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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

auf den Mangel jeder "Großzügigkeit" in der sogenannten Reichsfinanzreform hin¬
gewiesen worden. Nun mag darin ein Kern Wahrheit liegen. Den vorhandnen
und neu sich regenden Widerständen setzte Herr von Stengel vielleicht allzu viel
Resignation entgegen, und von der tatsächlichen Überlegenheit seiner Kenntnisse und
Erfahrungen machte er, wo er nach außen hin und namentlich im Parlament zu
wirken hatte, einen zu bescheidnen Gebrauch. Aber nicht nur die Gerechtigkeit
gegen den scheidenden Staatssekretär, sondern auch die Notwendigkeit, ein richtiges
Urteil für die Zukunft zu gewinnen, gebietet uns. bei dieser Feststellung nicht stehn
zu bleiben. Mag die Amtsführung des Freiherrn von Stengel zum Teil aus
Gründen, die in der Persönlichkeit des Staatssekretärs lagen, hinter den Erwartungen
zurückgeblieben sein, so enthält doch die Kritik, die daran geübt wird, sehr wesent¬
liche sachliche Irrtümer und ungerechte Vorwürfe. Es ist nämlich sehr fraglich,
ob in diesem Amt überhaupt das geleistet werden kann, was von den Beurteilern
unsers Reichsfinanzwesens als Forderung hingestellt wird.

Obgleich jedem Politiker bekannt ist oder wenigstens bekannt sein sollte, daß
die Stellung des Reichsschatzsekretärs eine ganz andre ist als die eines einzelstaat¬
lichen Finanzministers, lassen doch viele Betrachtungen die Vorstellung durchblicken,
als sei der Staatssekretär des Reichsschatzamts wirklich schon das, was die liberalen
Parteien gern haben möchten, nämlich ein Reichsfinanzminister. Diese Vorstellung
ist allerdings erklärlich und entschuldbar, wenn man bedenkt, daß sich die feinen staats¬
rechtlichen Unterschiede in der Praxis leicht verwischen, und daß die Staatssekretäre
unsrer Reichsämter für den praktischen Verstand der meisten Reichsbürger in Wirklich¬
keit schon jetzt nichts anders bedeuten als Reichsmintster. Das hat für die meisten
Reichsämter auch eine gewisse Berechtigung, weil ihnen die Gesetzgebung ein ab¬
gegrenztes und umfangreiches Betätigungsfeld gibt. Ihre Arbeit berührt sich wohl
mit der einzelstaatlichen Verwaltung, aber sie greift nicht hinüber in ein Gebiet,
auf dem Reich und Einzelstaat unmittelbar in Konkurrenz treten. Das ist anders,
wo es sich um die Beschaffung der Geldmittel handelt. Es besteht keine scharfe
Scheidung zwischen den Einnahmequellen des Reichs und denen der Bundesstaaten.
Kein grundlegendes Gesetz weist dem einen oder dem andern Teil ein für allemal
das Gebiet zu, auf dem er sich zu bewegen hat. Wenn nun das Reich zur Er¬
füllung seiner Aufgaben neuer Mittel bedarf, so steht zwar theoretisch nichts dem
entgegen, daß nominell der Reichskanzler, tatsächlich sein Stellvertreter im Finanz¬
ressort, der Retchsschatzsekretär, in völliger Freiheit auf Mittel und Wege sinnt, den
Bedarf zu decken. Aber er bedarf dazu der Zustimmung nicht nur des Reichs¬
tags, sondern auch des Bundesrath. Wenn ein andrer Staatssekretär, zum Beispiel
des Reichspostamts, eine Angelegenheit vor dem Bundesrat zu vertreten hat, so
handelt es sich dabei um einen Verwaltungsbereich, an dem die Einzelstaaten wohl
interessiert sind, der aber außerhalb ihrer eignen Kompetenz liegt. Der Bundesrat ent¬
scheidet also über die Vorschläge, ähnlich wie im Parlament, als ein zwar interessierter,
aber unabhängiger, sachverständiger und unverantwortlicher Beurteiler. Ähnliches läßt
sich von andern Ressorts der Reichsverwaltung nachweisen, deren Arbeitsgebiet laut
Gesetz der Kompetenz des Reichs unterstellt ist. Der Schatzsekretär jedoch steht
dem Bundesrat anders gegenüber. Die Mittel, die er fordern muß, entzieht er den
Einzelstaaten, aber eben diese sind es, von denen er sie unmittelbar fordern muß.
Denn derselbe Bundesrat, der für die Fragen andrer Verwaltungszweige gleichsam
die Bedeutung einer Kammer hat, ist hier -- in Finanzfragen -- nichts andres
als die Vertretung der Einzelstaaten. Gewiß wird es dieser Vertretung nicht an
Einsicht fehlen, dem Reiche alles Notwendige zu geben, aber sie wird niemals der
Reichsinstanz die freie Initiative lassen, sondern immer darauf bedacht sein, selbst


Maßgebliches und Unmaßgebliches

auf den Mangel jeder „Großzügigkeit" in der sogenannten Reichsfinanzreform hin¬
gewiesen worden. Nun mag darin ein Kern Wahrheit liegen. Den vorhandnen
und neu sich regenden Widerständen setzte Herr von Stengel vielleicht allzu viel
Resignation entgegen, und von der tatsächlichen Überlegenheit seiner Kenntnisse und
Erfahrungen machte er, wo er nach außen hin und namentlich im Parlament zu
wirken hatte, einen zu bescheidnen Gebrauch. Aber nicht nur die Gerechtigkeit
gegen den scheidenden Staatssekretär, sondern auch die Notwendigkeit, ein richtiges
Urteil für die Zukunft zu gewinnen, gebietet uns. bei dieser Feststellung nicht stehn
zu bleiben. Mag die Amtsführung des Freiherrn von Stengel zum Teil aus
Gründen, die in der Persönlichkeit des Staatssekretärs lagen, hinter den Erwartungen
zurückgeblieben sein, so enthält doch die Kritik, die daran geübt wird, sehr wesent¬
liche sachliche Irrtümer und ungerechte Vorwürfe. Es ist nämlich sehr fraglich,
ob in diesem Amt überhaupt das geleistet werden kann, was von den Beurteilern
unsers Reichsfinanzwesens als Forderung hingestellt wird.

Obgleich jedem Politiker bekannt ist oder wenigstens bekannt sein sollte, daß
die Stellung des Reichsschatzsekretärs eine ganz andre ist als die eines einzelstaat¬
lichen Finanzministers, lassen doch viele Betrachtungen die Vorstellung durchblicken,
als sei der Staatssekretär des Reichsschatzamts wirklich schon das, was die liberalen
Parteien gern haben möchten, nämlich ein Reichsfinanzminister. Diese Vorstellung
ist allerdings erklärlich und entschuldbar, wenn man bedenkt, daß sich die feinen staats¬
rechtlichen Unterschiede in der Praxis leicht verwischen, und daß die Staatssekretäre
unsrer Reichsämter für den praktischen Verstand der meisten Reichsbürger in Wirklich¬
keit schon jetzt nichts anders bedeuten als Reichsmintster. Das hat für die meisten
Reichsämter auch eine gewisse Berechtigung, weil ihnen die Gesetzgebung ein ab¬
gegrenztes und umfangreiches Betätigungsfeld gibt. Ihre Arbeit berührt sich wohl
mit der einzelstaatlichen Verwaltung, aber sie greift nicht hinüber in ein Gebiet,
auf dem Reich und Einzelstaat unmittelbar in Konkurrenz treten. Das ist anders,
wo es sich um die Beschaffung der Geldmittel handelt. Es besteht keine scharfe
Scheidung zwischen den Einnahmequellen des Reichs und denen der Bundesstaaten.
Kein grundlegendes Gesetz weist dem einen oder dem andern Teil ein für allemal
das Gebiet zu, auf dem er sich zu bewegen hat. Wenn nun das Reich zur Er¬
füllung seiner Aufgaben neuer Mittel bedarf, so steht zwar theoretisch nichts dem
entgegen, daß nominell der Reichskanzler, tatsächlich sein Stellvertreter im Finanz¬
ressort, der Retchsschatzsekretär, in völliger Freiheit auf Mittel und Wege sinnt, den
Bedarf zu decken. Aber er bedarf dazu der Zustimmung nicht nur des Reichs¬
tags, sondern auch des Bundesrath. Wenn ein andrer Staatssekretär, zum Beispiel
des Reichspostamts, eine Angelegenheit vor dem Bundesrat zu vertreten hat, so
handelt es sich dabei um einen Verwaltungsbereich, an dem die Einzelstaaten wohl
interessiert sind, der aber außerhalb ihrer eignen Kompetenz liegt. Der Bundesrat ent¬
scheidet also über die Vorschläge, ähnlich wie im Parlament, als ein zwar interessierter,
aber unabhängiger, sachverständiger und unverantwortlicher Beurteiler. Ähnliches läßt
sich von andern Ressorts der Reichsverwaltung nachweisen, deren Arbeitsgebiet laut
Gesetz der Kompetenz des Reichs unterstellt ist. Der Schatzsekretär jedoch steht
dem Bundesrat anders gegenüber. Die Mittel, die er fordern muß, entzieht er den
Einzelstaaten, aber eben diese sind es, von denen er sie unmittelbar fordern muß.
Denn derselbe Bundesrat, der für die Fragen andrer Verwaltungszweige gleichsam
die Bedeutung einer Kammer hat, ist hier — in Finanzfragen — nichts andres
als die Vertretung der Einzelstaaten. Gewiß wird es dieser Vertretung nicht an
Einsicht fehlen, dem Reiche alles Notwendige zu geben, aber sie wird niemals der
Reichsinstanz die freie Initiative lassen, sondern immer darauf bedacht sein, selbst


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[0352] Maßgebliches und Unmaßgebliches auf den Mangel jeder „Großzügigkeit" in der sogenannten Reichsfinanzreform hin¬ gewiesen worden. Nun mag darin ein Kern Wahrheit liegen. Den vorhandnen und neu sich regenden Widerständen setzte Herr von Stengel vielleicht allzu viel Resignation entgegen, und von der tatsächlichen Überlegenheit seiner Kenntnisse und Erfahrungen machte er, wo er nach außen hin und namentlich im Parlament zu wirken hatte, einen zu bescheidnen Gebrauch. Aber nicht nur die Gerechtigkeit gegen den scheidenden Staatssekretär, sondern auch die Notwendigkeit, ein richtiges Urteil für die Zukunft zu gewinnen, gebietet uns. bei dieser Feststellung nicht stehn zu bleiben. Mag die Amtsführung des Freiherrn von Stengel zum Teil aus Gründen, die in der Persönlichkeit des Staatssekretärs lagen, hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein, so enthält doch die Kritik, die daran geübt wird, sehr wesent¬ liche sachliche Irrtümer und ungerechte Vorwürfe. Es ist nämlich sehr fraglich, ob in diesem Amt überhaupt das geleistet werden kann, was von den Beurteilern unsers Reichsfinanzwesens als Forderung hingestellt wird. Obgleich jedem Politiker bekannt ist oder wenigstens bekannt sein sollte, daß die Stellung des Reichsschatzsekretärs eine ganz andre ist als die eines einzelstaat¬ lichen Finanzministers, lassen doch viele Betrachtungen die Vorstellung durchblicken, als sei der Staatssekretär des Reichsschatzamts wirklich schon das, was die liberalen Parteien gern haben möchten, nämlich ein Reichsfinanzminister. Diese Vorstellung ist allerdings erklärlich und entschuldbar, wenn man bedenkt, daß sich die feinen staats¬ rechtlichen Unterschiede in der Praxis leicht verwischen, und daß die Staatssekretäre unsrer Reichsämter für den praktischen Verstand der meisten Reichsbürger in Wirklich¬ keit schon jetzt nichts anders bedeuten als Reichsmintster. Das hat für die meisten Reichsämter auch eine gewisse Berechtigung, weil ihnen die Gesetzgebung ein ab¬ gegrenztes und umfangreiches Betätigungsfeld gibt. Ihre Arbeit berührt sich wohl mit der einzelstaatlichen Verwaltung, aber sie greift nicht hinüber in ein Gebiet, auf dem Reich und Einzelstaat unmittelbar in Konkurrenz treten. Das ist anders, wo es sich um die Beschaffung der Geldmittel handelt. Es besteht keine scharfe Scheidung zwischen den Einnahmequellen des Reichs und denen der Bundesstaaten. Kein grundlegendes Gesetz weist dem einen oder dem andern Teil ein für allemal das Gebiet zu, auf dem er sich zu bewegen hat. Wenn nun das Reich zur Er¬ füllung seiner Aufgaben neuer Mittel bedarf, so steht zwar theoretisch nichts dem entgegen, daß nominell der Reichskanzler, tatsächlich sein Stellvertreter im Finanz¬ ressort, der Retchsschatzsekretär, in völliger Freiheit auf Mittel und Wege sinnt, den Bedarf zu decken. Aber er bedarf dazu der Zustimmung nicht nur des Reichs¬ tags, sondern auch des Bundesrath. Wenn ein andrer Staatssekretär, zum Beispiel des Reichspostamts, eine Angelegenheit vor dem Bundesrat zu vertreten hat, so handelt es sich dabei um einen Verwaltungsbereich, an dem die Einzelstaaten wohl interessiert sind, der aber außerhalb ihrer eignen Kompetenz liegt. Der Bundesrat ent¬ scheidet also über die Vorschläge, ähnlich wie im Parlament, als ein zwar interessierter, aber unabhängiger, sachverständiger und unverantwortlicher Beurteiler. Ähnliches läßt sich von andern Ressorts der Reichsverwaltung nachweisen, deren Arbeitsgebiet laut Gesetz der Kompetenz des Reichs unterstellt ist. Der Schatzsekretär jedoch steht dem Bundesrat anders gegenüber. Die Mittel, die er fordern muß, entzieht er den Einzelstaaten, aber eben diese sind es, von denen er sie unmittelbar fordern muß. Denn derselbe Bundesrat, der für die Fragen andrer Verwaltungszweige gleichsam die Bedeutung einer Kammer hat, ist hier — in Finanzfragen — nichts andres als die Vertretung der Einzelstaaten. Gewiß wird es dieser Vertretung nicht an Einsicht fehlen, dem Reiche alles Notwendige zu geben, aber sie wird niemals der Reichsinstanz die freie Initiative lassen, sondern immer darauf bedacht sein, selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/352>, abgerufen am 23.05.2024.