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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

für die Rechte die Ehrenpflicht, nun auch ihre schroff ablehnende Haltung beim
Börsengesetz aufzugeben. Geeignete Vorschlage für ein Kompromiß zu machen, fiel
den Nationalliberalen zu, die in dieser Frage besonders berufen waren, eine Mittel¬
stellung einzunehmen. Auf der Grundlage dieses Kompromisses kam am 7. April
das Börsengesetz in zweiter Lesung zustande.

Auch in Börsenkreisen wird zugegeben, daß das Gesetz der Effektenbörse wesent¬
liche Vorteile und Erleichterungen bringt. Man hätte gern mehr gehabt, aber es
geht schließlich auch mit dem Erreichten, das immerhin eine wirkliche Verbesserung
bedeutet. Unzufrieden dagegen ist die Produktenbörse, die sich durch das aufrecht-
erhaltne Verbot des Terminhandels in Getreide eingeengt und geschädigt fühlt. Aber
zuletzt hat doch auch die Linke dem Kompromiß zugestimmt, sodaß die Vorlage nach
verhältnismäßig kurzer Debatte mit einer großen Mehrheit angenommen wurde.
Am 8. April folgten dann die dritten Lesungen der beiden Gesetze. Noch ein leiden¬
schaftlicher Kampf, dann hatte der Block den Sieg errungen.

Zwei große Erfolge hat also die Blockpolitik auszuweisen, und Fürst Bülow
hat gegenüber den zahlreichen Unglückspropheten und Spöttern Recht behalten. Zwar
sind die Zweifler noch nicht ganz bekehrt. Sie bemühen sich, die Bedeutung der
Erfolge mit dem Vereins- und Börsengesetz nach Möglichkeit zu verkleinern, und
behaupten plötzlich, die Sache sei doch eigentlich gar kein Kunststück gewesen und
bedeute einen viel zu geringen Fortschritt, als daß man sich darüber freuen oder
Hoffnungen darauf setzen könne. Die eigentliche Probe auf die Festigkeit des Blocks
stehe noch bevor, wenn die Aufgabe der Reichsfinanzreform zu lösen sei. Diese
letzte Behauptung kann man als richtig anerkennen, im übrigen aber darf man diesen
Kritikern entgegenhalten, daß sie selbst ihre Ansichten sehr stark geändert haben.
Sie haben dieselben Forderungen, die sie jetzt nach ihrer Erlangung so verächtlich
ansehen, einst sehr hoch geschätzt und ihnen in der Rangordnung der liberalen
Wünsche einen bevorzugten Platz eingeräumt. Darum ist die Bekrittelung der Block¬
erfolge recht bedeutungslos und kann nur dazu dienen, eine Opposition zu kenn¬
zeichnen, die einen Stich ins Hysterische hat. Überdies kann der Umfang politischer
Erfolge nicht an dem gemessen werden, was von einzelnen Politikern gefordert wird,
sondern nur daran, wie weit es dem leitenden Staatsmann glückt, ein von ihm
aufgestelltes Programm trotz allen Widerständen durchzuführen. Ob man das
Programm des Fürsten Bülow, womit er in die Blockpolitik eintrat, für richtig
oder falsch hält, ist eine Frage für sich. Tatsache ist, daß viele Politiker -- man
darf wohl sagen: die Mehrheit der Politiker -- die Durchführung dieses Programms
mit einer aus Konservativen und Liberalen gemischten Mehrheit für praktisch un¬
möglich hielten. Viele bemerkten dabei auch ziemlich höhnisch, die Vorschläge des
Reichskanzlers seien ja ganz vortrefflich, aber er werde sein Wort nicht einlösen
können. Wenn nnn auch dieselben Leute heute meinen, die früher von ihnen als
vortrefflich bezeichneten Dinge seien gar nichts wert, so ändert das doch nichts
daran, daß ihre damalige Diagnose falsch war. Denn Fürst Bülow hat zwei der
schwierigsten Punkte seines Blockprogramms wirklich durchgeführt, obgleich die er¬
fahrensten Politiker noch vor gar nicht langer Zeit darauf hätten wetten mögen,
daß er sie nicht durchführen werde. Die Politik des Reichskanzlers darf also ans
der Kreditseite ihres Kontos einen ziemlich hohen Betrag hundelt, gleichviel ob die
Bilanz andern Leuten in ihr Geschäft paßt oder nicht.

Ebenso wichtig wie der praktische Erfolg der Blockpolitik ist die bedeutsame
Erscheinung, die diesen Erfolg bewirkt hat, nämlich die innere Wandlung, die in
den Kreisen des sogenannten entschiednen Liberalismus hervorgetreten ist. Wir haben
uns hier schon mehrfach mit der Haltung des Abgeordneten von Payer befaßt, die
ein Beispiel dafür ist, wie allmählich auch die bürgerliche Demokratie aus dem
Reich der doktrinären Phrase auf den Boden der Realpolitik tritt. Endlich wird


Maßgebliches und Unmaßgebliches

für die Rechte die Ehrenpflicht, nun auch ihre schroff ablehnende Haltung beim
Börsengesetz aufzugeben. Geeignete Vorschlage für ein Kompromiß zu machen, fiel
den Nationalliberalen zu, die in dieser Frage besonders berufen waren, eine Mittel¬
stellung einzunehmen. Auf der Grundlage dieses Kompromisses kam am 7. April
das Börsengesetz in zweiter Lesung zustande.

Auch in Börsenkreisen wird zugegeben, daß das Gesetz der Effektenbörse wesent¬
liche Vorteile und Erleichterungen bringt. Man hätte gern mehr gehabt, aber es
geht schließlich auch mit dem Erreichten, das immerhin eine wirkliche Verbesserung
bedeutet. Unzufrieden dagegen ist die Produktenbörse, die sich durch das aufrecht-
erhaltne Verbot des Terminhandels in Getreide eingeengt und geschädigt fühlt. Aber
zuletzt hat doch auch die Linke dem Kompromiß zugestimmt, sodaß die Vorlage nach
verhältnismäßig kurzer Debatte mit einer großen Mehrheit angenommen wurde.
Am 8. April folgten dann die dritten Lesungen der beiden Gesetze. Noch ein leiden¬
schaftlicher Kampf, dann hatte der Block den Sieg errungen.

Zwei große Erfolge hat also die Blockpolitik auszuweisen, und Fürst Bülow
hat gegenüber den zahlreichen Unglückspropheten und Spöttern Recht behalten. Zwar
sind die Zweifler noch nicht ganz bekehrt. Sie bemühen sich, die Bedeutung der
Erfolge mit dem Vereins- und Börsengesetz nach Möglichkeit zu verkleinern, und
behaupten plötzlich, die Sache sei doch eigentlich gar kein Kunststück gewesen und
bedeute einen viel zu geringen Fortschritt, als daß man sich darüber freuen oder
Hoffnungen darauf setzen könne. Die eigentliche Probe auf die Festigkeit des Blocks
stehe noch bevor, wenn die Aufgabe der Reichsfinanzreform zu lösen sei. Diese
letzte Behauptung kann man als richtig anerkennen, im übrigen aber darf man diesen
Kritikern entgegenhalten, daß sie selbst ihre Ansichten sehr stark geändert haben.
Sie haben dieselben Forderungen, die sie jetzt nach ihrer Erlangung so verächtlich
ansehen, einst sehr hoch geschätzt und ihnen in der Rangordnung der liberalen
Wünsche einen bevorzugten Platz eingeräumt. Darum ist die Bekrittelung der Block¬
erfolge recht bedeutungslos und kann nur dazu dienen, eine Opposition zu kenn¬
zeichnen, die einen Stich ins Hysterische hat. Überdies kann der Umfang politischer
Erfolge nicht an dem gemessen werden, was von einzelnen Politikern gefordert wird,
sondern nur daran, wie weit es dem leitenden Staatsmann glückt, ein von ihm
aufgestelltes Programm trotz allen Widerständen durchzuführen. Ob man das
Programm des Fürsten Bülow, womit er in die Blockpolitik eintrat, für richtig
oder falsch hält, ist eine Frage für sich. Tatsache ist, daß viele Politiker — man
darf wohl sagen: die Mehrheit der Politiker — die Durchführung dieses Programms
mit einer aus Konservativen und Liberalen gemischten Mehrheit für praktisch un¬
möglich hielten. Viele bemerkten dabei auch ziemlich höhnisch, die Vorschläge des
Reichskanzlers seien ja ganz vortrefflich, aber er werde sein Wort nicht einlösen
können. Wenn nnn auch dieselben Leute heute meinen, die früher von ihnen als
vortrefflich bezeichneten Dinge seien gar nichts wert, so ändert das doch nichts
daran, daß ihre damalige Diagnose falsch war. Denn Fürst Bülow hat zwei der
schwierigsten Punkte seines Blockprogramms wirklich durchgeführt, obgleich die er¬
fahrensten Politiker noch vor gar nicht langer Zeit darauf hätten wetten mögen,
daß er sie nicht durchführen werde. Die Politik des Reichskanzlers darf also ans
der Kreditseite ihres Kontos einen ziemlich hohen Betrag hundelt, gleichviel ob die
Bilanz andern Leuten in ihr Geschäft paßt oder nicht.

Ebenso wichtig wie der praktische Erfolg der Blockpolitik ist die bedeutsame
Erscheinung, die diesen Erfolg bewirkt hat, nämlich die innere Wandlung, die in
den Kreisen des sogenannten entschiednen Liberalismus hervorgetreten ist. Wir haben
uns hier schon mehrfach mit der Haltung des Abgeordneten von Payer befaßt, die
ein Beispiel dafür ist, wie allmählich auch die bürgerliche Demokratie aus dem
Reich der doktrinären Phrase auf den Boden der Realpolitik tritt. Endlich wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/160>, abgerufen am 05.06.2024.