Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Der Oarnafsus in Neufiedel Und dann sind Sie der Vater Ihrer Kinder, und dann sind Sie der Herr in Von da an wurde Hilda den ganzen Abend Wenzel Holm nicht los. Der Aber, mein Gott, rief Wenzel Holm, die Hände ringend, was soll ich Vor alle" Dingen, erwiderte Hilda, keine Reden halten, und vor allen Dingen Soll ich wieder in die Fremde ziehn? fragte Holm. Würde Sie das bessern? fragte Hilda zurück. Ihr Haus ist groß genug. Hum! Ja, hum! Als Hilda Abschied genommen hatte, fügte Luzie: Wenzel, ist es nicht doch Nein, bleib, erwiderte Holm, du sollst dein Reich für dich haben, und ich werde Das arme Neusiedler Theater war inzwischen ganz auf den Hund gekommen. Darauf stand das Haus Jahr und Tag leer, da sich die Herren Stadtver¬ Der Oarnafsus in Neufiedel Und dann sind Sie der Vater Ihrer Kinder, und dann sind Sie der Herr in Von da an wurde Hilda den ganzen Abend Wenzel Holm nicht los. Der Aber, mein Gott, rief Wenzel Holm, die Hände ringend, was soll ich Vor alle« Dingen, erwiderte Hilda, keine Reden halten, und vor allen Dingen Soll ich wieder in die Fremde ziehn? fragte Holm. Würde Sie das bessern? fragte Hilda zurück. Ihr Haus ist groß genug. Hum! Ja, hum! Als Hilda Abschied genommen hatte, fügte Luzie: Wenzel, ist es nicht doch Nein, bleib, erwiderte Holm, du sollst dein Reich für dich haben, und ich werde Das arme Neusiedler Theater war inzwischen ganz auf den Hund gekommen. Darauf stand das Haus Jahr und Tag leer, da sich die Herren Stadtver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0567" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312918"/> <fw type="header" place="top"> Der Oarnafsus in Neufiedel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2328" prev="#ID_2327"> Und dann sind Sie der Vater Ihrer Kinder, und dann sind Sie der Herr in<lb/> Ihrem Hause. Ich wüßte nicht, woher Sie zum Dichten Zeit nehmen wollen.<lb/> Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Holm, satteln Sie um, gehen Sie zur<lb/> Lebenskunst über. Das ist mehr wert als Dramen schreiben, die nur für eine be¬<lb/> sondre Sorte von Menschen genießbar sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_2329"> Von da an wurde Hilda den ganzen Abend Wenzel Holm nicht los. Der<lb/> Dichter war wirklich klein geworden. Man hätte darüber lachen können, wenn es<lb/> nicht so ernsthaft gewesen wäre, wie er dieselbe Hilda, der er noch vor Jahresfrist<lb/> seine erhabnen Lehren doziert hatte, als Helferin und Ratgeberin anging. Hilda<lb/> über war keine gütige Fee, die alles schnell ins reine brachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2330"> Aber, mein Gott, rief Wenzel Holm, die Hände ringend, was soll ich<lb/> denn tun?</p><lb/> <p xml:id="ID_2331"> Vor alle« Dingen, erwiderte Hilda, keine Reden halten, und vor allen Dingen<lb/> sich nicht weiß waschen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2332"> Soll ich wieder in die Fremde ziehn? fragte Holm.</p><lb/> <p xml:id="ID_2333"> Würde Sie das bessern? fragte Hilda zurück. Ihr Haus ist groß genug.<lb/> Geben Sie Ihrer Frau mit den Kindern und der Mutter ihr Reich für sich.<lb/> Sie müssen erst noch den Beweis führen, daß Sie sich gebessert haben. Sie müssen<lb/> um Ihre Frau von neuem werben. Die Fäden, die zerrissen sind, lassen sich nicht<lb/> wieder anknüpfen, es müssen neue Fäden gesponnen werden — sagt Philipp.</p><lb/> <p xml:id="ID_2334"> Hum!</p><lb/> <p xml:id="ID_2335"> Ja, hum!</p><lb/> <p xml:id="ID_2336"> Als Hilda Abschied genommen hatte, fügte Luzie: Wenzel, ist es nicht doch<lb/> besser, ich kehre zu den Eltern zurück?</p><lb/> <p xml:id="ID_2337"> Nein, bleib, erwiderte Holm, du sollst dein Reich für dich haben, und ich werde<lb/> "icht eher wieder über deine Schwelle treten, als bis du selbst sagst: Komm.</p><lb/> <p xml:id="ID_2338"> Das arme Neusiedler Theater war inzwischen ganz auf den Hund gekommen.<lb/> Der Direktor Walten, als er sah, daß das Theater gegen die vielen Vereine,<lb/> Konzerte, Operetten und Gesellschaften nicht aufkommen konnte, löste seinen Kontrakt<lb/> und zog ab. Und sein Nachfolger, der so weit hinter Wälder zurückstand wie dieser<lb/> hinter seinem Vorgänger, machte Bankrott. Denn der Besuch seitens des Publikums<lb/> war erbärmlich, und die Leistungen der Schauspieler waren es auch. Und so bildete<lb/> >'es eine verhängnisvolle, in sich zurückkehrende Kette: je geringer die Einnahmen<lb/> waren, desto schlechter wurden die Leistungen, und je schlechter die Leistungen wurde«,<lb/> desto mehr nahm der Theaterbesuch ab. Auf dieser schiefen Ebne war kein Halten.<lb/> Als aber erst die Leistungen unter ein gewisses Niveau gesunken waren, war der<lb/> Zusamwenbrnch nicht mehr aufzuhalten. Das bessere Publikum erklärte, in solch<lb/> Theater nicht gehen zu können, und das geringe Publikum, das immer noch<lb/> "«f seine Kosten kam. konnte das Theater nicht halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2339"> Darauf stand das Haus Jahr und Tag leer, da sich die Herren Stadtver¬<lb/> ordneten nicht entschließen konnten, den Pachtpreis herabzusetzen. Man hatte nämlich<lb/> die Pachteinnahme dazu verwandt, städtische Bedürfnisse zu decken und sich Steuern<lb/> A sparen. Man hätte also die Kommunalsteuer erhöhen müssen, wenn man die<lb/> ^acht herabsetzte. Und das wollte niemand auf sich nehmen. Zwar hatte man<lb/> "och weniger, wenn das Haus leer stand, aber das war kein Grund, der die Über-<lb/> ^ugungstreue der Herren Stadtverordneten hätte wankend machen könne». Es<lb/> ^w in der Stadtverordnetenversammlung zu heftigen Auseinandersetzungen und<lb/> /"'klagen. Es sei, sagten die Unentwegten, genau so gekommen, wie sie es gesagt<lb/> hatten. Erst hätte man große Einnahmen versprochen, und das Ende sei nun, daß<lb/> der Steuerzahler bluten müsse.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0567]
Der Oarnafsus in Neufiedel
Und dann sind Sie der Vater Ihrer Kinder, und dann sind Sie der Herr in
Ihrem Hause. Ich wüßte nicht, woher Sie zum Dichten Zeit nehmen wollen.
Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Holm, satteln Sie um, gehen Sie zur
Lebenskunst über. Das ist mehr wert als Dramen schreiben, die nur für eine be¬
sondre Sorte von Menschen genießbar sind.
Von da an wurde Hilda den ganzen Abend Wenzel Holm nicht los. Der
Dichter war wirklich klein geworden. Man hätte darüber lachen können, wenn es
nicht so ernsthaft gewesen wäre, wie er dieselbe Hilda, der er noch vor Jahresfrist
seine erhabnen Lehren doziert hatte, als Helferin und Ratgeberin anging. Hilda
über war keine gütige Fee, die alles schnell ins reine brachte.
Aber, mein Gott, rief Wenzel Holm, die Hände ringend, was soll ich
denn tun?
Vor alle« Dingen, erwiderte Hilda, keine Reden halten, und vor allen Dingen
sich nicht weiß waschen wollen.
Soll ich wieder in die Fremde ziehn? fragte Holm.
Würde Sie das bessern? fragte Hilda zurück. Ihr Haus ist groß genug.
Geben Sie Ihrer Frau mit den Kindern und der Mutter ihr Reich für sich.
Sie müssen erst noch den Beweis führen, daß Sie sich gebessert haben. Sie müssen
um Ihre Frau von neuem werben. Die Fäden, die zerrissen sind, lassen sich nicht
wieder anknüpfen, es müssen neue Fäden gesponnen werden — sagt Philipp.
Hum!
Ja, hum!
Als Hilda Abschied genommen hatte, fügte Luzie: Wenzel, ist es nicht doch
besser, ich kehre zu den Eltern zurück?
Nein, bleib, erwiderte Holm, du sollst dein Reich für dich haben, und ich werde
"icht eher wieder über deine Schwelle treten, als bis du selbst sagst: Komm.
Das arme Neusiedler Theater war inzwischen ganz auf den Hund gekommen.
Der Direktor Walten, als er sah, daß das Theater gegen die vielen Vereine,
Konzerte, Operetten und Gesellschaften nicht aufkommen konnte, löste seinen Kontrakt
und zog ab. Und sein Nachfolger, der so weit hinter Wälder zurückstand wie dieser
hinter seinem Vorgänger, machte Bankrott. Denn der Besuch seitens des Publikums
war erbärmlich, und die Leistungen der Schauspieler waren es auch. Und so bildete
>'es eine verhängnisvolle, in sich zurückkehrende Kette: je geringer die Einnahmen
waren, desto schlechter wurden die Leistungen, und je schlechter die Leistungen wurde«,
desto mehr nahm der Theaterbesuch ab. Auf dieser schiefen Ebne war kein Halten.
Als aber erst die Leistungen unter ein gewisses Niveau gesunken waren, war der
Zusamwenbrnch nicht mehr aufzuhalten. Das bessere Publikum erklärte, in solch
Theater nicht gehen zu können, und das geringe Publikum, das immer noch
"«f seine Kosten kam. konnte das Theater nicht halten.
Darauf stand das Haus Jahr und Tag leer, da sich die Herren Stadtver¬
ordneten nicht entschließen konnten, den Pachtpreis herabzusetzen. Man hatte nämlich
die Pachteinnahme dazu verwandt, städtische Bedürfnisse zu decken und sich Steuern
A sparen. Man hätte also die Kommunalsteuer erhöhen müssen, wenn man die
^acht herabsetzte. Und das wollte niemand auf sich nehmen. Zwar hatte man
"och weniger, wenn das Haus leer stand, aber das war kein Grund, der die Über-
^ugungstreue der Herren Stadtverordneten hätte wankend machen könne». Es
^w in der Stadtverordnetenversammlung zu heftigen Auseinandersetzungen und
/"'klagen. Es sei, sagten die Unentwegten, genau so gekommen, wie sie es gesagt
hatten. Erst hätte man große Einnahmen versprochen, und das Ende sei nun, daß
der Steuerzahler bluten müsse.
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