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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maienfest

erweckte in seiner Seele einen traurigen Widerhall, als wollte es die Worte der
Stimme wiederholen. Er nahm den vorjährigen Kranz herunter und hängte an
dessen Stelle behutsam den andern auf. Der Kranz duftete frisch, aber sein Duft
fand heute abend keine Seele, die ihn einsaugen konnte. Ihn erfreute diesen Abend
mehr der Duft des alten Kranzes mit den dürren, verstaubten Blättern. Sie
zerrieben sich in seiner Hand, und es blieb nnr noch das Drahtgestell übrig mit
den trocknen Zweigen, die in der Sonne verdorrt und voll Staub waren. Er
nahm den trocknen Kranz und ging hinein. Es war finster. Er zündete eine Kerze
an, ging durch einen engen Gang und blieb vor einer geschloßnen Tür stehn. Er
setzte die Kerze nieder, schloß die Tür auf und ging hinein. Die Kammer wurde
von dem Kerzenlicht erhellt. Ein ganzes Jahr lang hatte sie kein Licht gesehn. An
den Wänden hingen Gestelle von Maienkränzen. Über jedem Kranz war ein Zettelchen
mit einer Zahl, die das Jahr bezeichnete, wo er gekauft war. Das war die
Totenkammer; dort drinnen schliefen seine toten Hoffnungen und seine Träume den
ewigen Schlaf. Jeder Kranz war eine Hoffnung. Da hingen nun seine Hoffnungen
alle der Reihe nach, tot und verdorrt. Welche Zauberhand könnte sie wieder auf¬
richten? Welch sanft wehendes Lüftchen über sie hin fahren, um den Staub weg¬
zublasen und ihnen den alten Duft, die frühern Farben wiederzugeben?

Er hciugte den Kranz in die Reihe und steckte das Zettelchen mit der neuen
Zahl daran. Dann setzte er sich auf einen Stuhl an dem Tischchen, wo die Kerze
brannte. Sein Gesicht sah in dem trüben Licht noch bleicher aus. Die Kammer
roch nach Moder. Eine wahre Totenkammer. Er betrat sie sonst nie; er wollte den
Schlummer seiner Toten nicht stören. Nur jeden Abend vor dem ersten Mai schloß
er die Tür auf, hängte den trocknen Kranz vom vergangnen Jahre auf, leistete
seinen Toten einige Zeit Gesellschaft, dachte nach über das Leben, das er mit ihnen
geführt hatte, ging dann fort und schloß zu. um sie in Ruhe ihren Trauergenossen
zu überlassen. Sie hatten sich wohl auch ihre Geheimnisse zu erzählen. So feierte
er den ersten Mai mit einer Gedenkfeier, mit einem Gange zu den Grabsteinen, die
sein vergangnes Leben bedeckten, und er ließ den Moder und den Staub bei einem
trüben Lichtglanz aufwirbeln. Aber diesen Abend wollte ihn der Moderduft fast
ersticken; ihn dürstete nach reiner Luft, nach Sonne, nach frischer Kühle. Die Kerze
schmolz langsam dahin, und die siedend heißen Tropfen fielen ans das Tischchen. Er
konnte es nicht mehr aushalten. Er stand auf und trat ans Fenster, das voll Staub
war; die Riegel waren verrostet, ein klagendes Klirren störte die sanfte Stille der
Nacht. Er öffnet. Welch wonnige Nacht! Welch süßer Duft von Blumen, die
unter dem Silberlicht des Mondes leise ihre Träume weben. Das Meer liegt unten
wie ein regungsloser Spiegel, und in den erstarrten Gewässern malen sich umgekehrt
die Schatten der Schiffsleiber und der Häuser, die den kleinen Hafen umgeben. Da
ist auch ein kleines Boot, das bei einem Feuerschein auf Fischfang ausgeht. Kein
Fenster ist erleuchtet. Von dem Gipfel des Berges tönt ein schwerer Glockenschlag
langsam hernieder: in dem Kloster werden die Mönche eine Mitternachtsmesse halten.
Die Stirn brennt ihm; seine Seele saugt das Mysterium der Nacht ein. Weit
draußen auf dem Meere erscheint jetzt ein rotes Licht; es ist ein Dampfer, der
vorüberfährt. Wie lieblich sich das rote Licht vereinigt mit dem Silberglanz, den
der Vollmond von oben herabgießt!

Doch schon steigen die Plejaden hinter dem Berge empor; der Hahn beginnt
zu krähen; in einem der Schiffe windet man den Anker auf. Ein leichtes Lüftchen
Me sich erhoben; die Kerze geht zu Ende, noch ein wenig, und sie wird erlöschen,
es wird finster sein. Doch der Mond, der sanfte, wonnige Mond, der die Seelen
uut seinem weichen Lichte erquickt wie mit einem Kuß, er ist noch da. Könnte er


Maienfest

erweckte in seiner Seele einen traurigen Widerhall, als wollte es die Worte der
Stimme wiederholen. Er nahm den vorjährigen Kranz herunter und hängte an
dessen Stelle behutsam den andern auf. Der Kranz duftete frisch, aber sein Duft
fand heute abend keine Seele, die ihn einsaugen konnte. Ihn erfreute diesen Abend
mehr der Duft des alten Kranzes mit den dürren, verstaubten Blättern. Sie
zerrieben sich in seiner Hand, und es blieb nnr noch das Drahtgestell übrig mit
den trocknen Zweigen, die in der Sonne verdorrt und voll Staub waren. Er
nahm den trocknen Kranz und ging hinein. Es war finster. Er zündete eine Kerze
an, ging durch einen engen Gang und blieb vor einer geschloßnen Tür stehn. Er
setzte die Kerze nieder, schloß die Tür auf und ging hinein. Die Kammer wurde
von dem Kerzenlicht erhellt. Ein ganzes Jahr lang hatte sie kein Licht gesehn. An
den Wänden hingen Gestelle von Maienkränzen. Über jedem Kranz war ein Zettelchen
mit einer Zahl, die das Jahr bezeichnete, wo er gekauft war. Das war die
Totenkammer; dort drinnen schliefen seine toten Hoffnungen und seine Träume den
ewigen Schlaf. Jeder Kranz war eine Hoffnung. Da hingen nun seine Hoffnungen
alle der Reihe nach, tot und verdorrt. Welche Zauberhand könnte sie wieder auf¬
richten? Welch sanft wehendes Lüftchen über sie hin fahren, um den Staub weg¬
zublasen und ihnen den alten Duft, die frühern Farben wiederzugeben?

Er hciugte den Kranz in die Reihe und steckte das Zettelchen mit der neuen
Zahl daran. Dann setzte er sich auf einen Stuhl an dem Tischchen, wo die Kerze
brannte. Sein Gesicht sah in dem trüben Licht noch bleicher aus. Die Kammer
roch nach Moder. Eine wahre Totenkammer. Er betrat sie sonst nie; er wollte den
Schlummer seiner Toten nicht stören. Nur jeden Abend vor dem ersten Mai schloß
er die Tür auf, hängte den trocknen Kranz vom vergangnen Jahre auf, leistete
seinen Toten einige Zeit Gesellschaft, dachte nach über das Leben, das er mit ihnen
geführt hatte, ging dann fort und schloß zu. um sie in Ruhe ihren Trauergenossen
zu überlassen. Sie hatten sich wohl auch ihre Geheimnisse zu erzählen. So feierte
er den ersten Mai mit einer Gedenkfeier, mit einem Gange zu den Grabsteinen, die
sein vergangnes Leben bedeckten, und er ließ den Moder und den Staub bei einem
trüben Lichtglanz aufwirbeln. Aber diesen Abend wollte ihn der Moderduft fast
ersticken; ihn dürstete nach reiner Luft, nach Sonne, nach frischer Kühle. Die Kerze
schmolz langsam dahin, und die siedend heißen Tropfen fielen ans das Tischchen. Er
konnte es nicht mehr aushalten. Er stand auf und trat ans Fenster, das voll Staub
war; die Riegel waren verrostet, ein klagendes Klirren störte die sanfte Stille der
Nacht. Er öffnet. Welch wonnige Nacht! Welch süßer Duft von Blumen, die
unter dem Silberlicht des Mondes leise ihre Träume weben. Das Meer liegt unten
wie ein regungsloser Spiegel, und in den erstarrten Gewässern malen sich umgekehrt
die Schatten der Schiffsleiber und der Häuser, die den kleinen Hafen umgeben. Da
ist auch ein kleines Boot, das bei einem Feuerschein auf Fischfang ausgeht. Kein
Fenster ist erleuchtet. Von dem Gipfel des Berges tönt ein schwerer Glockenschlag
langsam hernieder: in dem Kloster werden die Mönche eine Mitternachtsmesse halten.
Die Stirn brennt ihm; seine Seele saugt das Mysterium der Nacht ein. Weit
draußen auf dem Meere erscheint jetzt ein rotes Licht; es ist ein Dampfer, der
vorüberfährt. Wie lieblich sich das rote Licht vereinigt mit dem Silberglanz, den
der Vollmond von oben herabgießt!

Doch schon steigen die Plejaden hinter dem Berge empor; der Hahn beginnt
zu krähen; in einem der Schiffe windet man den Anker auf. Ein leichtes Lüftchen
Me sich erhoben; die Kerze geht zu Ende, noch ein wenig, und sie wird erlöschen,
es wird finster sein. Doch der Mond, der sanfte, wonnige Mond, der die Seelen
uut seinem weichen Lichte erquickt wie mit einem Kuß, er ist noch da. Könnte er


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[0299] Maienfest erweckte in seiner Seele einen traurigen Widerhall, als wollte es die Worte der Stimme wiederholen. Er nahm den vorjährigen Kranz herunter und hängte an dessen Stelle behutsam den andern auf. Der Kranz duftete frisch, aber sein Duft fand heute abend keine Seele, die ihn einsaugen konnte. Ihn erfreute diesen Abend mehr der Duft des alten Kranzes mit den dürren, verstaubten Blättern. Sie zerrieben sich in seiner Hand, und es blieb nnr noch das Drahtgestell übrig mit den trocknen Zweigen, die in der Sonne verdorrt und voll Staub waren. Er nahm den trocknen Kranz und ging hinein. Es war finster. Er zündete eine Kerze an, ging durch einen engen Gang und blieb vor einer geschloßnen Tür stehn. Er setzte die Kerze nieder, schloß die Tür auf und ging hinein. Die Kammer wurde von dem Kerzenlicht erhellt. Ein ganzes Jahr lang hatte sie kein Licht gesehn. An den Wänden hingen Gestelle von Maienkränzen. Über jedem Kranz war ein Zettelchen mit einer Zahl, die das Jahr bezeichnete, wo er gekauft war. Das war die Totenkammer; dort drinnen schliefen seine toten Hoffnungen und seine Träume den ewigen Schlaf. Jeder Kranz war eine Hoffnung. Da hingen nun seine Hoffnungen alle der Reihe nach, tot und verdorrt. Welche Zauberhand könnte sie wieder auf¬ richten? Welch sanft wehendes Lüftchen über sie hin fahren, um den Staub weg¬ zublasen und ihnen den alten Duft, die frühern Farben wiederzugeben? Er hciugte den Kranz in die Reihe und steckte das Zettelchen mit der neuen Zahl daran. Dann setzte er sich auf einen Stuhl an dem Tischchen, wo die Kerze brannte. Sein Gesicht sah in dem trüben Licht noch bleicher aus. Die Kammer roch nach Moder. Eine wahre Totenkammer. Er betrat sie sonst nie; er wollte den Schlummer seiner Toten nicht stören. Nur jeden Abend vor dem ersten Mai schloß er die Tür auf, hängte den trocknen Kranz vom vergangnen Jahre auf, leistete seinen Toten einige Zeit Gesellschaft, dachte nach über das Leben, das er mit ihnen geführt hatte, ging dann fort und schloß zu. um sie in Ruhe ihren Trauergenossen zu überlassen. Sie hatten sich wohl auch ihre Geheimnisse zu erzählen. So feierte er den ersten Mai mit einer Gedenkfeier, mit einem Gange zu den Grabsteinen, die sein vergangnes Leben bedeckten, und er ließ den Moder und den Staub bei einem trüben Lichtglanz aufwirbeln. Aber diesen Abend wollte ihn der Moderduft fast ersticken; ihn dürstete nach reiner Luft, nach Sonne, nach frischer Kühle. Die Kerze schmolz langsam dahin, und die siedend heißen Tropfen fielen ans das Tischchen. Er konnte es nicht mehr aushalten. Er stand auf und trat ans Fenster, das voll Staub war; die Riegel waren verrostet, ein klagendes Klirren störte die sanfte Stille der Nacht. Er öffnet. Welch wonnige Nacht! Welch süßer Duft von Blumen, die unter dem Silberlicht des Mondes leise ihre Träume weben. Das Meer liegt unten wie ein regungsloser Spiegel, und in den erstarrten Gewässern malen sich umgekehrt die Schatten der Schiffsleiber und der Häuser, die den kleinen Hafen umgeben. Da ist auch ein kleines Boot, das bei einem Feuerschein auf Fischfang ausgeht. Kein Fenster ist erleuchtet. Von dem Gipfel des Berges tönt ein schwerer Glockenschlag langsam hernieder: in dem Kloster werden die Mönche eine Mitternachtsmesse halten. Die Stirn brennt ihm; seine Seele saugt das Mysterium der Nacht ein. Weit draußen auf dem Meere erscheint jetzt ein rotes Licht; es ist ein Dampfer, der vorüberfährt. Wie lieblich sich das rote Licht vereinigt mit dem Silberglanz, den der Vollmond von oben herabgießt! Doch schon steigen die Plejaden hinter dem Berge empor; der Hahn beginnt zu krähen; in einem der Schiffe windet man den Anker auf. Ein leichtes Lüftchen Me sich erhoben; die Kerze geht zu Ende, noch ein wenig, und sie wird erlöschen, es wird finster sein. Doch der Mond, der sanfte, wonnige Mond, der die Seelen uut seinem weichen Lichte erquickt wie mit einem Kuß, er ist noch da. Könnte er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/299>, abgerufen am 22.05.2024.