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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Ans dem griechischen Erzgebirge

durch exponierte Mönche direkt bewirtschaftet werden" (Struck). Solcher
Metochien zählt man auf Longos 24, auf Kassandra 17, wogegen es auf der
ersten Halbinsel nur 8, auf der letzten nur 12 Freidörfer gibt, sodaß auf beiden
Halbinseln zusammen 20 Freidörfer 41 klösterlichen Meierhöfen gegenüberstehn.
Nimmt man dazu die 20 Stammkloster auf dem Athos selbst sowie die am
Südrande der eigentlichen Chalkidike verstreuten 14 Metochien sowie die
selbständigen Klöster außerhalb des Athos, so kommt man auf 120 klöster¬
liche Niederlassungen auf der südlichen Chalkidike. Man sieht, wie recht
Fallmerayer hatte, wenn er den Athos als den Vatikan von Byzanz be¬
zeichnete; denn durch diese Metochien, die alle äußerst günstig liegen, beherrscht
er auch wirtschaftlich einen großen Teil der Halbinsel, da die zu ihnen ge¬
hörenden Lündereien unveräußerlich sind.

Einen ganz andern sozialen Einfluß hatte der Bergbau im östlichen Teile
der Halbinsel. Hier hat sich vom Altertum bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts nicht mir eine intensive Industrie ausgebreitet, sondern auch im
Zusammenhang damit eine kleine Republik von 27 Ortschaften entwickelt, die
sich vom Ende des siebzehnten bis zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts
erhielt und mit eigner Verfassung und eigner Obrigkeit ausgestattet war --
in der Türkei eine ganz einzig dastehende, an antike Verhältnisse erinnernde
Erscheinung. Das Nähere kann man bei Struck nachlesen (S. 70 ff.), wo auch
von dem neuen Aufblühen der Minenausbeutung durch französisches und
italienisches Kapital berichtet wird, während noch zu Fallmerayers Zeit der
Betrieb völlig brachlag.

Die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung der Chalkidike bildet teils der
Ackerbau, der aber trotz einer Ackerbauschule in Dallau (der einzigen in
Makedonien) noch auf sehr primitiver Stufe steht, teils, und häufiger, Obst-,
Weinbau sowie, besonders im Süden, Bienen- und Seidenraupenzucht. Nur
die halbnomadischen Jürüken treiben Viehzucht. Hier und da ist auch Haus¬
industrie zu finden, namentlich Wollen- und Seidenweberei. Vielleicht der
starke Anbau trügt daran Schuld, daß von Resten des Altertums bisher wenig
zutage getreten ist. Systematische Ausgrabungen sind hier noch nicht vor¬
genommen worden, daß sie aber gute Ergebnisse versprechen, darauf weisen
die Andeutungen des Verfassers über die Ruinenstätten der beiden einstigen
Politischen Mittelpunkte der Halbinsel, Olynth und Potidäa (S. 37 bis 43).
Interessanter ist, was Struck über den berühmten Xerxeskanal festgestellt hat,
der die Athoshalbinsel im Norden an ihrer schmalsten Stelle (2^ Kilometer)
durchzogen haben soll. An der Existenz der Kanallinie selbst ist nicht zu
zweifeln, wie man wohl früher, nach den fein-ironischen Bemerkungen Fall¬
merayers (Fragmente S. 277 f.) zu urteilen, trotz der ausführlichen Schilderung
Herodots (im siebenten Buch), getan hat. Fallmerayer wie Struck sprechen von
der grünen, durch üppigen Pflanzenwuchs bezeichneten und aus dem gelbgrauen
Grunde sich scharf abhebenden Linie, die nebst dem umgebenden Gebiete bei


Ans dem griechischen Erzgebirge

durch exponierte Mönche direkt bewirtschaftet werden" (Struck). Solcher
Metochien zählt man auf Longos 24, auf Kassandra 17, wogegen es auf der
ersten Halbinsel nur 8, auf der letzten nur 12 Freidörfer gibt, sodaß auf beiden
Halbinseln zusammen 20 Freidörfer 41 klösterlichen Meierhöfen gegenüberstehn.
Nimmt man dazu die 20 Stammkloster auf dem Athos selbst sowie die am
Südrande der eigentlichen Chalkidike verstreuten 14 Metochien sowie die
selbständigen Klöster außerhalb des Athos, so kommt man auf 120 klöster¬
liche Niederlassungen auf der südlichen Chalkidike. Man sieht, wie recht
Fallmerayer hatte, wenn er den Athos als den Vatikan von Byzanz be¬
zeichnete; denn durch diese Metochien, die alle äußerst günstig liegen, beherrscht
er auch wirtschaftlich einen großen Teil der Halbinsel, da die zu ihnen ge¬
hörenden Lündereien unveräußerlich sind.

Einen ganz andern sozialen Einfluß hatte der Bergbau im östlichen Teile
der Halbinsel. Hier hat sich vom Altertum bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts nicht mir eine intensive Industrie ausgebreitet, sondern auch im
Zusammenhang damit eine kleine Republik von 27 Ortschaften entwickelt, die
sich vom Ende des siebzehnten bis zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts
erhielt und mit eigner Verfassung und eigner Obrigkeit ausgestattet war —
in der Türkei eine ganz einzig dastehende, an antike Verhältnisse erinnernde
Erscheinung. Das Nähere kann man bei Struck nachlesen (S. 70 ff.), wo auch
von dem neuen Aufblühen der Minenausbeutung durch französisches und
italienisches Kapital berichtet wird, während noch zu Fallmerayers Zeit der
Betrieb völlig brachlag.

Die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung der Chalkidike bildet teils der
Ackerbau, der aber trotz einer Ackerbauschule in Dallau (der einzigen in
Makedonien) noch auf sehr primitiver Stufe steht, teils, und häufiger, Obst-,
Weinbau sowie, besonders im Süden, Bienen- und Seidenraupenzucht. Nur
die halbnomadischen Jürüken treiben Viehzucht. Hier und da ist auch Haus¬
industrie zu finden, namentlich Wollen- und Seidenweberei. Vielleicht der
starke Anbau trügt daran Schuld, daß von Resten des Altertums bisher wenig
zutage getreten ist. Systematische Ausgrabungen sind hier noch nicht vor¬
genommen worden, daß sie aber gute Ergebnisse versprechen, darauf weisen
die Andeutungen des Verfassers über die Ruinenstätten der beiden einstigen
Politischen Mittelpunkte der Halbinsel, Olynth und Potidäa (S. 37 bis 43).
Interessanter ist, was Struck über den berühmten Xerxeskanal festgestellt hat,
der die Athoshalbinsel im Norden an ihrer schmalsten Stelle (2^ Kilometer)
durchzogen haben soll. An der Existenz der Kanallinie selbst ist nicht zu
zweifeln, wie man wohl früher, nach den fein-ironischen Bemerkungen Fall¬
merayers (Fragmente S. 277 f.) zu urteilen, trotz der ausführlichen Schilderung
Herodots (im siebenten Buch), getan hat. Fallmerayer wie Struck sprechen von
der grünen, durch üppigen Pflanzenwuchs bezeichneten und aus dem gelbgrauen
Grunde sich scharf abhebenden Linie, die nebst dem umgebenden Gebiete bei


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[0339] Ans dem griechischen Erzgebirge durch exponierte Mönche direkt bewirtschaftet werden" (Struck). Solcher Metochien zählt man auf Longos 24, auf Kassandra 17, wogegen es auf der ersten Halbinsel nur 8, auf der letzten nur 12 Freidörfer gibt, sodaß auf beiden Halbinseln zusammen 20 Freidörfer 41 klösterlichen Meierhöfen gegenüberstehn. Nimmt man dazu die 20 Stammkloster auf dem Athos selbst sowie die am Südrande der eigentlichen Chalkidike verstreuten 14 Metochien sowie die selbständigen Klöster außerhalb des Athos, so kommt man auf 120 klöster¬ liche Niederlassungen auf der südlichen Chalkidike. Man sieht, wie recht Fallmerayer hatte, wenn er den Athos als den Vatikan von Byzanz be¬ zeichnete; denn durch diese Metochien, die alle äußerst günstig liegen, beherrscht er auch wirtschaftlich einen großen Teil der Halbinsel, da die zu ihnen ge¬ hörenden Lündereien unveräußerlich sind. Einen ganz andern sozialen Einfluß hatte der Bergbau im östlichen Teile der Halbinsel. Hier hat sich vom Altertum bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts nicht mir eine intensive Industrie ausgebreitet, sondern auch im Zusammenhang damit eine kleine Republik von 27 Ortschaften entwickelt, die sich vom Ende des siebzehnten bis zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts erhielt und mit eigner Verfassung und eigner Obrigkeit ausgestattet war — in der Türkei eine ganz einzig dastehende, an antike Verhältnisse erinnernde Erscheinung. Das Nähere kann man bei Struck nachlesen (S. 70 ff.), wo auch von dem neuen Aufblühen der Minenausbeutung durch französisches und italienisches Kapital berichtet wird, während noch zu Fallmerayers Zeit der Betrieb völlig brachlag. Die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung der Chalkidike bildet teils der Ackerbau, der aber trotz einer Ackerbauschule in Dallau (der einzigen in Makedonien) noch auf sehr primitiver Stufe steht, teils, und häufiger, Obst-, Weinbau sowie, besonders im Süden, Bienen- und Seidenraupenzucht. Nur die halbnomadischen Jürüken treiben Viehzucht. Hier und da ist auch Haus¬ industrie zu finden, namentlich Wollen- und Seidenweberei. Vielleicht der starke Anbau trügt daran Schuld, daß von Resten des Altertums bisher wenig zutage getreten ist. Systematische Ausgrabungen sind hier noch nicht vor¬ genommen worden, daß sie aber gute Ergebnisse versprechen, darauf weisen die Andeutungen des Verfassers über die Ruinenstätten der beiden einstigen Politischen Mittelpunkte der Halbinsel, Olynth und Potidäa (S. 37 bis 43). Interessanter ist, was Struck über den berühmten Xerxeskanal festgestellt hat, der die Athoshalbinsel im Norden an ihrer schmalsten Stelle (2^ Kilometer) durchzogen haben soll. An der Existenz der Kanallinie selbst ist nicht zu zweifeln, wie man wohl früher, nach den fein-ironischen Bemerkungen Fall¬ merayers (Fragmente S. 277 f.) zu urteilen, trotz der ausführlichen Schilderung Herodots (im siebenten Buch), getan hat. Fallmerayer wie Struck sprechen von der grünen, durch üppigen Pflanzenwuchs bezeichneten und aus dem gelbgrauen Grunde sich scharf abhebenden Linie, die nebst dem umgebenden Gebiete bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/339>, abgerufen am 05.06.2024.