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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Studienfahrten in der römischen Lampagna

bearbeiten ist. Außerdem zersetzt sich der Tuff unter dem Einfluß der
Atmosphärilien leicht, sodaß er bald zu Kulturboden wird. Die Fruchtbarkeit
des Bodens ist teils bedeutend größer als die der meisten Böden Deutsch¬
lands. Sogar Ackerland, das ohne Düngung bebaut wird, liefert immer
noch mittlere Getreideernten. Die Erfolge, die in neuerer Zeit in einzelnen,
modern eingerichteten Wirtschaften in der Nähe Roms erreicht werden, liefern
den Beweis, daß der Tuffboden der römischen Campagna sehr fruchtbar ist.
Es gedeihen Kulturpflanzen, wie Tabak, Zuckerrüben, Wein, Melonen, Luzerne,
Klee, Obst, Maulbeerbüume, Gemüse, Weizen, in solcher Üppigkeit, wie wir
es in unsrer Heimat nicht kennen- Die Fruchtbarkeit der römischen Campagna,
die die Alten einst bewunderten, besteht also anch heute noch. Eine Aus-
randung des Bodens findet kaum statt, da der an Mineralien reiche vulkanische
Tuff immer von neuem pflanzliche Nährstoffe hergibt. Der Boden selbst,
dann vor allem die umliegenden vulkanischen Gebirge sorgen für neuen Ersatz,
indem das Quell- und Gebirgswasser die Mineralien auflöst und in die Ebene
mit fortführt. Treffend sagt Theobald Fischer: "An ein Aufbrauchen der
zum Wachstum der Pflanzen nötigen Stoffe: Kali und Natronverbindungen,
Phosphor- und Kieselsäure ist recht wohl in den Tiefebenen Deutschlands zu
denken, wo keine vulkanischen Kräfte das Innere erschlossen haben, keine
Quellen aus dem Innern des Berges heraus deren mineralische Schätze
immer von neuem herbeiführen . . . nicht so in Südeuropa. Hier fehlt die
Formation der Ebene fast ganz . . . überall türmen sich die Berge auf, die
schreinartig in ihren zahllosen Spalten und Poren Wasser aufnehmen und
aufbewahren, um es dann als reiche Quelle den Bergabhängen, Tälern und
Küstenebenen gesättigt mit mineralischen Bestandteilen aus ihrem innern Herzen
heraufzuführen."*) Die Worte sind auch auf unser Gebiet anzuwenden. Eine
Frage, die sich jedem unwillkürlich in der Bewundrung solcher Fruchtbarkeit auf¬
drängt, ist die, weshalb man nicht schon früher die Naturschütze des Bodens
besser auszunutzen verstanden hat. Der Grund hierfür liegt darin, daß die
wenigen Großbesitzer, denen die römische Campagna gehört, mit der bestehenden
Benutzung und landwirtschaftlichen Betriebsform zufrieden sind, da ihnen der
Pachtzins eine hohe Bodenrenke liefert. Die Pächter als kapitalistische Unter¬
nehmer verpachten ihrerseits wiederum einen großen Teil der Gutsfläche als
Schafweide an Herdenbesitzer, und infolge der großen Nachfrage nach Weide
ist der Pachtzins der Weiden ebenfalls hoch. Mit Rücksicht auf die hohe
Bodenrenke haben sowohl Gutsbesitzer als Pächter wenig Neigung, an Stelle
der bestehenden Betriebsform eine kapitalintensive einzuführen.

Mit Ausnahme der wenigen "Bonifikationsgüter" in der römischen Cam¬
pagna wird der größte Teil des Gutsareals als primitive Dauerweide (d. h. ohne
künstliche Ansaat, Düngung und Pflege) genutzt, dann wird auch wohl eine



*) Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerliinder.
Studienfahrten in der römischen Lampagna

bearbeiten ist. Außerdem zersetzt sich der Tuff unter dem Einfluß der
Atmosphärilien leicht, sodaß er bald zu Kulturboden wird. Die Fruchtbarkeit
des Bodens ist teils bedeutend größer als die der meisten Böden Deutsch¬
lands. Sogar Ackerland, das ohne Düngung bebaut wird, liefert immer
noch mittlere Getreideernten. Die Erfolge, die in neuerer Zeit in einzelnen,
modern eingerichteten Wirtschaften in der Nähe Roms erreicht werden, liefern
den Beweis, daß der Tuffboden der römischen Campagna sehr fruchtbar ist.
Es gedeihen Kulturpflanzen, wie Tabak, Zuckerrüben, Wein, Melonen, Luzerne,
Klee, Obst, Maulbeerbüume, Gemüse, Weizen, in solcher Üppigkeit, wie wir
es in unsrer Heimat nicht kennen- Die Fruchtbarkeit der römischen Campagna,
die die Alten einst bewunderten, besteht also anch heute noch. Eine Aus-
randung des Bodens findet kaum statt, da der an Mineralien reiche vulkanische
Tuff immer von neuem pflanzliche Nährstoffe hergibt. Der Boden selbst,
dann vor allem die umliegenden vulkanischen Gebirge sorgen für neuen Ersatz,
indem das Quell- und Gebirgswasser die Mineralien auflöst und in die Ebene
mit fortführt. Treffend sagt Theobald Fischer: „An ein Aufbrauchen der
zum Wachstum der Pflanzen nötigen Stoffe: Kali und Natronverbindungen,
Phosphor- und Kieselsäure ist recht wohl in den Tiefebenen Deutschlands zu
denken, wo keine vulkanischen Kräfte das Innere erschlossen haben, keine
Quellen aus dem Innern des Berges heraus deren mineralische Schätze
immer von neuem herbeiführen . . . nicht so in Südeuropa. Hier fehlt die
Formation der Ebene fast ganz . . . überall türmen sich die Berge auf, die
schreinartig in ihren zahllosen Spalten und Poren Wasser aufnehmen und
aufbewahren, um es dann als reiche Quelle den Bergabhängen, Tälern und
Küstenebenen gesättigt mit mineralischen Bestandteilen aus ihrem innern Herzen
heraufzuführen."*) Die Worte sind auch auf unser Gebiet anzuwenden. Eine
Frage, die sich jedem unwillkürlich in der Bewundrung solcher Fruchtbarkeit auf¬
drängt, ist die, weshalb man nicht schon früher die Naturschütze des Bodens
besser auszunutzen verstanden hat. Der Grund hierfür liegt darin, daß die
wenigen Großbesitzer, denen die römische Campagna gehört, mit der bestehenden
Benutzung und landwirtschaftlichen Betriebsform zufrieden sind, da ihnen der
Pachtzins eine hohe Bodenrenke liefert. Die Pächter als kapitalistische Unter¬
nehmer verpachten ihrerseits wiederum einen großen Teil der Gutsfläche als
Schafweide an Herdenbesitzer, und infolge der großen Nachfrage nach Weide
ist der Pachtzins der Weiden ebenfalls hoch. Mit Rücksicht auf die hohe
Bodenrenke haben sowohl Gutsbesitzer als Pächter wenig Neigung, an Stelle
der bestehenden Betriebsform eine kapitalintensive einzuführen.

Mit Ausnahme der wenigen „Bonifikationsgüter" in der römischen Cam¬
pagna wird der größte Teil des Gutsareals als primitive Dauerweide (d. h. ohne
künstliche Ansaat, Düngung und Pflege) genutzt, dann wird auch wohl eine



*) Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerliinder.
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[0436] Studienfahrten in der römischen Lampagna bearbeiten ist. Außerdem zersetzt sich der Tuff unter dem Einfluß der Atmosphärilien leicht, sodaß er bald zu Kulturboden wird. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist teils bedeutend größer als die der meisten Böden Deutsch¬ lands. Sogar Ackerland, das ohne Düngung bebaut wird, liefert immer noch mittlere Getreideernten. Die Erfolge, die in neuerer Zeit in einzelnen, modern eingerichteten Wirtschaften in der Nähe Roms erreicht werden, liefern den Beweis, daß der Tuffboden der römischen Campagna sehr fruchtbar ist. Es gedeihen Kulturpflanzen, wie Tabak, Zuckerrüben, Wein, Melonen, Luzerne, Klee, Obst, Maulbeerbüume, Gemüse, Weizen, in solcher Üppigkeit, wie wir es in unsrer Heimat nicht kennen- Die Fruchtbarkeit der römischen Campagna, die die Alten einst bewunderten, besteht also anch heute noch. Eine Aus- randung des Bodens findet kaum statt, da der an Mineralien reiche vulkanische Tuff immer von neuem pflanzliche Nährstoffe hergibt. Der Boden selbst, dann vor allem die umliegenden vulkanischen Gebirge sorgen für neuen Ersatz, indem das Quell- und Gebirgswasser die Mineralien auflöst und in die Ebene mit fortführt. Treffend sagt Theobald Fischer: „An ein Aufbrauchen der zum Wachstum der Pflanzen nötigen Stoffe: Kali und Natronverbindungen, Phosphor- und Kieselsäure ist recht wohl in den Tiefebenen Deutschlands zu denken, wo keine vulkanischen Kräfte das Innere erschlossen haben, keine Quellen aus dem Innern des Berges heraus deren mineralische Schätze immer von neuem herbeiführen . . . nicht so in Südeuropa. Hier fehlt die Formation der Ebene fast ganz . . . überall türmen sich die Berge auf, die schreinartig in ihren zahllosen Spalten und Poren Wasser aufnehmen und aufbewahren, um es dann als reiche Quelle den Bergabhängen, Tälern und Küstenebenen gesättigt mit mineralischen Bestandteilen aus ihrem innern Herzen heraufzuführen."*) Die Worte sind auch auf unser Gebiet anzuwenden. Eine Frage, die sich jedem unwillkürlich in der Bewundrung solcher Fruchtbarkeit auf¬ drängt, ist die, weshalb man nicht schon früher die Naturschütze des Bodens besser auszunutzen verstanden hat. Der Grund hierfür liegt darin, daß die wenigen Großbesitzer, denen die römische Campagna gehört, mit der bestehenden Benutzung und landwirtschaftlichen Betriebsform zufrieden sind, da ihnen der Pachtzins eine hohe Bodenrenke liefert. Die Pächter als kapitalistische Unter¬ nehmer verpachten ihrerseits wiederum einen großen Teil der Gutsfläche als Schafweide an Herdenbesitzer, und infolge der großen Nachfrage nach Weide ist der Pachtzins der Weiden ebenfalls hoch. Mit Rücksicht auf die hohe Bodenrenke haben sowohl Gutsbesitzer als Pächter wenig Neigung, an Stelle der bestehenden Betriebsform eine kapitalintensive einzuführen. Mit Ausnahme der wenigen „Bonifikationsgüter" in der römischen Cam¬ pagna wird der größte Teil des Gutsareals als primitive Dauerweide (d. h. ohne künstliche Ansaat, Düngung und Pflege) genutzt, dann wird auch wohl eine *) Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerliinder.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/436>, abgerufen am 04.06.2024.