Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben

Eine andre befremdliche Beobachtung machte der Herr Professor, der sich um
das seelische Leben von Klein-Erna kümmerte, wie die Frau Professor um das
leibliche. Wenn das Kind sich selber überlassen war, so spielte es mit zwei Klammern,
die sie Kopf auf Kopf stellte, "Hoppla Cousin". Oder es benutzte den Stiefelknecht
als Pferd und stellte seine Puppe darauf. Oder es stellte sich selbst auf die Lehne
des Sofas und machte "Hoch das Bein". Wie das zusammenhing, und woher das
kam, erkannte der Herr Professor sofort. Daas muuß der--elernt werden, sagte
er, und damit wurde aus dem Wortschatze des Hauses alles gestrichen, was an
Jahrmarkt, Zirkus, Kunststück und desgleichen erinnerte. Auch Pferd und Trompete.
Jede kühne Bewegung wurde als unanständig bezeichnet und mit strengen Worten
geahndet, auch die Puppe durfte nicht ent--eblößt werden. Dagegen wurde die
Liebe zur Heimat, zu Vater und Mutter methodisch eingepflanzt, was der Herr
Professor mit aller wissenschaftlichen Gründlichkeit durchführte.

Nämlich so: Erstens Vorbereitung. Maas hat das Kind? Das Kind hat sein
Süppchen und sein Kleidchen -- und. sagte Klein-Erna, sein Buzebettchen -- "und
sein Buze--e betenden, wiederholte der Pädagog -- und Wau-Wau, sagte Erna -- uund
Wau--ewau, wiederholte der Pädagog. Maas hat das Kind? Sage, was das
Kind hat? Sein Süppchen, sein Kleidchen, sein Buzebettchen, seinen Wau-Wau.

Und Klammerpuppen, sagte Klein-Erna. -

Neiein, rief der Professor, das gute Kind hat keine Klammer--e puppen.

O ja, Klammerpuppen. Bitte, bitte Klammerpuppen.

Aber Klammerpuppen gehörten ja zu den verbotnen Dingen, sie durften also
auch nicht für die Analyse bewilligt werden, und es ging nicht ohne Tränen ab,
ehe diese verbotne Klammerpuppe ans der Vorstellungsgruppe entfernt war. Nunmehr
ergab die Frage: Maas hat das gute Kind? eine hemmungs--elos ab--erollende
Vor--estellungsreihe. Hierauf folgte (Stufe zwei) die Darbietung in Form einer Ge¬
schichte eines kleinen Mädchens, das alles hatte. Buzebettchen, Wauwau, Süppchen
und Kleidchen, und das seine Heimat furchtbar liebte. Der Sinn dieser Geschichte
wurde vertieft. -- wie sollst du Vater und e-- Mutter haben? lieb sollst du sie
e-- haben, -- er wurde verglichen, zusammengefaßt und angewandt, und dann sang
man, der Herr Professor mit der Stimme eines Zahnbrechers und Klein-Erna zitternd
und bebend: In der Heimat ist es schön, auf der Berge lichten Höhn.

Es dauerte ziemlich lange, bis alle fünf formalen Stufen ordnungsmäßig
durchgearbeitet waren. Man kann nicht sagen, daß Klein-Erna besondre Freudigkeit
an die Sache heranbrachte; sie war unglücklich, wenn der Vater die Treppe herab¬
rief: Erna, e-- komm, und die Mutter mußte freundlich zureden und manch Stück
Schokolade spenden. Allen Beteiligten machte die Pädagogische Arbeit Mühe genug,
aber man konnte doch sagen, daß nach Beendigung des fraglichen Abschnitts ein
wesentlicher Teil des Vorstellungsinhalts geordnet, das Interesse vielseitig erweckt
und angeknüpft und der fernere psychologische Aufbau gesichert war.

Glücklicherweise haben Väter mehr guten Willen als Ausdauer. Auch Professor
Spitzbart gehörte zu diesen Vätern. Er fuhr fort, Klein-Erna pädagogisch zu bearbeiten,
er errichtete einen wahren Wunderbau von Konzentrations-, Gesinnungs- und andern
Stoffen, von Beziehungen und Verknüpfungen, und er konnte sich über Erna nicht
beklagen; sie schluckte alles, was ihr vorgesetzt wurde. Dennoch ließ sein Interesse
nach, besonders seitdem er in eine andre Stadt und an eine andre Schule versetzt
war. Er überließ also die Fortsetzung des Erziehungsgeschäfts der höhern Töchter¬
schule -- und der Zeit. Denn die Zeit ist die eigentliche Meisterin der Erziehung.
Klein-Erna gewöhnte sich ein, Klein-Erna vergaß, was sie vergessen sollte, sie vergaß,
daß sie früher einen andern Vater und eine andre Mutter gehabt hatte, sie lernte


Skizzen aus unserm heutigen Volksleben

Eine andre befremdliche Beobachtung machte der Herr Professor, der sich um
das seelische Leben von Klein-Erna kümmerte, wie die Frau Professor um das
leibliche. Wenn das Kind sich selber überlassen war, so spielte es mit zwei Klammern,
die sie Kopf auf Kopf stellte, „Hoppla Cousin". Oder es benutzte den Stiefelknecht
als Pferd und stellte seine Puppe darauf. Oder es stellte sich selbst auf die Lehne
des Sofas und machte „Hoch das Bein". Wie das zusammenhing, und woher das
kam, erkannte der Herr Professor sofort. Daas muuß der—elernt werden, sagte
er, und damit wurde aus dem Wortschatze des Hauses alles gestrichen, was an
Jahrmarkt, Zirkus, Kunststück und desgleichen erinnerte. Auch Pferd und Trompete.
Jede kühne Bewegung wurde als unanständig bezeichnet und mit strengen Worten
geahndet, auch die Puppe durfte nicht ent—eblößt werden. Dagegen wurde die
Liebe zur Heimat, zu Vater und Mutter methodisch eingepflanzt, was der Herr
Professor mit aller wissenschaftlichen Gründlichkeit durchführte.

Nämlich so: Erstens Vorbereitung. Maas hat das Kind? Das Kind hat sein
Süppchen und sein Kleidchen — und. sagte Klein-Erna, sein Buzebettchen — »und
sein Buze—e betenden, wiederholte der Pädagog — und Wau-Wau, sagte Erna — uund
Wau—ewau, wiederholte der Pädagog. Maas hat das Kind? Sage, was das
Kind hat? Sein Süppchen, sein Kleidchen, sein Buzebettchen, seinen Wau-Wau.

Und Klammerpuppen, sagte Klein-Erna. -

Neiein, rief der Professor, das gute Kind hat keine Klammer—e puppen.

O ja, Klammerpuppen. Bitte, bitte Klammerpuppen.

Aber Klammerpuppen gehörten ja zu den verbotnen Dingen, sie durften also
auch nicht für die Analyse bewilligt werden, und es ging nicht ohne Tränen ab,
ehe diese verbotne Klammerpuppe ans der Vorstellungsgruppe entfernt war. Nunmehr
ergab die Frage: Maas hat das gute Kind? eine hemmungs—elos ab—erollende
Vor—estellungsreihe. Hierauf folgte (Stufe zwei) die Darbietung in Form einer Ge¬
schichte eines kleinen Mädchens, das alles hatte. Buzebettchen, Wauwau, Süppchen
und Kleidchen, und das seine Heimat furchtbar liebte. Der Sinn dieser Geschichte
wurde vertieft. — wie sollst du Vater und e— Mutter haben? lieb sollst du sie
e— haben, — er wurde verglichen, zusammengefaßt und angewandt, und dann sang
man, der Herr Professor mit der Stimme eines Zahnbrechers und Klein-Erna zitternd
und bebend: In der Heimat ist es schön, auf der Berge lichten Höhn.

Es dauerte ziemlich lange, bis alle fünf formalen Stufen ordnungsmäßig
durchgearbeitet waren. Man kann nicht sagen, daß Klein-Erna besondre Freudigkeit
an die Sache heranbrachte; sie war unglücklich, wenn der Vater die Treppe herab¬
rief: Erna, e— komm, und die Mutter mußte freundlich zureden und manch Stück
Schokolade spenden. Allen Beteiligten machte die Pädagogische Arbeit Mühe genug,
aber man konnte doch sagen, daß nach Beendigung des fraglichen Abschnitts ein
wesentlicher Teil des Vorstellungsinhalts geordnet, das Interesse vielseitig erweckt
und angeknüpft und der fernere psychologische Aufbau gesichert war.

Glücklicherweise haben Väter mehr guten Willen als Ausdauer. Auch Professor
Spitzbart gehörte zu diesen Vätern. Er fuhr fort, Klein-Erna pädagogisch zu bearbeiten,
er errichtete einen wahren Wunderbau von Konzentrations-, Gesinnungs- und andern
Stoffen, von Beziehungen und Verknüpfungen, und er konnte sich über Erna nicht
beklagen; sie schluckte alles, was ihr vorgesetzt wurde. Dennoch ließ sein Interesse
nach, besonders seitdem er in eine andre Stadt und an eine andre Schule versetzt
war. Er überließ also die Fortsetzung des Erziehungsgeschäfts der höhern Töchter¬
schule — und der Zeit. Denn die Zeit ist die eigentliche Meisterin der Erziehung.
Klein-Erna gewöhnte sich ein, Klein-Erna vergaß, was sie vergessen sollte, sie vergaß,
daß sie früher einen andern Vater und eine andre Mutter gehabt hatte, sie lernte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311890"/>
          <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_852"> Eine andre befremdliche Beobachtung machte der Herr Professor, der sich um<lb/>
das seelische Leben von Klein-Erna kümmerte, wie die Frau Professor um das<lb/>
leibliche. Wenn das Kind sich selber überlassen war, so spielte es mit zwei Klammern,<lb/>
die sie Kopf auf Kopf stellte, &#x201E;Hoppla Cousin". Oder es benutzte den Stiefelknecht<lb/>
als Pferd und stellte seine Puppe darauf. Oder es stellte sich selbst auf die Lehne<lb/>
des Sofas und machte &#x201E;Hoch das Bein". Wie das zusammenhing, und woher das<lb/>
kam, erkannte der Herr Professor sofort. Daas muuß der&#x2014;elernt werden, sagte<lb/>
er, und damit wurde aus dem Wortschatze des Hauses alles gestrichen, was an<lb/>
Jahrmarkt, Zirkus, Kunststück und desgleichen erinnerte. Auch Pferd und Trompete.<lb/>
Jede kühne Bewegung wurde als unanständig bezeichnet und mit strengen Worten<lb/>
geahndet, auch die Puppe durfte nicht ent&#x2014;eblößt werden. Dagegen wurde die<lb/>
Liebe zur Heimat, zu Vater und Mutter methodisch eingepflanzt, was der Herr<lb/>
Professor mit aller wissenschaftlichen Gründlichkeit durchführte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_853"> Nämlich so: Erstens Vorbereitung. Maas hat das Kind? Das Kind hat sein<lb/>
Süppchen und sein Kleidchen &#x2014; und. sagte Klein-Erna, sein Buzebettchen &#x2014; »und<lb/>
sein Buze&#x2014;e betenden, wiederholte der Pädagog &#x2014; und Wau-Wau, sagte Erna &#x2014; uund<lb/>
Wau&#x2014;ewau, wiederholte der Pädagog. Maas hat das Kind? Sage, was das<lb/>
Kind hat? Sein Süppchen, sein Kleidchen, sein Buzebettchen, seinen Wau-Wau.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_854"> Und Klammerpuppen, sagte Klein-Erna. -</p><lb/>
          <p xml:id="ID_855"> Neiein, rief der Professor, das gute Kind hat keine Klammer&#x2014;e puppen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_856"> O ja, Klammerpuppen. Bitte, bitte Klammerpuppen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_857"> Aber Klammerpuppen gehörten ja zu den verbotnen Dingen, sie durften also<lb/>
auch nicht für die Analyse bewilligt werden, und es ging nicht ohne Tränen ab,<lb/>
ehe diese verbotne Klammerpuppe ans der Vorstellungsgruppe entfernt war. Nunmehr<lb/>
ergab die Frage: Maas hat das gute Kind? eine hemmungs&#x2014;elos ab&#x2014;erollende<lb/>
Vor&#x2014;estellungsreihe. Hierauf folgte (Stufe zwei) die Darbietung in Form einer Ge¬<lb/>
schichte eines kleinen Mädchens, das alles hatte. Buzebettchen, Wauwau, Süppchen<lb/>
und Kleidchen, und das seine Heimat furchtbar liebte. Der Sinn dieser Geschichte<lb/>
wurde vertieft. &#x2014; wie sollst du Vater und e&#x2014; Mutter haben? lieb sollst du sie<lb/>
e&#x2014; haben, &#x2014; er wurde verglichen, zusammengefaßt und angewandt, und dann sang<lb/>
man, der Herr Professor mit der Stimme eines Zahnbrechers und Klein-Erna zitternd<lb/>
und bebend: In der Heimat ist es schön, auf der Berge lichten Höhn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_858"> Es dauerte ziemlich lange, bis alle fünf formalen Stufen ordnungsmäßig<lb/>
durchgearbeitet waren. Man kann nicht sagen, daß Klein-Erna besondre Freudigkeit<lb/>
an die Sache heranbrachte; sie war unglücklich, wenn der Vater die Treppe herab¬<lb/>
rief: Erna, e&#x2014; komm, und die Mutter mußte freundlich zureden und manch Stück<lb/>
Schokolade spenden. Allen Beteiligten machte die Pädagogische Arbeit Mühe genug,<lb/>
aber man konnte doch sagen, daß nach Beendigung des fraglichen Abschnitts ein<lb/>
wesentlicher Teil des Vorstellungsinhalts geordnet, das Interesse vielseitig erweckt<lb/>
und angeknüpft und der fernere psychologische Aufbau gesichert war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_859" next="#ID_860"> Glücklicherweise haben Väter mehr guten Willen als Ausdauer. Auch Professor<lb/>
Spitzbart gehörte zu diesen Vätern. Er fuhr fort, Klein-Erna pädagogisch zu bearbeiten,<lb/>
er errichtete einen wahren Wunderbau von Konzentrations-, Gesinnungs- und andern<lb/>
Stoffen, von Beziehungen und Verknüpfungen, und er konnte sich über Erna nicht<lb/>
beklagen; sie schluckte alles, was ihr vorgesetzt wurde. Dennoch ließ sein Interesse<lb/>
nach, besonders seitdem er in eine andre Stadt und an eine andre Schule versetzt<lb/>
war. Er überließ also die Fortsetzung des Erziehungsgeschäfts der höhern Töchter¬<lb/>
schule &#x2014; und der Zeit. Denn die Zeit ist die eigentliche Meisterin der Erziehung.<lb/>
Klein-Erna gewöhnte sich ein, Klein-Erna vergaß, was sie vergessen sollte, sie vergaß,<lb/>
daß sie früher einen andern Vater und eine andre Mutter gehabt hatte, sie lernte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Eine andre befremdliche Beobachtung machte der Herr Professor, der sich um das seelische Leben von Klein-Erna kümmerte, wie die Frau Professor um das leibliche. Wenn das Kind sich selber überlassen war, so spielte es mit zwei Klammern, die sie Kopf auf Kopf stellte, „Hoppla Cousin". Oder es benutzte den Stiefelknecht als Pferd und stellte seine Puppe darauf. Oder es stellte sich selbst auf die Lehne des Sofas und machte „Hoch das Bein". Wie das zusammenhing, und woher das kam, erkannte der Herr Professor sofort. Daas muuß der—elernt werden, sagte er, und damit wurde aus dem Wortschatze des Hauses alles gestrichen, was an Jahrmarkt, Zirkus, Kunststück und desgleichen erinnerte. Auch Pferd und Trompete. Jede kühne Bewegung wurde als unanständig bezeichnet und mit strengen Worten geahndet, auch die Puppe durfte nicht ent—eblößt werden. Dagegen wurde die Liebe zur Heimat, zu Vater und Mutter methodisch eingepflanzt, was der Herr Professor mit aller wissenschaftlichen Gründlichkeit durchführte. Nämlich so: Erstens Vorbereitung. Maas hat das Kind? Das Kind hat sein Süppchen und sein Kleidchen — und. sagte Klein-Erna, sein Buzebettchen — »und sein Buze—e betenden, wiederholte der Pädagog — und Wau-Wau, sagte Erna — uund Wau—ewau, wiederholte der Pädagog. Maas hat das Kind? Sage, was das Kind hat? Sein Süppchen, sein Kleidchen, sein Buzebettchen, seinen Wau-Wau. Und Klammerpuppen, sagte Klein-Erna. - Neiein, rief der Professor, das gute Kind hat keine Klammer—e puppen. O ja, Klammerpuppen. Bitte, bitte Klammerpuppen. Aber Klammerpuppen gehörten ja zu den verbotnen Dingen, sie durften also auch nicht für die Analyse bewilligt werden, und es ging nicht ohne Tränen ab, ehe diese verbotne Klammerpuppe ans der Vorstellungsgruppe entfernt war. Nunmehr ergab die Frage: Maas hat das gute Kind? eine hemmungs—elos ab—erollende Vor—estellungsreihe. Hierauf folgte (Stufe zwei) die Darbietung in Form einer Ge¬ schichte eines kleinen Mädchens, das alles hatte. Buzebettchen, Wauwau, Süppchen und Kleidchen, und das seine Heimat furchtbar liebte. Der Sinn dieser Geschichte wurde vertieft. — wie sollst du Vater und e— Mutter haben? lieb sollst du sie e— haben, — er wurde verglichen, zusammengefaßt und angewandt, und dann sang man, der Herr Professor mit der Stimme eines Zahnbrechers und Klein-Erna zitternd und bebend: In der Heimat ist es schön, auf der Berge lichten Höhn. Es dauerte ziemlich lange, bis alle fünf formalen Stufen ordnungsmäßig durchgearbeitet waren. Man kann nicht sagen, daß Klein-Erna besondre Freudigkeit an die Sache heranbrachte; sie war unglücklich, wenn der Vater die Treppe herab¬ rief: Erna, e— komm, und die Mutter mußte freundlich zureden und manch Stück Schokolade spenden. Allen Beteiligten machte die Pädagogische Arbeit Mühe genug, aber man konnte doch sagen, daß nach Beendigung des fraglichen Abschnitts ein wesentlicher Teil des Vorstellungsinhalts geordnet, das Interesse vielseitig erweckt und angeknüpft und der fernere psychologische Aufbau gesichert war. Glücklicherweise haben Väter mehr guten Willen als Ausdauer. Auch Professor Spitzbart gehörte zu diesen Vätern. Er fuhr fort, Klein-Erna pädagogisch zu bearbeiten, er errichtete einen wahren Wunderbau von Konzentrations-, Gesinnungs- und andern Stoffen, von Beziehungen und Verknüpfungen, und er konnte sich über Erna nicht beklagen; sie schluckte alles, was ihr vorgesetzt wurde. Dennoch ließ sein Interesse nach, besonders seitdem er in eine andre Stadt und an eine andre Schule versetzt war. Er überließ also die Fortsetzung des Erziehungsgeschäfts der höhern Töchter¬ schule — und der Zeit. Denn die Zeit ist die eigentliche Meisterin der Erziehung. Klein-Erna gewöhnte sich ein, Klein-Erna vergaß, was sie vergessen sollte, sie vergaß, daß sie früher einen andern Vater und eine andre Mutter gehabt hatte, sie lernte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/203>, abgerufen am 16.06.2024.