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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Htadterweiterung

'MO^!o hätte Dr. Karl von Mangoldt sein auf langjährigen Studien
und gründlichen Informationen beruhendes (im 10. Heft der
Grenzboten kurz angezeigtes) Werk nennen müssen, das er als
Heft 8 (ein "Heft" von 745 Seiten!) der Sammlung: Die
! Wohnungsfrage und das Reich (bei Vandenhoeck und Ruprecht
in Göttingen) in den letzten Wochen des vorigen Jahres herausgegeben hat.
Der von ihm gewählte Titel: Die städtische Bodenfrage erweckt die glück¬
licherweise falsche Vorstellung, es solle der alte Zank zwischen den Bvdenbesitz-
reformern und ihren Gegnern noch einmal wiedergekäut werden. Nur der erste
kurze Abschnitt beschäftigt sich -- zwar nicht mit den Theorien der Boden¬
besitzreformer, aber doch -- mit der Entwicklung des städtischen Bodenwerts,
der natürlich bei der Stadterweiterung eine wichtige Rolle spielt. Die drei viel
längern Hauptabschnitte enthalten die ausführliche Beschreibung des bisherigen
Ganges der Stadterweiterung, den Nachweis, daß die bis jetzt herrschende
Praxis an den vielbeklagtcn Mißständen des großstädtischen Wohnungswesens
schuld sei, und ein sehr ausführliches Reformprogramm. Dieses beruht auf
dem Grundsätze, daß die Stadterweiterung nicht mehr der Privatinitiative über¬
lassen bleiben dürfe, sondern Sache des öffentlichen Rechts werden müsse, und
daß Stadtgemeinden und Gemeindeverbände mit Hilfe eines wirksamen Ent¬
eignungsrechts und amtlicher Taxen für mäßige Bodenpreise zu sorgen hätten;
freilich nicht bloß dafür, sondern für alles, was zur Hygiene, Sittlichkeit und
höhern Kultur gehört, soweit diese Güter von der Behausung und von der
Stadtanlage abhängen, wobei u. a. die sehr verwickelten Prozesse der Zentrali¬
sierung und Dezentralisierung gründlich und von den verschiedensten Seiten her
erörtert werden. Diesen Reformplan mögen die Zustündigen, d. h. die Gemeinde¬
räte und die Bürgermeister prüfen. Zu der Behauptung, die im dritten Ab¬
schnitt bewiesen werden soll, mache ich ein großes Fragezeichen, ohne damit
diesen Abschnitt für wertlos zu erklären; sein unzweifelhafter Wert liegt, gleich
dem der übrigen Abschnitte, in der darin aufgehäuften Fülle von Tatsachen¬
material; so enthält jener dritte Abschnitt neben viel anderen Wichtigen und
Interessanten eine ungemein sorgfältige Nachweisung der "Produktionskosten
der Baustelle". Aber von irgendwelcher Verschuldung möchte ich in Beziehung
auf die Übelstände im großstädtischen Wohnungswesen überhaupt nicht sprechen.
Solche scheinen mir unvermeidlich, wenn sich Hunderttausende, wenn sich ein
paar Millionen Menschen auf einer Fläche von einer Quadratmeile zusammen-




Die Htadterweiterung

'MO^!o hätte Dr. Karl von Mangoldt sein auf langjährigen Studien
und gründlichen Informationen beruhendes (im 10. Heft der
Grenzboten kurz angezeigtes) Werk nennen müssen, das er als
Heft 8 (ein „Heft" von 745 Seiten!) der Sammlung: Die
! Wohnungsfrage und das Reich (bei Vandenhoeck und Ruprecht
in Göttingen) in den letzten Wochen des vorigen Jahres herausgegeben hat.
Der von ihm gewählte Titel: Die städtische Bodenfrage erweckt die glück¬
licherweise falsche Vorstellung, es solle der alte Zank zwischen den Bvdenbesitz-
reformern und ihren Gegnern noch einmal wiedergekäut werden. Nur der erste
kurze Abschnitt beschäftigt sich — zwar nicht mit den Theorien der Boden¬
besitzreformer, aber doch — mit der Entwicklung des städtischen Bodenwerts,
der natürlich bei der Stadterweiterung eine wichtige Rolle spielt. Die drei viel
längern Hauptabschnitte enthalten die ausführliche Beschreibung des bisherigen
Ganges der Stadterweiterung, den Nachweis, daß die bis jetzt herrschende
Praxis an den vielbeklagtcn Mißständen des großstädtischen Wohnungswesens
schuld sei, und ein sehr ausführliches Reformprogramm. Dieses beruht auf
dem Grundsätze, daß die Stadterweiterung nicht mehr der Privatinitiative über¬
lassen bleiben dürfe, sondern Sache des öffentlichen Rechts werden müsse, und
daß Stadtgemeinden und Gemeindeverbände mit Hilfe eines wirksamen Ent¬
eignungsrechts und amtlicher Taxen für mäßige Bodenpreise zu sorgen hätten;
freilich nicht bloß dafür, sondern für alles, was zur Hygiene, Sittlichkeit und
höhern Kultur gehört, soweit diese Güter von der Behausung und von der
Stadtanlage abhängen, wobei u. a. die sehr verwickelten Prozesse der Zentrali¬
sierung und Dezentralisierung gründlich und von den verschiedensten Seiten her
erörtert werden. Diesen Reformplan mögen die Zustündigen, d. h. die Gemeinde¬
räte und die Bürgermeister prüfen. Zu der Behauptung, die im dritten Ab¬
schnitt bewiesen werden soll, mache ich ein großes Fragezeichen, ohne damit
diesen Abschnitt für wertlos zu erklären; sein unzweifelhafter Wert liegt, gleich
dem der übrigen Abschnitte, in der darin aufgehäuften Fülle von Tatsachen¬
material; so enthält jener dritte Abschnitt neben viel anderen Wichtigen und
Interessanten eine ungemein sorgfältige Nachweisung der „Produktionskosten
der Baustelle". Aber von irgendwelcher Verschuldung möchte ich in Beziehung
auf die Übelstände im großstädtischen Wohnungswesen überhaupt nicht sprechen.
Solche scheinen mir unvermeidlich, wenn sich Hunderttausende, wenn sich ein
paar Millionen Menschen auf einer Fläche von einer Quadratmeile zusammen-


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[0188] [Abbildung] Die Htadterweiterung 'MO^!o hätte Dr. Karl von Mangoldt sein auf langjährigen Studien und gründlichen Informationen beruhendes (im 10. Heft der Grenzboten kurz angezeigtes) Werk nennen müssen, das er als Heft 8 (ein „Heft" von 745 Seiten!) der Sammlung: Die ! Wohnungsfrage und das Reich (bei Vandenhoeck und Ruprecht in Göttingen) in den letzten Wochen des vorigen Jahres herausgegeben hat. Der von ihm gewählte Titel: Die städtische Bodenfrage erweckt die glück¬ licherweise falsche Vorstellung, es solle der alte Zank zwischen den Bvdenbesitz- reformern und ihren Gegnern noch einmal wiedergekäut werden. Nur der erste kurze Abschnitt beschäftigt sich — zwar nicht mit den Theorien der Boden¬ besitzreformer, aber doch — mit der Entwicklung des städtischen Bodenwerts, der natürlich bei der Stadterweiterung eine wichtige Rolle spielt. Die drei viel längern Hauptabschnitte enthalten die ausführliche Beschreibung des bisherigen Ganges der Stadterweiterung, den Nachweis, daß die bis jetzt herrschende Praxis an den vielbeklagtcn Mißständen des großstädtischen Wohnungswesens schuld sei, und ein sehr ausführliches Reformprogramm. Dieses beruht auf dem Grundsätze, daß die Stadterweiterung nicht mehr der Privatinitiative über¬ lassen bleiben dürfe, sondern Sache des öffentlichen Rechts werden müsse, und daß Stadtgemeinden und Gemeindeverbände mit Hilfe eines wirksamen Ent¬ eignungsrechts und amtlicher Taxen für mäßige Bodenpreise zu sorgen hätten; freilich nicht bloß dafür, sondern für alles, was zur Hygiene, Sittlichkeit und höhern Kultur gehört, soweit diese Güter von der Behausung und von der Stadtanlage abhängen, wobei u. a. die sehr verwickelten Prozesse der Zentrali¬ sierung und Dezentralisierung gründlich und von den verschiedensten Seiten her erörtert werden. Diesen Reformplan mögen die Zustündigen, d. h. die Gemeinde¬ räte und die Bürgermeister prüfen. Zu der Behauptung, die im dritten Ab¬ schnitt bewiesen werden soll, mache ich ein großes Fragezeichen, ohne damit diesen Abschnitt für wertlos zu erklären; sein unzweifelhafter Wert liegt, gleich dem der übrigen Abschnitte, in der darin aufgehäuften Fülle von Tatsachen¬ material; so enthält jener dritte Abschnitt neben viel anderen Wichtigen und Interessanten eine ungemein sorgfältige Nachweisung der „Produktionskosten der Baustelle". Aber von irgendwelcher Verschuldung möchte ich in Beziehung auf die Übelstände im großstädtischen Wohnungswesen überhaupt nicht sprechen. Solche scheinen mir unvermeidlich, wenn sich Hunderttausende, wenn sich ein paar Millionen Menschen auf einer Fläche von einer Quadratmeile zusammen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/188>, abgerufen am 01.11.2024.