet sich schon in einer so schönen Strophe an wie der: Auf dieser Stufe etwa ist die japanische Lyrik angekommen, da wird sie mit der chinesischen bekannt. Die ersten in Japan zusammengestellten Lieder¬ sammlungen als solche enthielten nur chinesisches Gut, bis Jakamochi eben nach diesem Muster nun auch den Manyoshu zusammenbrachte. Eine deutsche Parallele dazu wäre es, wenn bei uns zur Stauferzeit etwa zunächst nur Übersetzungen französischer Nitterlyrik aufgeschrieben worden wären und daraus dann ein deutscher Sänger den Mut geschöpft hätte, auch das eigennationale Gut in dieser Weise zu sammeln. Man nimmt die höhere Kultur, die sich in Japan nun stellenweise ergibt, etwa aus einem Gedicht wahr wie dem folgenden, wo sich ursprüngliches Empfinden ruhiger über die größer geformte Strophe verbreitet:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/238>, abgerufen am 22.05.2024.