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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Studienfahrten in der römischen Lamxagna

Weide von Zeit zu Zeit umgebrochen und auf einige Jahre mit Getreide be¬
baut, worauf dann wieder die natürliche Berasung erfolgt, und schließlich
wird ein Teil in Rotation regelmäßig ein oder zwei oder drei Jahre mit
Getreide bestellt und ebensolange als natürliche Weide genutzt. Im ersten
Falle herrscht das System der wilden Feldgraswirtschaft, im letzten das der
geregelten Feldgraswirtschaft vor. Auf dem gepflügten Lande wird Weizen,
Mais und Hafer angebaut. Die Aufeinanderfolge der Früchte ist verschieden
und richtet sich nach dem Kulturzustande und nach der Bodenbeschaffenheit.
Vielfach werden die Früchte ohne jede Düngung angebaut. Zwar bringen
auch manche Pächter eine rationelle Düngung und eine moderne Technik der
Bodenkultur in Anwendung, doch ist im großen und ganzen der Feldbau noch
recht primitiv. Moderne Pflüge und größere landwirtschaftliche Maschinen sind
größtenteils in der römischen Campagna eingeführt worden.

Eine künstliche Beförderung des Graswuchses durch Bewässerung und
Düngung findet in den extensiven Gutswirtschaften nicht statt, ebenso ist der
Anbau von Futterkräutern unbekannt. Die Heugewinnung ist nur in geringem
Umfange gebräuchlich. Sie wird dort vorgenommen, wo der Graswuchs be¬
sonders üppig ist. Die betreffende Fläche wird für die Zeit vom 15. Mürz bis
Ende Juni eingezäunt und für sich verpachtet. Heu für die eigne Wirtschaft
wird nur in geringem Umfange gewonnen. Es wird gefüttert, wenn die Weide
am Ende des Winters wenig Futter liefert.

Der Viehbestand besteht aus Pferden, Rindvieh und Schafen und nur
zum geringen Teil aus Schweinen. Das römische Pferd wird nur zur Zucht
und zum Reiten, dagegen nicht zur Arbeit verwandt. Es ist mittelgroß, ge¬
drungen, anspruchslos und von großer Ausdauer, da es zeitlebens auf der
Weide gehalten wird. Die Pferdezucht spielt in der römischen Campagna
eine große Rolle; das Gebiet ist eine der bedeutendsten Zuchtstütten des
italienischen Remontepferdes. Von der Viehzucht überwiegt die Schafzucht.
Große Herden von 2000 bis 3000 Stück beweiden dreiviertel Jahr, von Ende
September bis Johanni, die Campagna. Die Herden beziehen nach dieser Zeit
die Weiden des Apennins. In die römische Campagna ist das Schaf ein¬
gedrungen, nachdem sie wirtschaftlich ruiniert war, und eine Nutzung des
Bodens nicht mehr stattfand. Noch heute ziehen in Süditalien die Schaf¬
herden auf denselben Triften wie zur Zeit des Hohenstaufen Friedrich, der
für die Weidewanderwirtschaft besondre Rechtsverhältnisse und festgefügte
Organisationen schuf. Aber auch schon vorher dominierte in Mittel- und
Süditalien die Schafwirtschaft mit ihrem Wanderbetriebe. Schon Varro be¬
uchtet von den periodischen Wanderungen der Schafherden zwischen Apulien
und dem Apenningebirge. -- Die wichtigste Nutzung des Schafes ist die
Milcherzeugung. Schafmilch wird fast ausschließlich an Ort und Stelle zu
Käse verarbeitet (toiiNÄMo xecormo und riootto). Nächst der Milcherzeugung
bilden die jungen Lämmer, die dem Geschmacke des Südländers besonders ent-


Grenzbotcn II 190S ^
Studienfahrten in der römischen Lamxagna

Weide von Zeit zu Zeit umgebrochen und auf einige Jahre mit Getreide be¬
baut, worauf dann wieder die natürliche Berasung erfolgt, und schließlich
wird ein Teil in Rotation regelmäßig ein oder zwei oder drei Jahre mit
Getreide bestellt und ebensolange als natürliche Weide genutzt. Im ersten
Falle herrscht das System der wilden Feldgraswirtschaft, im letzten das der
geregelten Feldgraswirtschaft vor. Auf dem gepflügten Lande wird Weizen,
Mais und Hafer angebaut. Die Aufeinanderfolge der Früchte ist verschieden
und richtet sich nach dem Kulturzustande und nach der Bodenbeschaffenheit.
Vielfach werden die Früchte ohne jede Düngung angebaut. Zwar bringen
auch manche Pächter eine rationelle Düngung und eine moderne Technik der
Bodenkultur in Anwendung, doch ist im großen und ganzen der Feldbau noch
recht primitiv. Moderne Pflüge und größere landwirtschaftliche Maschinen sind
größtenteils in der römischen Campagna eingeführt worden.

Eine künstliche Beförderung des Graswuchses durch Bewässerung und
Düngung findet in den extensiven Gutswirtschaften nicht statt, ebenso ist der
Anbau von Futterkräutern unbekannt. Die Heugewinnung ist nur in geringem
Umfange gebräuchlich. Sie wird dort vorgenommen, wo der Graswuchs be¬
sonders üppig ist. Die betreffende Fläche wird für die Zeit vom 15. Mürz bis
Ende Juni eingezäunt und für sich verpachtet. Heu für die eigne Wirtschaft
wird nur in geringem Umfange gewonnen. Es wird gefüttert, wenn die Weide
am Ende des Winters wenig Futter liefert.

Der Viehbestand besteht aus Pferden, Rindvieh und Schafen und nur
zum geringen Teil aus Schweinen. Das römische Pferd wird nur zur Zucht
und zum Reiten, dagegen nicht zur Arbeit verwandt. Es ist mittelgroß, ge¬
drungen, anspruchslos und von großer Ausdauer, da es zeitlebens auf der
Weide gehalten wird. Die Pferdezucht spielt in der römischen Campagna
eine große Rolle; das Gebiet ist eine der bedeutendsten Zuchtstütten des
italienischen Remontepferdes. Von der Viehzucht überwiegt die Schafzucht.
Große Herden von 2000 bis 3000 Stück beweiden dreiviertel Jahr, von Ende
September bis Johanni, die Campagna. Die Herden beziehen nach dieser Zeit
die Weiden des Apennins. In die römische Campagna ist das Schaf ein¬
gedrungen, nachdem sie wirtschaftlich ruiniert war, und eine Nutzung des
Bodens nicht mehr stattfand. Noch heute ziehen in Süditalien die Schaf¬
herden auf denselben Triften wie zur Zeit des Hohenstaufen Friedrich, der
für die Weidewanderwirtschaft besondre Rechtsverhältnisse und festgefügte
Organisationen schuf. Aber auch schon vorher dominierte in Mittel- und
Süditalien die Schafwirtschaft mit ihrem Wanderbetriebe. Schon Varro be¬
uchtet von den periodischen Wanderungen der Schafherden zwischen Apulien
und dem Apenningebirge. — Die wichtigste Nutzung des Schafes ist die
Milcherzeugung. Schafmilch wird fast ausschließlich an Ort und Stelle zu
Käse verarbeitet (toiiNÄMo xecormo und riootto). Nächst der Milcherzeugung
bilden die jungen Lämmer, die dem Geschmacke des Südländers besonders ent-


Grenzbotcn II 190S ^
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[0437] Studienfahrten in der römischen Lamxagna Weide von Zeit zu Zeit umgebrochen und auf einige Jahre mit Getreide be¬ baut, worauf dann wieder die natürliche Berasung erfolgt, und schließlich wird ein Teil in Rotation regelmäßig ein oder zwei oder drei Jahre mit Getreide bestellt und ebensolange als natürliche Weide genutzt. Im ersten Falle herrscht das System der wilden Feldgraswirtschaft, im letzten das der geregelten Feldgraswirtschaft vor. Auf dem gepflügten Lande wird Weizen, Mais und Hafer angebaut. Die Aufeinanderfolge der Früchte ist verschieden und richtet sich nach dem Kulturzustande und nach der Bodenbeschaffenheit. Vielfach werden die Früchte ohne jede Düngung angebaut. Zwar bringen auch manche Pächter eine rationelle Düngung und eine moderne Technik der Bodenkultur in Anwendung, doch ist im großen und ganzen der Feldbau noch recht primitiv. Moderne Pflüge und größere landwirtschaftliche Maschinen sind größtenteils in der römischen Campagna eingeführt worden. Eine künstliche Beförderung des Graswuchses durch Bewässerung und Düngung findet in den extensiven Gutswirtschaften nicht statt, ebenso ist der Anbau von Futterkräutern unbekannt. Die Heugewinnung ist nur in geringem Umfange gebräuchlich. Sie wird dort vorgenommen, wo der Graswuchs be¬ sonders üppig ist. Die betreffende Fläche wird für die Zeit vom 15. Mürz bis Ende Juni eingezäunt und für sich verpachtet. Heu für die eigne Wirtschaft wird nur in geringem Umfange gewonnen. Es wird gefüttert, wenn die Weide am Ende des Winters wenig Futter liefert. Der Viehbestand besteht aus Pferden, Rindvieh und Schafen und nur zum geringen Teil aus Schweinen. Das römische Pferd wird nur zur Zucht und zum Reiten, dagegen nicht zur Arbeit verwandt. Es ist mittelgroß, ge¬ drungen, anspruchslos und von großer Ausdauer, da es zeitlebens auf der Weide gehalten wird. Die Pferdezucht spielt in der römischen Campagna eine große Rolle; das Gebiet ist eine der bedeutendsten Zuchtstütten des italienischen Remontepferdes. Von der Viehzucht überwiegt die Schafzucht. Große Herden von 2000 bis 3000 Stück beweiden dreiviertel Jahr, von Ende September bis Johanni, die Campagna. Die Herden beziehen nach dieser Zeit die Weiden des Apennins. In die römische Campagna ist das Schaf ein¬ gedrungen, nachdem sie wirtschaftlich ruiniert war, und eine Nutzung des Bodens nicht mehr stattfand. Noch heute ziehen in Süditalien die Schaf¬ herden auf denselben Triften wie zur Zeit des Hohenstaufen Friedrich, der für die Weidewanderwirtschaft besondre Rechtsverhältnisse und festgefügte Organisationen schuf. Aber auch schon vorher dominierte in Mittel- und Süditalien die Schafwirtschaft mit ihrem Wanderbetriebe. Schon Varro be¬ uchtet von den periodischen Wanderungen der Schafherden zwischen Apulien und dem Apenningebirge. — Die wichtigste Nutzung des Schafes ist die Milcherzeugung. Schafmilch wird fast ausschließlich an Ort und Stelle zu Käse verarbeitet (toiiNÄMo xecormo und riootto). Nächst der Milcherzeugung bilden die jungen Lämmer, die dem Geschmacke des Südländers besonders ent- Grenzbotcn II 190S ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/437>, abgerufen am 15.05.2024.