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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reifezeit

Natürlich müssen Sie kommen, lieber Professor. Ich habe alte Bilder und
Waffen, die zu studieren Ihnen vielleicht Freude machen wird!

Es war ein hübsches Fest. Als ich mitten in der Nacht mit Walter nach
Hause ging, waren wir beide recht befriedigt. Es war alles sehr schön gewesen;
aber es tat mir doch leid, nichts mehr von Doktor Roland gesehen zu haben.




Die Magnifika erkundigte sich schon heute morgen in höchsteigner Person nach
meinen! Befinden.

Es ist Ihnen doch gut bekommen? Sie haben reizend gespielt! Und wie
eigenartig, daß Sie eine Freundin der Fürstin Monreal sind.

Sie setzte sich mir gegenüber und sah mich so fragend an, daß ich natürlich
antworten mußte.

Solche Sachen sind nicht so wunderbar, wie sie wohl zuerst scheinen. Die
Komtesse Rosen und ich trafen uns in einem Pensionat am Genfer See. Sie hat
dann mit mir zusammen meinen Onkel Wilhelm Pankow besucht, der in Luzern
wohnt, und später ist sie auf dem Gut meiner Verwandten gewesen. Seit ihrer
Heirat habe ich allerdings nichts von ihr gesehen.

Der Fürst ist schon zweimal verheiratet gewesen, erzählte setzt mein Besuch.
Mein Mann kennt ihn recht gut von einer Orientreise her und ist dann öfters
von ihm zur Jagd eingeladen worden. Da wir wußten, daß sie augenblicklich in
der Nähe von Bärenburg leben, mußten wir sie einladen. Im übrigen bin ich
nicht für so vornehmen Verkehr. Die Leute sehen doch auf uns herab.

Auf diese Bemerkung erwiderte ich nichts. Ich habe Bodild früher sehr lieb
gehabt und werde sie weiter lieben. Einerlei, ob sie Fürstin ist oder Gräfin. Ich
liebe den treuen, wahrhaftigen, edeln Menschen in ihr. Und aufdrängen werde ich
mich ihr nicht.

Haben Sie länger mit Doktor Roland gesprochen? fragte mich die Magnifika weiter,
und ich hatte auf der Zunge, mich zu erkundigen, ob sie so zu jedem ihrer Gäste ginge,
um sie einer scharfen Prüfung zu unterwerfen. Doch meine artige Natur siegte.

Ich sprach nur kurz mit dem Doktor, wir kennen uns auch von früher her.

Und wie ist seine Frau?

Sie kenne ich fast gar nicht, kann also nichts sagen.

Sie ist vielleicht nicht ganz prcisentabel. Wir hatten sie natürlich beide eingeladen,
aber er kam allein und entschuldigte sie kaum. Seine Klinik soll übrigens schon gefüllt
sein. Und haben Sie gehört, daß Fürst Monreal gestern bei ihm vorgefahren ist?

Ich wußte es natürlich nicht, obgleich ich mich entsann, von Röschen Roland
etwas vom Fürsten Monreal gehört zu habe". Aber ich sagte es nicht. Der
Geheime Medizinalrat klagt zwar über Überbürdung, aber einen Fürsten läßt er
sich als Patienten gewiß ungern entgehn. Die Magnifika rauschte davon. Sie
war reizend mit mir, sagte etwas über meine Augen, und daß wir uns lieb haben
wollten, und winkte mir nach, als sie schon auf der Straße war. Ich aber ging
zu meinem Jungen und fand ihn in Tränen. Sein Extemporale war wieder schlecht,
und der Lehrer droht ihm mit Nachhilfestunden.

Morgen will ich diesen Lehrer einmal besuchen.

(Fortsetzung folgt)




Reifezeit

Natürlich müssen Sie kommen, lieber Professor. Ich habe alte Bilder und
Waffen, die zu studieren Ihnen vielleicht Freude machen wird!

Es war ein hübsches Fest. Als ich mitten in der Nacht mit Walter nach
Hause ging, waren wir beide recht befriedigt. Es war alles sehr schön gewesen;
aber es tat mir doch leid, nichts mehr von Doktor Roland gesehen zu haben.




Die Magnifika erkundigte sich schon heute morgen in höchsteigner Person nach
meinen! Befinden.

Es ist Ihnen doch gut bekommen? Sie haben reizend gespielt! Und wie
eigenartig, daß Sie eine Freundin der Fürstin Monreal sind.

Sie setzte sich mir gegenüber und sah mich so fragend an, daß ich natürlich
antworten mußte.

Solche Sachen sind nicht so wunderbar, wie sie wohl zuerst scheinen. Die
Komtesse Rosen und ich trafen uns in einem Pensionat am Genfer See. Sie hat
dann mit mir zusammen meinen Onkel Wilhelm Pankow besucht, der in Luzern
wohnt, und später ist sie auf dem Gut meiner Verwandten gewesen. Seit ihrer
Heirat habe ich allerdings nichts von ihr gesehen.

Der Fürst ist schon zweimal verheiratet gewesen, erzählte setzt mein Besuch.
Mein Mann kennt ihn recht gut von einer Orientreise her und ist dann öfters
von ihm zur Jagd eingeladen worden. Da wir wußten, daß sie augenblicklich in
der Nähe von Bärenburg leben, mußten wir sie einladen. Im übrigen bin ich
nicht für so vornehmen Verkehr. Die Leute sehen doch auf uns herab.

Auf diese Bemerkung erwiderte ich nichts. Ich habe Bodild früher sehr lieb
gehabt und werde sie weiter lieben. Einerlei, ob sie Fürstin ist oder Gräfin. Ich
liebe den treuen, wahrhaftigen, edeln Menschen in ihr. Und aufdrängen werde ich
mich ihr nicht.

Haben Sie länger mit Doktor Roland gesprochen? fragte mich die Magnifika weiter,
und ich hatte auf der Zunge, mich zu erkundigen, ob sie so zu jedem ihrer Gäste ginge,
um sie einer scharfen Prüfung zu unterwerfen. Doch meine artige Natur siegte.

Ich sprach nur kurz mit dem Doktor, wir kennen uns auch von früher her.

Und wie ist seine Frau?

Sie kenne ich fast gar nicht, kann also nichts sagen.

Sie ist vielleicht nicht ganz prcisentabel. Wir hatten sie natürlich beide eingeladen,
aber er kam allein und entschuldigte sie kaum. Seine Klinik soll übrigens schon gefüllt
sein. Und haben Sie gehört, daß Fürst Monreal gestern bei ihm vorgefahren ist?

Ich wußte es natürlich nicht, obgleich ich mich entsann, von Röschen Roland
etwas vom Fürsten Monreal gehört zu habe». Aber ich sagte es nicht. Der
Geheime Medizinalrat klagt zwar über Überbürdung, aber einen Fürsten läßt er
sich als Patienten gewiß ungern entgehn. Die Magnifika rauschte davon. Sie
war reizend mit mir, sagte etwas über meine Augen, und daß wir uns lieb haben
wollten, und winkte mir nach, als sie schon auf der Straße war. Ich aber ging
zu meinem Jungen und fand ihn in Tränen. Sein Extemporale war wieder schlecht,
und der Lehrer droht ihm mit Nachhilfestunden.

Morgen will ich diesen Lehrer einmal besuchen.

(Fortsetzung folgt)




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[0645] Reifezeit Natürlich müssen Sie kommen, lieber Professor. Ich habe alte Bilder und Waffen, die zu studieren Ihnen vielleicht Freude machen wird! Es war ein hübsches Fest. Als ich mitten in der Nacht mit Walter nach Hause ging, waren wir beide recht befriedigt. Es war alles sehr schön gewesen; aber es tat mir doch leid, nichts mehr von Doktor Roland gesehen zu haben. Die Magnifika erkundigte sich schon heute morgen in höchsteigner Person nach meinen! Befinden. Es ist Ihnen doch gut bekommen? Sie haben reizend gespielt! Und wie eigenartig, daß Sie eine Freundin der Fürstin Monreal sind. Sie setzte sich mir gegenüber und sah mich so fragend an, daß ich natürlich antworten mußte. Solche Sachen sind nicht so wunderbar, wie sie wohl zuerst scheinen. Die Komtesse Rosen und ich trafen uns in einem Pensionat am Genfer See. Sie hat dann mit mir zusammen meinen Onkel Wilhelm Pankow besucht, der in Luzern wohnt, und später ist sie auf dem Gut meiner Verwandten gewesen. Seit ihrer Heirat habe ich allerdings nichts von ihr gesehen. Der Fürst ist schon zweimal verheiratet gewesen, erzählte setzt mein Besuch. Mein Mann kennt ihn recht gut von einer Orientreise her und ist dann öfters von ihm zur Jagd eingeladen worden. Da wir wußten, daß sie augenblicklich in der Nähe von Bärenburg leben, mußten wir sie einladen. Im übrigen bin ich nicht für so vornehmen Verkehr. Die Leute sehen doch auf uns herab. Auf diese Bemerkung erwiderte ich nichts. Ich habe Bodild früher sehr lieb gehabt und werde sie weiter lieben. Einerlei, ob sie Fürstin ist oder Gräfin. Ich liebe den treuen, wahrhaftigen, edeln Menschen in ihr. Und aufdrängen werde ich mich ihr nicht. Haben Sie länger mit Doktor Roland gesprochen? fragte mich die Magnifika weiter, und ich hatte auf der Zunge, mich zu erkundigen, ob sie so zu jedem ihrer Gäste ginge, um sie einer scharfen Prüfung zu unterwerfen. Doch meine artige Natur siegte. Ich sprach nur kurz mit dem Doktor, wir kennen uns auch von früher her. Und wie ist seine Frau? Sie kenne ich fast gar nicht, kann also nichts sagen. Sie ist vielleicht nicht ganz prcisentabel. Wir hatten sie natürlich beide eingeladen, aber er kam allein und entschuldigte sie kaum. Seine Klinik soll übrigens schon gefüllt sein. Und haben Sie gehört, daß Fürst Monreal gestern bei ihm vorgefahren ist? Ich wußte es natürlich nicht, obgleich ich mich entsann, von Röschen Roland etwas vom Fürsten Monreal gehört zu habe». Aber ich sagte es nicht. Der Geheime Medizinalrat klagt zwar über Überbürdung, aber einen Fürsten läßt er sich als Patienten gewiß ungern entgehn. Die Magnifika rauschte davon. Sie war reizend mit mir, sagte etwas über meine Augen, und daß wir uns lieb haben wollten, und winkte mir nach, als sie schon auf der Straße war. Ich aber ging zu meinem Jungen und fand ihn in Tränen. Sein Extemporale war wieder schlecht, und der Lehrer droht ihm mit Nachhilfestunden. Morgen will ich diesen Lehrer einmal besuchen. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/645>, abgerufen am 16.05.2024.