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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Erklärung, daß ihr Chefredakteur keine derartige Mitteilung vom Fürsten Bülow
erhalten habe. In Wirklichkeit war das, was als angebliche Äußerung des Generals
von Loebell in den Zeitungen gestanden hatte, keineswegs falsch, sondern nur
ungenau. Tatsache ist folgendes: Als die Verhandlungen in der Finanz¬
kommission des Reichstags nach dem Scheitern des sogenannten "Besitzsteuer¬
kompromisses" im Frühjahr völlig zu versanden drohten, hielt Fürst Bülow die
Zeit für gekommen, die beiden auseinanderfallenden Blockflügel dadurch wieder
zusammenzubringen, daß er die Nachlaßsteuer formell fallen ließ und den Grund¬
gedanken des Aufbaus der Erbschaftssteuer in einer neuen Form aufnahm, die
von vornherein die Zustimmung der Mittelparteien sicherte und den Konservativen
ein Einlenken ermöglichen oder erleichtern sollte. Als nach den Äußerungen
der Presse und einzelner konservativer Organisationen -- zum Beispiel der
sächsischen Konservativen -- dieser Plan Erfolg zu verheißen schien, benutzte Fürst
Bülow eine Gelegenheit, als er verschiedne einflußreiche Mitglieder der konservativen
Reichstagsfraktion bei sich sah, um mit ihnen die Lage zu besprechen. Hierbei ließ
er keinen Zweifel darüber, daß die grundsätzliche Ablehnung auch dieser neuen Vor¬
schläge in der Frage der Erbschaftssteuer ihn außerstand setzen würde, von liberaler
Seite entsprechende Zugeständnisse zur Verständigung zu erlangen, und daß er in
diesem Falle fest entschlossen sei, ans dem Amte zu scheiden. Diese Offenheit,
die von vielen Freunden des Fürsten Bülow schon damals für einen schweren Fehler
gehalten wurde -- zumal weil er damals in der deutlichsten Form zu erkennen gab,
daß er einer Auflösung des Reichstags nicht zustimmen werde --, verfehlte tatsächlich
ihren Zweck vollständig. Fürst Bülow hatte wohl nicht genügend mit der Tntsache
gerechnet, daß er bei einem Teil der Konservativen bereits als politisch toter Mann
galt, ein andrer Teil mit ihm innerlich zerfallen war und sich von einem Kanzler¬
wechsel allerlei in ihrem Sinne versprach. Aber man kannte auch die eigentümliche
Volksstimmung jener Tage und hegte eine unbestimmte Furcht vor einem schnellen
Entschluß der Regierung, an diese Volksstimmung zu appellieren. Hierüber durch
den Fürsten Bülow selbst völlig beruhigt, glaubten nun die einen, die den Rücktritt
des Kanzlers für eine ohnehin beschlossene Sache hielten, weiterer Verantwortung
überhoben zu sein, während die andern, die die Entfernung des Kanzlers wünschten,
jetzt die Erreichung des Ziels ohne besondre Anstrengung vor sich sahen; sie konnten
sich gegen den Vorwurf, gegen die oft betonten Prinzipien der Partei Minister-
stürzerei getrieben zu haben, mit dem einfachen Hinweis verteidigen, daß sie ja nur
bei ihrer Überzeugung geblieben waren. Wieder andre aus der Fraktion mochten
sich die Sache auch wohl noch anders zurechtlegen. Wahrscheinlich kalkulierten viele
folgendermaßen: "Entweder ist Fürst Bülow politisch wirklich schon ein toter Mann,
dann hat es keinen Zweck, seineu Plänen weiter entgegenzukommen -- oder er hat
noch das Vertrauen des Kaisers, dann wird er, schon mit Rücksicht auf die politische
Gesamtlage, seine Rücktrittsdrohung nicht wahrmachen und sich den konservativen
Wünschen anbequemen <Als.s unterwerfen!), da er einerseits auf den Kaiser gestützt,
augenscheinlich noch ganz gern im Amte bleiben und wenigstens nicht mit einem
Mißerfolg von der politischen Bühne abtreten möchte, andrerseits die Konsequenz
der Reichstagsauflösung nicht ziehen will." Wie dem nun auch sein mag, jedenfalls
gelang es Herrn v. Heydebrand, der es sich nicht ausreden ließ, daß Fürst Bülow
eine liberale Ära im Reich und in Preußen eröffnen wolle, im Laufe der folgenden
Zeit auch die Mehrzahl der Fraktionsmitglieder umzustimmen, die anfangs noch bereit
gewesen waren, der Erbanfallsteuer zuzustimmen.

Wie man hieraus sieht, erklärt sich der weitere Verlauf der Dinge zum großen
Teil daraus, daß unter den Konservativen viele unter dem Eindruck standen und
zum Teil sogar der festen Überzeugung waren, daß die Tage der Politischen Wirk¬
samkeit des Kanzlers ohnehin gezählt seien. Das wird bestätigt durch eine in dieser


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Erklärung, daß ihr Chefredakteur keine derartige Mitteilung vom Fürsten Bülow
erhalten habe. In Wirklichkeit war das, was als angebliche Äußerung des Generals
von Loebell in den Zeitungen gestanden hatte, keineswegs falsch, sondern nur
ungenau. Tatsache ist folgendes: Als die Verhandlungen in der Finanz¬
kommission des Reichstags nach dem Scheitern des sogenannten „Besitzsteuer¬
kompromisses" im Frühjahr völlig zu versanden drohten, hielt Fürst Bülow die
Zeit für gekommen, die beiden auseinanderfallenden Blockflügel dadurch wieder
zusammenzubringen, daß er die Nachlaßsteuer formell fallen ließ und den Grund¬
gedanken des Aufbaus der Erbschaftssteuer in einer neuen Form aufnahm, die
von vornherein die Zustimmung der Mittelparteien sicherte und den Konservativen
ein Einlenken ermöglichen oder erleichtern sollte. Als nach den Äußerungen
der Presse und einzelner konservativer Organisationen — zum Beispiel der
sächsischen Konservativen — dieser Plan Erfolg zu verheißen schien, benutzte Fürst
Bülow eine Gelegenheit, als er verschiedne einflußreiche Mitglieder der konservativen
Reichstagsfraktion bei sich sah, um mit ihnen die Lage zu besprechen. Hierbei ließ
er keinen Zweifel darüber, daß die grundsätzliche Ablehnung auch dieser neuen Vor¬
schläge in der Frage der Erbschaftssteuer ihn außerstand setzen würde, von liberaler
Seite entsprechende Zugeständnisse zur Verständigung zu erlangen, und daß er in
diesem Falle fest entschlossen sei, ans dem Amte zu scheiden. Diese Offenheit,
die von vielen Freunden des Fürsten Bülow schon damals für einen schweren Fehler
gehalten wurde — zumal weil er damals in der deutlichsten Form zu erkennen gab,
daß er einer Auflösung des Reichstags nicht zustimmen werde —, verfehlte tatsächlich
ihren Zweck vollständig. Fürst Bülow hatte wohl nicht genügend mit der Tntsache
gerechnet, daß er bei einem Teil der Konservativen bereits als politisch toter Mann
galt, ein andrer Teil mit ihm innerlich zerfallen war und sich von einem Kanzler¬
wechsel allerlei in ihrem Sinne versprach. Aber man kannte auch die eigentümliche
Volksstimmung jener Tage und hegte eine unbestimmte Furcht vor einem schnellen
Entschluß der Regierung, an diese Volksstimmung zu appellieren. Hierüber durch
den Fürsten Bülow selbst völlig beruhigt, glaubten nun die einen, die den Rücktritt
des Kanzlers für eine ohnehin beschlossene Sache hielten, weiterer Verantwortung
überhoben zu sein, während die andern, die die Entfernung des Kanzlers wünschten,
jetzt die Erreichung des Ziels ohne besondre Anstrengung vor sich sahen; sie konnten
sich gegen den Vorwurf, gegen die oft betonten Prinzipien der Partei Minister-
stürzerei getrieben zu haben, mit dem einfachen Hinweis verteidigen, daß sie ja nur
bei ihrer Überzeugung geblieben waren. Wieder andre aus der Fraktion mochten
sich die Sache auch wohl noch anders zurechtlegen. Wahrscheinlich kalkulierten viele
folgendermaßen: „Entweder ist Fürst Bülow politisch wirklich schon ein toter Mann,
dann hat es keinen Zweck, seineu Plänen weiter entgegenzukommen — oder er hat
noch das Vertrauen des Kaisers, dann wird er, schon mit Rücksicht auf die politische
Gesamtlage, seine Rücktrittsdrohung nicht wahrmachen und sich den konservativen
Wünschen anbequemen <Als.s unterwerfen!), da er einerseits auf den Kaiser gestützt,
augenscheinlich noch ganz gern im Amte bleiben und wenigstens nicht mit einem
Mißerfolg von der politischen Bühne abtreten möchte, andrerseits die Konsequenz
der Reichstagsauflösung nicht ziehen will." Wie dem nun auch sein mag, jedenfalls
gelang es Herrn v. Heydebrand, der es sich nicht ausreden ließ, daß Fürst Bülow
eine liberale Ära im Reich und in Preußen eröffnen wolle, im Laufe der folgenden
Zeit auch die Mehrzahl der Fraktionsmitglieder umzustimmen, die anfangs noch bereit
gewesen waren, der Erbanfallsteuer zuzustimmen.

Wie man hieraus sieht, erklärt sich der weitere Verlauf der Dinge zum großen
Teil daraus, daß unter den Konservativen viele unter dem Eindruck standen und
zum Teil sogar der festen Überzeugung waren, daß die Tage der Politischen Wirk¬
samkeit des Kanzlers ohnehin gezählt seien. Das wird bestätigt durch eine in dieser


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[0046] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Erklärung, daß ihr Chefredakteur keine derartige Mitteilung vom Fürsten Bülow erhalten habe. In Wirklichkeit war das, was als angebliche Äußerung des Generals von Loebell in den Zeitungen gestanden hatte, keineswegs falsch, sondern nur ungenau. Tatsache ist folgendes: Als die Verhandlungen in der Finanz¬ kommission des Reichstags nach dem Scheitern des sogenannten „Besitzsteuer¬ kompromisses" im Frühjahr völlig zu versanden drohten, hielt Fürst Bülow die Zeit für gekommen, die beiden auseinanderfallenden Blockflügel dadurch wieder zusammenzubringen, daß er die Nachlaßsteuer formell fallen ließ und den Grund¬ gedanken des Aufbaus der Erbschaftssteuer in einer neuen Form aufnahm, die von vornherein die Zustimmung der Mittelparteien sicherte und den Konservativen ein Einlenken ermöglichen oder erleichtern sollte. Als nach den Äußerungen der Presse und einzelner konservativer Organisationen — zum Beispiel der sächsischen Konservativen — dieser Plan Erfolg zu verheißen schien, benutzte Fürst Bülow eine Gelegenheit, als er verschiedne einflußreiche Mitglieder der konservativen Reichstagsfraktion bei sich sah, um mit ihnen die Lage zu besprechen. Hierbei ließ er keinen Zweifel darüber, daß die grundsätzliche Ablehnung auch dieser neuen Vor¬ schläge in der Frage der Erbschaftssteuer ihn außerstand setzen würde, von liberaler Seite entsprechende Zugeständnisse zur Verständigung zu erlangen, und daß er in diesem Falle fest entschlossen sei, ans dem Amte zu scheiden. Diese Offenheit, die von vielen Freunden des Fürsten Bülow schon damals für einen schweren Fehler gehalten wurde — zumal weil er damals in der deutlichsten Form zu erkennen gab, daß er einer Auflösung des Reichstags nicht zustimmen werde —, verfehlte tatsächlich ihren Zweck vollständig. Fürst Bülow hatte wohl nicht genügend mit der Tntsache gerechnet, daß er bei einem Teil der Konservativen bereits als politisch toter Mann galt, ein andrer Teil mit ihm innerlich zerfallen war und sich von einem Kanzler¬ wechsel allerlei in ihrem Sinne versprach. Aber man kannte auch die eigentümliche Volksstimmung jener Tage und hegte eine unbestimmte Furcht vor einem schnellen Entschluß der Regierung, an diese Volksstimmung zu appellieren. Hierüber durch den Fürsten Bülow selbst völlig beruhigt, glaubten nun die einen, die den Rücktritt des Kanzlers für eine ohnehin beschlossene Sache hielten, weiterer Verantwortung überhoben zu sein, während die andern, die die Entfernung des Kanzlers wünschten, jetzt die Erreichung des Ziels ohne besondre Anstrengung vor sich sahen; sie konnten sich gegen den Vorwurf, gegen die oft betonten Prinzipien der Partei Minister- stürzerei getrieben zu haben, mit dem einfachen Hinweis verteidigen, daß sie ja nur bei ihrer Überzeugung geblieben waren. Wieder andre aus der Fraktion mochten sich die Sache auch wohl noch anders zurechtlegen. Wahrscheinlich kalkulierten viele folgendermaßen: „Entweder ist Fürst Bülow politisch wirklich schon ein toter Mann, dann hat es keinen Zweck, seineu Plänen weiter entgegenzukommen — oder er hat noch das Vertrauen des Kaisers, dann wird er, schon mit Rücksicht auf die politische Gesamtlage, seine Rücktrittsdrohung nicht wahrmachen und sich den konservativen Wünschen anbequemen <Als.s unterwerfen!), da er einerseits auf den Kaiser gestützt, augenscheinlich noch ganz gern im Amte bleiben und wenigstens nicht mit einem Mißerfolg von der politischen Bühne abtreten möchte, andrerseits die Konsequenz der Reichstagsauflösung nicht ziehen will." Wie dem nun auch sein mag, jedenfalls gelang es Herrn v. Heydebrand, der es sich nicht ausreden ließ, daß Fürst Bülow eine liberale Ära im Reich und in Preußen eröffnen wolle, im Laufe der folgenden Zeit auch die Mehrzahl der Fraktionsmitglieder umzustimmen, die anfangs noch bereit gewesen waren, der Erbanfallsteuer zuzustimmen. Wie man hieraus sieht, erklärt sich der weitere Verlauf der Dinge zum großen Teil daraus, daß unter den Konservativen viele unter dem Eindruck standen und zum Teil sogar der festen Überzeugung waren, daß die Tage der Politischen Wirk¬ samkeit des Kanzlers ohnehin gezählt seien. Das wird bestätigt durch eine in dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/46>, abgerufen am 22.05.2024.