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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die neue Armada -- gegen Japan

halbwegs zwischen San Franzisko und Jokohama und sodann eine fruchtbare
Inselwelt vor den Küsten Hinterindiens und Südchinas. Man bedenkt nicht
immer, daß auch noch Tutuila, die beste der Samoainseln, wenigstens die mit
den besten Häfen, und Guam, die beste der Marianen, hinzukommen. Das
sind Stationen, soviel die Amerikaner brauchen. Nach Eroberungen kann ihnen
der Sinn nicht stehn. Etwas ganz andres ist es aber, ob sich die große
Republik genötigt sehen kann, einen Angriff abzuwehren oder auch in politischer
Defensive zu einer strategischen Offensive überzugehn. Jedenfalls ist die An¬
nahme von den Manöverzwecken ein Märlein geblieben. Man spielte einige
Monate mit ihm, um nicht immer zugeben zu müssen, daß die Besorgnis vor
einem japanischen Angriff den Anlaß zu der Verlegung der Seemacht gegeben
habe. Aber in Wahrheit schickt kein Staat sozusagen seine ganze Flotte auf
eine Manöverfahrt, von der er sie innerhalb sechs Monaten nicht zurückberufen
kann, es sei denn, er habe die durchschlagendsten Gründe dafür.

Wir haben an dieser Stelle (Grenzboten 1907, Heft 1) den großen
Gegensatz geschildert, in den Japan zu den europäischen Bewohnern Amerikas
und Australiens geradezu treten muß. Japan kann als die Vorhut der
750 Millionen Seelen umfassenden Völker Süd- und Ostasiens angesehen
werden, die dort dicht gedrängt sitzen und deshalb der Armut ausgeliefert sind.
Denn soweit ihr Boden fruchtbar ist, ist er schon übermäßig besiedelt. Jetzt
haben sie, namentlich Japan, die weit günstigern Bedingungen kennen gelernt,
unter denen die Völker der kaukasischen Rasse leben. Sie wollen ihnen nach¬
eifern und sehen auch fruchtbare Länder genug vor sich, die noch dünn besiedelt
sind: ganz Westamerika, ganz Australien. Sie möchten gern Anteil daran
haben, keinen politischen, nein nur wirtschaftlichen, und indem sie sich den Herren¬
völkern kaukasischer Rasse willig unterwerfen. Sie wollen arbeiten, dienen, be¬
scheiden leben, sparen. Aber man weist sie überall mit Schärfe zurück. Man
will sie nicht. Man will keine Lohndrücker, keine Leute, die den Ltkmäarcl ot
I^its herunterkommen lassen. Man fürchtet auch ihre Überzahl.

Es hat nicht an beschwichtigenden Darstellungen gefehlt. Präsident Roose-
velt machte in seiner Kongreßbotschaft vom Dezember 1906 den Versuch, den
ganzen Gegensatz durch einfache Ableugnung aus der Welt zu schaffen. Das
endete mit einem vollständigen Mißerfolg. Kalifornien erinnerte ihn daran, daß
er nicht das geringste Recht habe, darüber mitzusprechen, wie dieser Staat sein
Schulwesen einrichten wolle, und ob es seine Schulen farbigen Rassen zugänglich
mache oder nicht. Anregungen, die Bundesgewalt zu erweitern und auf die
Fremdenbehandlung auszudehnen, wurden überall mit Hohn zurückgewiesen. Die
Volksstimmung war leidenschaftlich gegen die Farbigen, namentlich im Westen.
Man kam mit Mühe zu einem inocius vivenZi. Japan entschloß sich, seine
Auswcmdrung zu überwachen und in Schranken zu halten, den gewöhnlichen
Kukis aber keine Erlaubnis dazu zu gewähren. Bald genug züngelte die Flamme
des Fremdenhasfes auch in Britisch-Kolumbien auf. Bezeichnend für die Stärke


Die neue Armada — gegen Japan

halbwegs zwischen San Franzisko und Jokohama und sodann eine fruchtbare
Inselwelt vor den Küsten Hinterindiens und Südchinas. Man bedenkt nicht
immer, daß auch noch Tutuila, die beste der Samoainseln, wenigstens die mit
den besten Häfen, und Guam, die beste der Marianen, hinzukommen. Das
sind Stationen, soviel die Amerikaner brauchen. Nach Eroberungen kann ihnen
der Sinn nicht stehn. Etwas ganz andres ist es aber, ob sich die große
Republik genötigt sehen kann, einen Angriff abzuwehren oder auch in politischer
Defensive zu einer strategischen Offensive überzugehn. Jedenfalls ist die An¬
nahme von den Manöverzwecken ein Märlein geblieben. Man spielte einige
Monate mit ihm, um nicht immer zugeben zu müssen, daß die Besorgnis vor
einem japanischen Angriff den Anlaß zu der Verlegung der Seemacht gegeben
habe. Aber in Wahrheit schickt kein Staat sozusagen seine ganze Flotte auf
eine Manöverfahrt, von der er sie innerhalb sechs Monaten nicht zurückberufen
kann, es sei denn, er habe die durchschlagendsten Gründe dafür.

Wir haben an dieser Stelle (Grenzboten 1907, Heft 1) den großen
Gegensatz geschildert, in den Japan zu den europäischen Bewohnern Amerikas
und Australiens geradezu treten muß. Japan kann als die Vorhut der
750 Millionen Seelen umfassenden Völker Süd- und Ostasiens angesehen
werden, die dort dicht gedrängt sitzen und deshalb der Armut ausgeliefert sind.
Denn soweit ihr Boden fruchtbar ist, ist er schon übermäßig besiedelt. Jetzt
haben sie, namentlich Japan, die weit günstigern Bedingungen kennen gelernt,
unter denen die Völker der kaukasischen Rasse leben. Sie wollen ihnen nach¬
eifern und sehen auch fruchtbare Länder genug vor sich, die noch dünn besiedelt
sind: ganz Westamerika, ganz Australien. Sie möchten gern Anteil daran
haben, keinen politischen, nein nur wirtschaftlichen, und indem sie sich den Herren¬
völkern kaukasischer Rasse willig unterwerfen. Sie wollen arbeiten, dienen, be¬
scheiden leben, sparen. Aber man weist sie überall mit Schärfe zurück. Man
will sie nicht. Man will keine Lohndrücker, keine Leute, die den Ltkmäarcl ot
I^its herunterkommen lassen. Man fürchtet auch ihre Überzahl.

Es hat nicht an beschwichtigenden Darstellungen gefehlt. Präsident Roose-
velt machte in seiner Kongreßbotschaft vom Dezember 1906 den Versuch, den
ganzen Gegensatz durch einfache Ableugnung aus der Welt zu schaffen. Das
endete mit einem vollständigen Mißerfolg. Kalifornien erinnerte ihn daran, daß
er nicht das geringste Recht habe, darüber mitzusprechen, wie dieser Staat sein
Schulwesen einrichten wolle, und ob es seine Schulen farbigen Rassen zugänglich
mache oder nicht. Anregungen, die Bundesgewalt zu erweitern und auf die
Fremdenbehandlung auszudehnen, wurden überall mit Hohn zurückgewiesen. Die
Volksstimmung war leidenschaftlich gegen die Farbigen, namentlich im Westen.
Man kam mit Mühe zu einem inocius vivenZi. Japan entschloß sich, seine
Auswcmdrung zu überwachen und in Schranken zu halten, den gewöhnlichen
Kukis aber keine Erlaubnis dazu zu gewähren. Bald genug züngelte die Flamme
des Fremdenhasfes auch in Britisch-Kolumbien auf. Bezeichnend für die Stärke


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[0262] Die neue Armada — gegen Japan halbwegs zwischen San Franzisko und Jokohama und sodann eine fruchtbare Inselwelt vor den Küsten Hinterindiens und Südchinas. Man bedenkt nicht immer, daß auch noch Tutuila, die beste der Samoainseln, wenigstens die mit den besten Häfen, und Guam, die beste der Marianen, hinzukommen. Das sind Stationen, soviel die Amerikaner brauchen. Nach Eroberungen kann ihnen der Sinn nicht stehn. Etwas ganz andres ist es aber, ob sich die große Republik genötigt sehen kann, einen Angriff abzuwehren oder auch in politischer Defensive zu einer strategischen Offensive überzugehn. Jedenfalls ist die An¬ nahme von den Manöverzwecken ein Märlein geblieben. Man spielte einige Monate mit ihm, um nicht immer zugeben zu müssen, daß die Besorgnis vor einem japanischen Angriff den Anlaß zu der Verlegung der Seemacht gegeben habe. Aber in Wahrheit schickt kein Staat sozusagen seine ganze Flotte auf eine Manöverfahrt, von der er sie innerhalb sechs Monaten nicht zurückberufen kann, es sei denn, er habe die durchschlagendsten Gründe dafür. Wir haben an dieser Stelle (Grenzboten 1907, Heft 1) den großen Gegensatz geschildert, in den Japan zu den europäischen Bewohnern Amerikas und Australiens geradezu treten muß. Japan kann als die Vorhut der 750 Millionen Seelen umfassenden Völker Süd- und Ostasiens angesehen werden, die dort dicht gedrängt sitzen und deshalb der Armut ausgeliefert sind. Denn soweit ihr Boden fruchtbar ist, ist er schon übermäßig besiedelt. Jetzt haben sie, namentlich Japan, die weit günstigern Bedingungen kennen gelernt, unter denen die Völker der kaukasischen Rasse leben. Sie wollen ihnen nach¬ eifern und sehen auch fruchtbare Länder genug vor sich, die noch dünn besiedelt sind: ganz Westamerika, ganz Australien. Sie möchten gern Anteil daran haben, keinen politischen, nein nur wirtschaftlichen, und indem sie sich den Herren¬ völkern kaukasischer Rasse willig unterwerfen. Sie wollen arbeiten, dienen, be¬ scheiden leben, sparen. Aber man weist sie überall mit Schärfe zurück. Man will sie nicht. Man will keine Lohndrücker, keine Leute, die den Ltkmäarcl ot I^its herunterkommen lassen. Man fürchtet auch ihre Überzahl. Es hat nicht an beschwichtigenden Darstellungen gefehlt. Präsident Roose- velt machte in seiner Kongreßbotschaft vom Dezember 1906 den Versuch, den ganzen Gegensatz durch einfache Ableugnung aus der Welt zu schaffen. Das endete mit einem vollständigen Mißerfolg. Kalifornien erinnerte ihn daran, daß er nicht das geringste Recht habe, darüber mitzusprechen, wie dieser Staat sein Schulwesen einrichten wolle, und ob es seine Schulen farbigen Rassen zugänglich mache oder nicht. Anregungen, die Bundesgewalt zu erweitern und auf die Fremdenbehandlung auszudehnen, wurden überall mit Hohn zurückgewiesen. Die Volksstimmung war leidenschaftlich gegen die Farbigen, namentlich im Westen. Man kam mit Mühe zu einem inocius vivenZi. Japan entschloß sich, seine Auswcmdrung zu überwachen und in Schranken zu halten, den gewöhnlichen Kukis aber keine Erlaubnis dazu zu gewähren. Bald genug züngelte die Flamme des Fremdenhasfes auch in Britisch-Kolumbien auf. Bezeichnend für die Stärke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/262>, abgerufen am 23.05.2024.