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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Woche erschienene Darstellung der Korrespondenz des Bundes der Landwirte, in
der es am Schluß eines Rechtfertigungsversuchs für die Haltung des Bundes zu¬
sammenfassend heißt: "Der Reichskanzler hatte auf Grund der Novembervorgänge
das Vertrauen seines kaiserlichen Herrn verloren, sein Abgang war damals schon
beschlossen. Das ist die Wahrheit!" Nun kann man mit Fug und Recht behaupten,
daß, was hier als Wahrheit hingestellt wird, in Wirklichkeit das gerade Gegenteil,
nämlich eine blanke Unwahrheit ist. Man muß sich fragen: Auf welchem Wege
konnte einer Anzahl ehrenhafter Männer eine so völlig mit den Tatsachen in
Widerspruch stehende Überzeugung beigebracht werden? Daß eine tatsächliche Un¬
wahrheit dieses Inhalts nur auf dem Wege des Hosklatsches zu einer Wahrheit
-umgestempelt werden konnte, ist vollkommen klar. Wer in aller Welt konnte sonst
auch nur mit einem Schein von Glaubwürdigkeit über das Verhältnis des Kaisers
zum Kanzler das vollkommne Gegenteil von dem behaupten, was der Monarch
seinem Kanzler selbst fast täglich bekundete? Das ist so einfach, daß es fast den
Wert eines mathematischen Beweises hat. Das hat vor acht Tagen auch Freiherr
v. Zedlitz und Neukirch, der bekannte Parlamentarier, der eines der erfahrensten
und einflußreichsten Mitglieder der freikonservativen Fraktion des preußischen Abge¬
ordnetenhauses ist, in etwas andrer Form in einem Artikel des "Tags" ausgesprochen.
Dieser Artikel, der die Überschrift "Hinter den Kulissen" trug, wurde in der letzten
Woche der Ausgangspunkt zahlreicher Erörterungen. Herr v. Zedlitz fing sehr vor¬
sichtig an: "Auf die Verständigung zwischen Konservativen und Zentrum über die
Reichsfinanzreform ist hingewirkt worden, indem man führenden Mitgliedern beider
Parteien die Überzeugung beizubringen gesucht hat, daß Fürst Bülow infolge der
Novemberereignisse das Vertrauen des Kaisers unwiederbringlich verloren habe" usw.
Das wird im folgenden näher ausgeführt. Daß unter "führenden Mitgliedern"
uicht die Vorstandsmitglieder der Parteiorganisation, sondern Wortführer und stärker
hervortretende Persönlichkeiten aus den parlamentarischen Fraktionen zu verstehn
sind, ergibt sich aus dem Artikel selbst ganz klar; daß die Einflüsterungen nicht
von wirtlichen Vertrnuensmänuern und berufnen Persönlichkeiten aus der Umgebung
des Kaisers ausgingen und an die Parlamentarier nicht direkt mit der Plumpheit
leicht erkennbarer Absicht herantraten, versteht sich für den Kenner der in Betracht
kommenden Kreise von selbst; daß der Einfluß dieser Minierarbeit nicht überschätzt
werden soll, wird ausdrücklich versichert. Nur daß solche Einflüsse bestanden und
an der Gesamthaltung der konservativen Partei mitgewirkt haben, wird vom Stand-
Punkt eines erfahrnen, gut unterrichteten und scharfen Beobachters behauptet. Und
die Korrespondenz des Bundes der Landwirte hat es ja, wie wir sahen, klipp und
klar bestätigt. Trotzdem hat der leitende, engere Ausschuß des konservativen Partei¬
vorstands, der sogenannte Fünferausschuß, eine feierliche Erklärung gegen Herrn
v. Zedlitz erlassen, dessen Ausführungen "von Anfang bis zu Ende erfunden" sein
sollen. Diese Erklärung ist ein scharfes, schwerkalibriges Geschoß, das aber an
seinem Ziel vorbeigeflogen ist. Zunächst fehlt dem Fünferausschuß die Aktiv¬
legitimation zu seiner Behauptung. Er ist gar nicht in der Lage, dergleichen zu
erklären, es sei denn, daß er für die Mitglieder der parlamentarischen Fraktionen
eine politische Ohrenbeichte über die Quellen ihrer Informationen und die Genesis
ihrer politischen Eindrücke und Überzeugungen einführt. Daß die offizielle Leitung
der Gesamtpartei als direktes Werkzeug höfischer Intrigen den Fürsten Bülow ge¬
stürzt habe, ist eine Vorstellung, die dem Verfasser der Erklärung beim Lesen des
Zedlitzschen Artikels vorgeschwebt zu haben scheint; behauptet hatte es aber Herr
v. Zedlitz nicht. Mit der Zeit wird ja auch wohl dieser Streit zur Ruhe kommen.

In der auswärtigen Politik fängt Marokko an, wieder in den Vordergrund
zu treten. Sultan Muley Hafid hat an die Signatarmttchte der Algecirasakte eine
umfangreiche Note gerichtet worin er -- kurz gesagt -- ihre Intervention gegen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Woche erschienene Darstellung der Korrespondenz des Bundes der Landwirte, in
der es am Schluß eines Rechtfertigungsversuchs für die Haltung des Bundes zu¬
sammenfassend heißt: „Der Reichskanzler hatte auf Grund der Novembervorgänge
das Vertrauen seines kaiserlichen Herrn verloren, sein Abgang war damals schon
beschlossen. Das ist die Wahrheit!" Nun kann man mit Fug und Recht behaupten,
daß, was hier als Wahrheit hingestellt wird, in Wirklichkeit das gerade Gegenteil,
nämlich eine blanke Unwahrheit ist. Man muß sich fragen: Auf welchem Wege
konnte einer Anzahl ehrenhafter Männer eine so völlig mit den Tatsachen in
Widerspruch stehende Überzeugung beigebracht werden? Daß eine tatsächliche Un¬
wahrheit dieses Inhalts nur auf dem Wege des Hosklatsches zu einer Wahrheit
-umgestempelt werden konnte, ist vollkommen klar. Wer in aller Welt konnte sonst
auch nur mit einem Schein von Glaubwürdigkeit über das Verhältnis des Kaisers
zum Kanzler das vollkommne Gegenteil von dem behaupten, was der Monarch
seinem Kanzler selbst fast täglich bekundete? Das ist so einfach, daß es fast den
Wert eines mathematischen Beweises hat. Das hat vor acht Tagen auch Freiherr
v. Zedlitz und Neukirch, der bekannte Parlamentarier, der eines der erfahrensten
und einflußreichsten Mitglieder der freikonservativen Fraktion des preußischen Abge¬
ordnetenhauses ist, in etwas andrer Form in einem Artikel des „Tags" ausgesprochen.
Dieser Artikel, der die Überschrift „Hinter den Kulissen" trug, wurde in der letzten
Woche der Ausgangspunkt zahlreicher Erörterungen. Herr v. Zedlitz fing sehr vor¬
sichtig an: „Auf die Verständigung zwischen Konservativen und Zentrum über die
Reichsfinanzreform ist hingewirkt worden, indem man führenden Mitgliedern beider
Parteien die Überzeugung beizubringen gesucht hat, daß Fürst Bülow infolge der
Novemberereignisse das Vertrauen des Kaisers unwiederbringlich verloren habe" usw.
Das wird im folgenden näher ausgeführt. Daß unter „führenden Mitgliedern"
uicht die Vorstandsmitglieder der Parteiorganisation, sondern Wortführer und stärker
hervortretende Persönlichkeiten aus den parlamentarischen Fraktionen zu verstehn
sind, ergibt sich aus dem Artikel selbst ganz klar; daß die Einflüsterungen nicht
von wirtlichen Vertrnuensmänuern und berufnen Persönlichkeiten aus der Umgebung
des Kaisers ausgingen und an die Parlamentarier nicht direkt mit der Plumpheit
leicht erkennbarer Absicht herantraten, versteht sich für den Kenner der in Betracht
kommenden Kreise von selbst; daß der Einfluß dieser Minierarbeit nicht überschätzt
werden soll, wird ausdrücklich versichert. Nur daß solche Einflüsse bestanden und
an der Gesamthaltung der konservativen Partei mitgewirkt haben, wird vom Stand-
Punkt eines erfahrnen, gut unterrichteten und scharfen Beobachters behauptet. Und
die Korrespondenz des Bundes der Landwirte hat es ja, wie wir sahen, klipp und
klar bestätigt. Trotzdem hat der leitende, engere Ausschuß des konservativen Partei¬
vorstands, der sogenannte Fünferausschuß, eine feierliche Erklärung gegen Herrn
v. Zedlitz erlassen, dessen Ausführungen „von Anfang bis zu Ende erfunden" sein
sollen. Diese Erklärung ist ein scharfes, schwerkalibriges Geschoß, das aber an
seinem Ziel vorbeigeflogen ist. Zunächst fehlt dem Fünferausschuß die Aktiv¬
legitimation zu seiner Behauptung. Er ist gar nicht in der Lage, dergleichen zu
erklären, es sei denn, daß er für die Mitglieder der parlamentarischen Fraktionen
eine politische Ohrenbeichte über die Quellen ihrer Informationen und die Genesis
ihrer politischen Eindrücke und Überzeugungen einführt. Daß die offizielle Leitung
der Gesamtpartei als direktes Werkzeug höfischer Intrigen den Fürsten Bülow ge¬
stürzt habe, ist eine Vorstellung, die dem Verfasser der Erklärung beim Lesen des
Zedlitzschen Artikels vorgeschwebt zu haben scheint; behauptet hatte es aber Herr
v. Zedlitz nicht. Mit der Zeit wird ja auch wohl dieser Streit zur Ruhe kommen.

In der auswärtigen Politik fängt Marokko an, wieder in den Vordergrund
zu treten. Sultan Muley Hafid hat an die Signatarmttchte der Algecirasakte eine
umfangreiche Note gerichtet worin er — kurz gesagt — ihre Intervention gegen


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[0047] Maßgebliches und Unmaßgebliches Woche erschienene Darstellung der Korrespondenz des Bundes der Landwirte, in der es am Schluß eines Rechtfertigungsversuchs für die Haltung des Bundes zu¬ sammenfassend heißt: „Der Reichskanzler hatte auf Grund der Novembervorgänge das Vertrauen seines kaiserlichen Herrn verloren, sein Abgang war damals schon beschlossen. Das ist die Wahrheit!" Nun kann man mit Fug und Recht behaupten, daß, was hier als Wahrheit hingestellt wird, in Wirklichkeit das gerade Gegenteil, nämlich eine blanke Unwahrheit ist. Man muß sich fragen: Auf welchem Wege konnte einer Anzahl ehrenhafter Männer eine so völlig mit den Tatsachen in Widerspruch stehende Überzeugung beigebracht werden? Daß eine tatsächliche Un¬ wahrheit dieses Inhalts nur auf dem Wege des Hosklatsches zu einer Wahrheit -umgestempelt werden konnte, ist vollkommen klar. Wer in aller Welt konnte sonst auch nur mit einem Schein von Glaubwürdigkeit über das Verhältnis des Kaisers zum Kanzler das vollkommne Gegenteil von dem behaupten, was der Monarch seinem Kanzler selbst fast täglich bekundete? Das ist so einfach, daß es fast den Wert eines mathematischen Beweises hat. Das hat vor acht Tagen auch Freiherr v. Zedlitz und Neukirch, der bekannte Parlamentarier, der eines der erfahrensten und einflußreichsten Mitglieder der freikonservativen Fraktion des preußischen Abge¬ ordnetenhauses ist, in etwas andrer Form in einem Artikel des „Tags" ausgesprochen. Dieser Artikel, der die Überschrift „Hinter den Kulissen" trug, wurde in der letzten Woche der Ausgangspunkt zahlreicher Erörterungen. Herr v. Zedlitz fing sehr vor¬ sichtig an: „Auf die Verständigung zwischen Konservativen und Zentrum über die Reichsfinanzreform ist hingewirkt worden, indem man führenden Mitgliedern beider Parteien die Überzeugung beizubringen gesucht hat, daß Fürst Bülow infolge der Novemberereignisse das Vertrauen des Kaisers unwiederbringlich verloren habe" usw. Das wird im folgenden näher ausgeführt. Daß unter „führenden Mitgliedern" uicht die Vorstandsmitglieder der Parteiorganisation, sondern Wortführer und stärker hervortretende Persönlichkeiten aus den parlamentarischen Fraktionen zu verstehn sind, ergibt sich aus dem Artikel selbst ganz klar; daß die Einflüsterungen nicht von wirtlichen Vertrnuensmänuern und berufnen Persönlichkeiten aus der Umgebung des Kaisers ausgingen und an die Parlamentarier nicht direkt mit der Plumpheit leicht erkennbarer Absicht herantraten, versteht sich für den Kenner der in Betracht kommenden Kreise von selbst; daß der Einfluß dieser Minierarbeit nicht überschätzt werden soll, wird ausdrücklich versichert. Nur daß solche Einflüsse bestanden und an der Gesamthaltung der konservativen Partei mitgewirkt haben, wird vom Stand- Punkt eines erfahrnen, gut unterrichteten und scharfen Beobachters behauptet. Und die Korrespondenz des Bundes der Landwirte hat es ja, wie wir sahen, klipp und klar bestätigt. Trotzdem hat der leitende, engere Ausschuß des konservativen Partei¬ vorstands, der sogenannte Fünferausschuß, eine feierliche Erklärung gegen Herrn v. Zedlitz erlassen, dessen Ausführungen „von Anfang bis zu Ende erfunden" sein sollen. Diese Erklärung ist ein scharfes, schwerkalibriges Geschoß, das aber an seinem Ziel vorbeigeflogen ist. Zunächst fehlt dem Fünferausschuß die Aktiv¬ legitimation zu seiner Behauptung. Er ist gar nicht in der Lage, dergleichen zu erklären, es sei denn, daß er für die Mitglieder der parlamentarischen Fraktionen eine politische Ohrenbeichte über die Quellen ihrer Informationen und die Genesis ihrer politischen Eindrücke und Überzeugungen einführt. Daß die offizielle Leitung der Gesamtpartei als direktes Werkzeug höfischer Intrigen den Fürsten Bülow ge¬ stürzt habe, ist eine Vorstellung, die dem Verfasser der Erklärung beim Lesen des Zedlitzschen Artikels vorgeschwebt zu haben scheint; behauptet hatte es aber Herr v. Zedlitz nicht. Mit der Zeit wird ja auch wohl dieser Streit zur Ruhe kommen. In der auswärtigen Politik fängt Marokko an, wieder in den Vordergrund zu treten. Sultan Muley Hafid hat an die Signatarmttchte der Algecirasakte eine umfangreiche Note gerichtet worin er — kurz gesagt — ihre Intervention gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/47>, abgerufen am 16.06.2024.