Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neuere Uolonialxolitik

Krieges der Ansiedlungskommission Dr. Paul Rohrbach zusammen mit nam¬
haften Ansiedlern geleistet hatte, bis zu einem gewissen Grade stützen konnte.
Um einen Plan für die Selbstverwaltung des Landes auszuarbeiten, wurde
nun von der Regierung ein geschulter Fachmann hinübergesandt, der Bürger¬
meister Dr. Külz. Es war für diesen gewiß nicht leicht, die vielfach wider¬
streitenden Interessen der Regierung und der Bevölkerung unter einen Hut zu
bringen, aber schließlich gelang es doch -- wenigstens scheinbar. Doch als
Dr. Külz fort war und sein Plan verwirklicht werden sollte, ging der Streit
von neuen: los. Der Regierung ging der Grad von Selbstbestimmung, den
l)r. Külz als Grundlage vorgesehen hatte, zu weit und die Bevölkerung wollte
sich mit weniger nicht zufrieden geben, um so mehr als sie nach der Haltung
Dernburgs während seines Besuchs in der Kolonie befürchtete, daß es der
Negierung mit der organischen Durchführung des von ihrem Vertreter Dr. Külz
ausgearbeiteten Planes nicht recht Ernst sei.

Dieses Mißtrauen erhielt Nahrung durch die Dernburgsche Diamanten¬
politik. Man war drüben der Ansicht, daß es sich hier um eine ureigene
Angelegenheit des Landes handle, deren Entscheidung so lange hintangehalten
werden müßte, bis der als Hauptorgan der Selbstverwaltung vorgesehene
Landesrat in der Lage sei, entscheidend mit zuwirken. Wäre nicht die
Diamantenangelegenheit hindernd dazwischen getreten, würde vielleicht die Ein¬
richtung der Selbstverwaltung auch in erheblich beschränkter Form glatt vor
sich gegangen sein, aber die auri 8aera fame8, der Streit um die Diamanten¬
felder, hatte die politischen Leidenschaften entfacht. Wenn trotzdem schließlich
eine Einigung erzielt und die Organe der Selbstverwaltung unter Kompromissen
von beiden Seiten ins Leben treten konnten, so zeugt dies von der politischen
Reife der maßgebenden Persönlichkeiten in den Ansiedlerkreisen, die beizeiten
abzuwiegeln vermochten. Natürlich wurde anfangs auch vielfach übers Ziel
hinausgeschossen, aber das war angesichts der Werte, die auf dem Spiele
standen, einigermaßen verständlich. Den: Eingreifen des Schöpfers der Selbst¬
verwaltung, Dr. Külz, ist die Einigung nicht zum wenigsten zu danken. Er
hat nicht nur in Wort und Schrift zum Frieden gemahnt, sondern in seinem
gerade zur rechten Zeit, vor Jahresfrist, erschienenen Buch*) den Politikern,
der Kolonie ein wohldurchdachtes und von weitblickendem Geist erfülltes Vademekum
in die Hand gegeben, das ihnen gezeigt haben dürfte, daß in der Entwickelung
des Landes doch noch alles so kommen wird, wie es kommen muß; auch
in der Diamantenfrage.

Der Landesrat ist inzwischen zusammengetreten. Noch ist er nicht um den
Diamantenstreit befragt worden. Aber was nicht ist, kann noch werden. Nach¬
dem der Vertrag mit der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika unter



") Dr. Wilhelm Külz: Deutsch-Südafrika im 25. Jahre Deutscher Schutz-
Herrschaft. Skizzen und Beiträge zur Geschichte Deutsch-Südafrikas. Berlin. Verlag von
Wilhelm Süßerott.
Die neuere Uolonialxolitik

Krieges der Ansiedlungskommission Dr. Paul Rohrbach zusammen mit nam¬
haften Ansiedlern geleistet hatte, bis zu einem gewissen Grade stützen konnte.
Um einen Plan für die Selbstverwaltung des Landes auszuarbeiten, wurde
nun von der Regierung ein geschulter Fachmann hinübergesandt, der Bürger¬
meister Dr. Külz. Es war für diesen gewiß nicht leicht, die vielfach wider¬
streitenden Interessen der Regierung und der Bevölkerung unter einen Hut zu
bringen, aber schließlich gelang es doch — wenigstens scheinbar. Doch als
Dr. Külz fort war und sein Plan verwirklicht werden sollte, ging der Streit
von neuen: los. Der Regierung ging der Grad von Selbstbestimmung, den
l)r. Külz als Grundlage vorgesehen hatte, zu weit und die Bevölkerung wollte
sich mit weniger nicht zufrieden geben, um so mehr als sie nach der Haltung
Dernburgs während seines Besuchs in der Kolonie befürchtete, daß es der
Negierung mit der organischen Durchführung des von ihrem Vertreter Dr. Külz
ausgearbeiteten Planes nicht recht Ernst sei.

Dieses Mißtrauen erhielt Nahrung durch die Dernburgsche Diamanten¬
politik. Man war drüben der Ansicht, daß es sich hier um eine ureigene
Angelegenheit des Landes handle, deren Entscheidung so lange hintangehalten
werden müßte, bis der als Hauptorgan der Selbstverwaltung vorgesehene
Landesrat in der Lage sei, entscheidend mit zuwirken. Wäre nicht die
Diamantenangelegenheit hindernd dazwischen getreten, würde vielleicht die Ein¬
richtung der Selbstverwaltung auch in erheblich beschränkter Form glatt vor
sich gegangen sein, aber die auri 8aera fame8, der Streit um die Diamanten¬
felder, hatte die politischen Leidenschaften entfacht. Wenn trotzdem schließlich
eine Einigung erzielt und die Organe der Selbstverwaltung unter Kompromissen
von beiden Seiten ins Leben treten konnten, so zeugt dies von der politischen
Reife der maßgebenden Persönlichkeiten in den Ansiedlerkreisen, die beizeiten
abzuwiegeln vermochten. Natürlich wurde anfangs auch vielfach übers Ziel
hinausgeschossen, aber das war angesichts der Werte, die auf dem Spiele
standen, einigermaßen verständlich. Den: Eingreifen des Schöpfers der Selbst¬
verwaltung, Dr. Külz, ist die Einigung nicht zum wenigsten zu danken. Er
hat nicht nur in Wort und Schrift zum Frieden gemahnt, sondern in seinem
gerade zur rechten Zeit, vor Jahresfrist, erschienenen Buch*) den Politikern,
der Kolonie ein wohldurchdachtes und von weitblickendem Geist erfülltes Vademekum
in die Hand gegeben, das ihnen gezeigt haben dürfte, daß in der Entwickelung
des Landes doch noch alles so kommen wird, wie es kommen muß; auch
in der Diamantenfrage.

Der Landesrat ist inzwischen zusammengetreten. Noch ist er nicht um den
Diamantenstreit befragt worden. Aber was nicht ist, kann noch werden. Nach¬
dem der Vertrag mit der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika unter



") Dr. Wilhelm Külz: Deutsch-Südafrika im 25. Jahre Deutscher Schutz-
Herrschaft. Skizzen und Beiträge zur Geschichte Deutsch-Südafrikas. Berlin. Verlag von
Wilhelm Süßerott.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315750"/>
          <fw type="header" place="top"> Die neuere Uolonialxolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_604" prev="#ID_603"> Krieges der Ansiedlungskommission Dr. Paul Rohrbach zusammen mit nam¬<lb/>
haften Ansiedlern geleistet hatte, bis zu einem gewissen Grade stützen konnte.<lb/>
Um einen Plan für die Selbstverwaltung des Landes auszuarbeiten, wurde<lb/>
nun von der Regierung ein geschulter Fachmann hinübergesandt, der Bürger¬<lb/>
meister Dr. Külz. Es war für diesen gewiß nicht leicht, die vielfach wider¬<lb/>
streitenden Interessen der Regierung und der Bevölkerung unter einen Hut zu<lb/>
bringen, aber schließlich gelang es doch &#x2014; wenigstens scheinbar. Doch als<lb/>
Dr. Külz fort war und sein Plan verwirklicht werden sollte, ging der Streit<lb/>
von neuen: los. Der Regierung ging der Grad von Selbstbestimmung, den<lb/>
l)r. Külz als Grundlage vorgesehen hatte, zu weit und die Bevölkerung wollte<lb/>
sich mit weniger nicht zufrieden geben, um so mehr als sie nach der Haltung<lb/>
Dernburgs während seines Besuchs in der Kolonie befürchtete, daß es der<lb/>
Negierung mit der organischen Durchführung des von ihrem Vertreter Dr. Külz<lb/>
ausgearbeiteten Planes nicht recht Ernst sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_605"> Dieses Mißtrauen erhielt Nahrung durch die Dernburgsche Diamanten¬<lb/>
politik. Man war drüben der Ansicht, daß es sich hier um eine ureigene<lb/>
Angelegenheit des Landes handle, deren Entscheidung so lange hintangehalten<lb/>
werden müßte, bis der als Hauptorgan der Selbstverwaltung vorgesehene<lb/>
Landesrat in der Lage sei, entscheidend mit zuwirken. Wäre nicht die<lb/>
Diamantenangelegenheit hindernd dazwischen getreten, würde vielleicht die Ein¬<lb/>
richtung der Selbstverwaltung auch in erheblich beschränkter Form glatt vor<lb/>
sich gegangen sein, aber die auri 8aera fame8, der Streit um die Diamanten¬<lb/>
felder, hatte die politischen Leidenschaften entfacht. Wenn trotzdem schließlich<lb/>
eine Einigung erzielt und die Organe der Selbstverwaltung unter Kompromissen<lb/>
von beiden Seiten ins Leben treten konnten, so zeugt dies von der politischen<lb/>
Reife der maßgebenden Persönlichkeiten in den Ansiedlerkreisen, die beizeiten<lb/>
abzuwiegeln vermochten. Natürlich wurde anfangs auch vielfach übers Ziel<lb/>
hinausgeschossen, aber das war angesichts der Werte, die auf dem Spiele<lb/>
standen, einigermaßen verständlich. Den: Eingreifen des Schöpfers der Selbst¬<lb/>
verwaltung, Dr. Külz, ist die Einigung nicht zum wenigsten zu danken. Er<lb/>
hat nicht nur in Wort und Schrift zum Frieden gemahnt, sondern in seinem<lb/>
gerade zur rechten Zeit, vor Jahresfrist, erschienenen Buch*) den Politikern,<lb/>
der Kolonie ein wohldurchdachtes und von weitblickendem Geist erfülltes Vademekum<lb/>
in die Hand gegeben, das ihnen gezeigt haben dürfte, daß in der Entwickelung<lb/>
des Landes doch noch alles so kommen wird, wie es kommen muß; auch<lb/>
in der Diamantenfrage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_606" next="#ID_607"> Der Landesrat ist inzwischen zusammengetreten. Noch ist er nicht um den<lb/>
Diamantenstreit befragt worden. Aber was nicht ist, kann noch werden. Nach¬<lb/>
dem der Vertrag mit der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika unter</p><lb/>
          <note xml:id="FID_6" place="foot"> ") Dr. Wilhelm Külz: Deutsch-Südafrika im 25. Jahre Deutscher Schutz-<lb/>
Herrschaft. Skizzen und Beiträge zur Geschichte Deutsch-Südafrikas. Berlin. Verlag von<lb/>
Wilhelm Süßerott.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] Die neuere Uolonialxolitik Krieges der Ansiedlungskommission Dr. Paul Rohrbach zusammen mit nam¬ haften Ansiedlern geleistet hatte, bis zu einem gewissen Grade stützen konnte. Um einen Plan für die Selbstverwaltung des Landes auszuarbeiten, wurde nun von der Regierung ein geschulter Fachmann hinübergesandt, der Bürger¬ meister Dr. Külz. Es war für diesen gewiß nicht leicht, die vielfach wider¬ streitenden Interessen der Regierung und der Bevölkerung unter einen Hut zu bringen, aber schließlich gelang es doch — wenigstens scheinbar. Doch als Dr. Külz fort war und sein Plan verwirklicht werden sollte, ging der Streit von neuen: los. Der Regierung ging der Grad von Selbstbestimmung, den l)r. Külz als Grundlage vorgesehen hatte, zu weit und die Bevölkerung wollte sich mit weniger nicht zufrieden geben, um so mehr als sie nach der Haltung Dernburgs während seines Besuchs in der Kolonie befürchtete, daß es der Negierung mit der organischen Durchführung des von ihrem Vertreter Dr. Külz ausgearbeiteten Planes nicht recht Ernst sei. Dieses Mißtrauen erhielt Nahrung durch die Dernburgsche Diamanten¬ politik. Man war drüben der Ansicht, daß es sich hier um eine ureigene Angelegenheit des Landes handle, deren Entscheidung so lange hintangehalten werden müßte, bis der als Hauptorgan der Selbstverwaltung vorgesehene Landesrat in der Lage sei, entscheidend mit zuwirken. Wäre nicht die Diamantenangelegenheit hindernd dazwischen getreten, würde vielleicht die Ein¬ richtung der Selbstverwaltung auch in erheblich beschränkter Form glatt vor sich gegangen sein, aber die auri 8aera fame8, der Streit um die Diamanten¬ felder, hatte die politischen Leidenschaften entfacht. Wenn trotzdem schließlich eine Einigung erzielt und die Organe der Selbstverwaltung unter Kompromissen von beiden Seiten ins Leben treten konnten, so zeugt dies von der politischen Reife der maßgebenden Persönlichkeiten in den Ansiedlerkreisen, die beizeiten abzuwiegeln vermochten. Natürlich wurde anfangs auch vielfach übers Ziel hinausgeschossen, aber das war angesichts der Werte, die auf dem Spiele standen, einigermaßen verständlich. Den: Eingreifen des Schöpfers der Selbst¬ verwaltung, Dr. Külz, ist die Einigung nicht zum wenigsten zu danken. Er hat nicht nur in Wort und Schrift zum Frieden gemahnt, sondern in seinem gerade zur rechten Zeit, vor Jahresfrist, erschienenen Buch*) den Politikern, der Kolonie ein wohldurchdachtes und von weitblickendem Geist erfülltes Vademekum in die Hand gegeben, das ihnen gezeigt haben dürfte, daß in der Entwickelung des Landes doch noch alles so kommen wird, wie es kommen muß; auch in der Diamantenfrage. Der Landesrat ist inzwischen zusammengetreten. Noch ist er nicht um den Diamantenstreit befragt worden. Aber was nicht ist, kann noch werden. Nach¬ dem der Vertrag mit der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika unter ") Dr. Wilhelm Külz: Deutsch-Südafrika im 25. Jahre Deutscher Schutz- Herrschaft. Skizzen und Beiträge zur Geschichte Deutsch-Südafrikas. Berlin. Verlag von Wilhelm Süßerott.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/111
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/111>, abgerufen am 17.06.2024.