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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Zielen zu zeigen. Und wir wollen hoffen, daß die offenbare Abneigung des neuen
Reichskanzlers gegen weitumfassende Auseinandersetzungen und rednerische Kunst¬
stücke ihn nicht hindern wird, doch mit der Zeit dem Reichstag und der Öffent¬
lichkeit das Bild einer festumrissenen Persönlichkeit zur Anschauung zu bringen, wie
es sich schon aus seinem vergangnen Wirken herauszuheben schien, und wie es jeden¬
falls das Amt des Kanzlers in erhöhtem Maße fordert. Man muß sich übrigens
besonders hüten, in dieser Frage zu schnell zu urteilen und den unbefangnen Blick
zu verlieren. Wir hoben schon neulich hervor, daß Herr v. Bethmann Hollweg den
strengkonservativen Anschauungen, denen der konservative Parteitag eine neue Festi¬
gung gebracht hat, und die in dem häufigen Zusammengehn mit dem Zentrum nichts
Bedenkliches finden, sicherlich um ein gutes Stück nähersteht als sein Vorgänger.
Es ist nur zu natürlich, daß der ehemalige Verwaltungsbeamte seine politischen
Anschauungen unter ganz andern Eindrücken und Einflüssen gebildet hat als der
Diplomat, der seine politische Lehrzeit in den großen Zentren der europäischen
Politik durchmachte. Aber man darf in diesen Folgerungen nicht zu weit gehn.
Konservative und Zentrum schmieden jetzt das Eisen, solange es heiß ist; ihre
Presse unterstreicht jeden Eindruck, der dahin gedeutet werden kann, daß der neue
Kanzler ihr Mann ist. Alles, was Herr von Bethmann Hollweg zufällig anders
macht als Fürst Bülow, wird liebevoll hervorgehoben, nicht ohne kleine gering¬
schätzige Ausfälle gegen diesen, und andrerseits verwischt man nach Möglichkeit
den Eindruck der Tatsache, daß sich die Führer der Liberalen wohl gehütet haben,
eine grundsätzlich oppositionelle Rolle gegen die neue Regierung aufzunehmen.
Demgegenüber hat Herr v. Bethmann Hollweg zweifellos ein Recht, so genommen
zu werden, wie er sich selber gibt, nicht wie er zu Parteizwecken gemalt wird.
Seine Weigerung, in die gegenwärtige schwierige Lage mit einem die Geister so
oder so scheidenden Programm hineinzuspringen, braucht nicht notwendig auf eine
grundsätzliche oder dauernde Neigung zu bureaukratischen Methoden oder gar zum
"Fortwursteln" zurückgeführt zu werden. Mit andern Worten, es besteht nicht die
geringste Notwendigkeit, alles, was der Kanzler im Augenblick für richtig gehalten
hat, als die Signatur seines gesamten künftigen Wirkens zu betrachten.

Von besonderm Interesse war in diesen Tagen auch das erste Auftreten des
frühern Preußischen Handelsministers Delbrück in seiner neuen Eigenschaft als
Staatssekretär des Innern, also als Nachfolger des jetzigen Reichskanzlers in seinem
bisherigen Amte. Die Jnterpellation wegen des Arbeitsnachweises, der von dem
Zechenverband im Ruhrkohlengebiet eingerichtet worden ist und einen erbitterten
Ansturm der Sozialdemokratie sowie auch der andern Arbeitervertretungen hervor¬
gerufen hat, gab den Anlaß dazu. Der Staatssekretär hatte die Forderung, sich
von Reichs wegen für einen paritätischen Arbeitsnachweis einzusetzen, abgelehnt.
Nun wurde er auf dem Wege der Jnterpellation heftig angegriffen, und besonders
Friedrich Naumann bot seine ganze faszinierende, auf diesem Gehecke besonders
wirksame Beredsamkeit auf, um den Groll und die Enttäuschung zu malen, die
diese vermeintliche Rückständigkeit der Verantwortlicher Stelle für die Sozialpolitik
des Reiches hervorgerufen hatte. Staatssekretär Delbrück zeigte sich dieser Lage
durchaus gewachsen. Er begegnete dem Sturm mit der größten Ruhe und Sicher¬
heit und führte den eindringlichen Nachweis, daß es sich von seiner Seite keines¬
wegs um Gegnerschaft gegen den paritätischen Arbeitsnachweis handelte, daß aber
die Verhältnisse noch nicht reif seien, um ohne schwere wirtschaftliche Schäden und
ohne Ungerechtigkeit diese Einrichtung durchzuführen. Die Koalitionsfreiheit bestehe
nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber; das müsse der
Staat respektieren, und erst wenn auf beiden Seiten das Verständnis für die Gemein¬
samkeit der Interessen gereift sei. werde die Zeit gekommen sein, wo der paritätische
Arbeitsnachweis mit wirklichem Nutzen für die Arbeiter eingeführt werden könne.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Zielen zu zeigen. Und wir wollen hoffen, daß die offenbare Abneigung des neuen
Reichskanzlers gegen weitumfassende Auseinandersetzungen und rednerische Kunst¬
stücke ihn nicht hindern wird, doch mit der Zeit dem Reichstag und der Öffent¬
lichkeit das Bild einer festumrissenen Persönlichkeit zur Anschauung zu bringen, wie
es sich schon aus seinem vergangnen Wirken herauszuheben schien, und wie es jeden¬
falls das Amt des Kanzlers in erhöhtem Maße fordert. Man muß sich übrigens
besonders hüten, in dieser Frage zu schnell zu urteilen und den unbefangnen Blick
zu verlieren. Wir hoben schon neulich hervor, daß Herr v. Bethmann Hollweg den
strengkonservativen Anschauungen, denen der konservative Parteitag eine neue Festi¬
gung gebracht hat, und die in dem häufigen Zusammengehn mit dem Zentrum nichts
Bedenkliches finden, sicherlich um ein gutes Stück nähersteht als sein Vorgänger.
Es ist nur zu natürlich, daß der ehemalige Verwaltungsbeamte seine politischen
Anschauungen unter ganz andern Eindrücken und Einflüssen gebildet hat als der
Diplomat, der seine politische Lehrzeit in den großen Zentren der europäischen
Politik durchmachte. Aber man darf in diesen Folgerungen nicht zu weit gehn.
Konservative und Zentrum schmieden jetzt das Eisen, solange es heiß ist; ihre
Presse unterstreicht jeden Eindruck, der dahin gedeutet werden kann, daß der neue
Kanzler ihr Mann ist. Alles, was Herr von Bethmann Hollweg zufällig anders
macht als Fürst Bülow, wird liebevoll hervorgehoben, nicht ohne kleine gering¬
schätzige Ausfälle gegen diesen, und andrerseits verwischt man nach Möglichkeit
den Eindruck der Tatsache, daß sich die Führer der Liberalen wohl gehütet haben,
eine grundsätzlich oppositionelle Rolle gegen die neue Regierung aufzunehmen.
Demgegenüber hat Herr v. Bethmann Hollweg zweifellos ein Recht, so genommen
zu werden, wie er sich selber gibt, nicht wie er zu Parteizwecken gemalt wird.
Seine Weigerung, in die gegenwärtige schwierige Lage mit einem die Geister so
oder so scheidenden Programm hineinzuspringen, braucht nicht notwendig auf eine
grundsätzliche oder dauernde Neigung zu bureaukratischen Methoden oder gar zum
„Fortwursteln" zurückgeführt zu werden. Mit andern Worten, es besteht nicht die
geringste Notwendigkeit, alles, was der Kanzler im Augenblick für richtig gehalten
hat, als die Signatur seines gesamten künftigen Wirkens zu betrachten.

Von besonderm Interesse war in diesen Tagen auch das erste Auftreten des
frühern Preußischen Handelsministers Delbrück in seiner neuen Eigenschaft als
Staatssekretär des Innern, also als Nachfolger des jetzigen Reichskanzlers in seinem
bisherigen Amte. Die Jnterpellation wegen des Arbeitsnachweises, der von dem
Zechenverband im Ruhrkohlengebiet eingerichtet worden ist und einen erbitterten
Ansturm der Sozialdemokratie sowie auch der andern Arbeitervertretungen hervor¬
gerufen hat, gab den Anlaß dazu. Der Staatssekretär hatte die Forderung, sich
von Reichs wegen für einen paritätischen Arbeitsnachweis einzusetzen, abgelehnt.
Nun wurde er auf dem Wege der Jnterpellation heftig angegriffen, und besonders
Friedrich Naumann bot seine ganze faszinierende, auf diesem Gehecke besonders
wirksame Beredsamkeit auf, um den Groll und die Enttäuschung zu malen, die
diese vermeintliche Rückständigkeit der Verantwortlicher Stelle für die Sozialpolitik
des Reiches hervorgerufen hatte. Staatssekretär Delbrück zeigte sich dieser Lage
durchaus gewachsen. Er begegnete dem Sturm mit der größten Ruhe und Sicher¬
heit und führte den eindringlichen Nachweis, daß es sich von seiner Seite keines¬
wegs um Gegnerschaft gegen den paritätischen Arbeitsnachweis handelte, daß aber
die Verhältnisse noch nicht reif seien, um ohne schwere wirtschaftliche Schäden und
ohne Ungerechtigkeit diese Einrichtung durchzuführen. Die Koalitionsfreiheit bestehe
nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber; das müsse der
Staat respektieren, und erst wenn auf beiden Seiten das Verständnis für die Gemein¬
samkeit der Interessen gereift sei. werde die Zeit gekommen sein, wo der paritätische
Arbeitsnachweis mit wirklichem Nutzen für die Arbeiter eingeführt werden könne.


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[0630] Maßgebliches und Unmaßgebliches Zielen zu zeigen. Und wir wollen hoffen, daß die offenbare Abneigung des neuen Reichskanzlers gegen weitumfassende Auseinandersetzungen und rednerische Kunst¬ stücke ihn nicht hindern wird, doch mit der Zeit dem Reichstag und der Öffent¬ lichkeit das Bild einer festumrissenen Persönlichkeit zur Anschauung zu bringen, wie es sich schon aus seinem vergangnen Wirken herauszuheben schien, und wie es jeden¬ falls das Amt des Kanzlers in erhöhtem Maße fordert. Man muß sich übrigens besonders hüten, in dieser Frage zu schnell zu urteilen und den unbefangnen Blick zu verlieren. Wir hoben schon neulich hervor, daß Herr v. Bethmann Hollweg den strengkonservativen Anschauungen, denen der konservative Parteitag eine neue Festi¬ gung gebracht hat, und die in dem häufigen Zusammengehn mit dem Zentrum nichts Bedenkliches finden, sicherlich um ein gutes Stück nähersteht als sein Vorgänger. Es ist nur zu natürlich, daß der ehemalige Verwaltungsbeamte seine politischen Anschauungen unter ganz andern Eindrücken und Einflüssen gebildet hat als der Diplomat, der seine politische Lehrzeit in den großen Zentren der europäischen Politik durchmachte. Aber man darf in diesen Folgerungen nicht zu weit gehn. Konservative und Zentrum schmieden jetzt das Eisen, solange es heiß ist; ihre Presse unterstreicht jeden Eindruck, der dahin gedeutet werden kann, daß der neue Kanzler ihr Mann ist. Alles, was Herr von Bethmann Hollweg zufällig anders macht als Fürst Bülow, wird liebevoll hervorgehoben, nicht ohne kleine gering¬ schätzige Ausfälle gegen diesen, und andrerseits verwischt man nach Möglichkeit den Eindruck der Tatsache, daß sich die Führer der Liberalen wohl gehütet haben, eine grundsätzlich oppositionelle Rolle gegen die neue Regierung aufzunehmen. Demgegenüber hat Herr v. Bethmann Hollweg zweifellos ein Recht, so genommen zu werden, wie er sich selber gibt, nicht wie er zu Parteizwecken gemalt wird. Seine Weigerung, in die gegenwärtige schwierige Lage mit einem die Geister so oder so scheidenden Programm hineinzuspringen, braucht nicht notwendig auf eine grundsätzliche oder dauernde Neigung zu bureaukratischen Methoden oder gar zum „Fortwursteln" zurückgeführt zu werden. Mit andern Worten, es besteht nicht die geringste Notwendigkeit, alles, was der Kanzler im Augenblick für richtig gehalten hat, als die Signatur seines gesamten künftigen Wirkens zu betrachten. Von besonderm Interesse war in diesen Tagen auch das erste Auftreten des frühern Preußischen Handelsministers Delbrück in seiner neuen Eigenschaft als Staatssekretär des Innern, also als Nachfolger des jetzigen Reichskanzlers in seinem bisherigen Amte. Die Jnterpellation wegen des Arbeitsnachweises, der von dem Zechenverband im Ruhrkohlengebiet eingerichtet worden ist und einen erbitterten Ansturm der Sozialdemokratie sowie auch der andern Arbeitervertretungen hervor¬ gerufen hat, gab den Anlaß dazu. Der Staatssekretär hatte die Forderung, sich von Reichs wegen für einen paritätischen Arbeitsnachweis einzusetzen, abgelehnt. Nun wurde er auf dem Wege der Jnterpellation heftig angegriffen, und besonders Friedrich Naumann bot seine ganze faszinierende, auf diesem Gehecke besonders wirksame Beredsamkeit auf, um den Groll und die Enttäuschung zu malen, die diese vermeintliche Rückständigkeit der Verantwortlicher Stelle für die Sozialpolitik des Reiches hervorgerufen hatte. Staatssekretär Delbrück zeigte sich dieser Lage durchaus gewachsen. Er begegnete dem Sturm mit der größten Ruhe und Sicher¬ heit und führte den eindringlichen Nachweis, daß es sich von seiner Seite keines¬ wegs um Gegnerschaft gegen den paritätischen Arbeitsnachweis handelte, daß aber die Verhältnisse noch nicht reif seien, um ohne schwere wirtschaftliche Schäden und ohne Ungerechtigkeit diese Einrichtung durchzuführen. Die Koalitionsfreiheit bestehe nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber; das müsse der Staat respektieren, und erst wenn auf beiden Seiten das Verständnis für die Gemein¬ samkeit der Interessen gereift sei. werde die Zeit gekommen sein, wo der paritätische Arbeitsnachweis mit wirklichem Nutzen für die Arbeiter eingeführt werden könne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/630>, abgerufen am 22.05.2024.