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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die polnische" volksbanken in Gberschlcsicil

nachdem er sich auf diesen Beruf vierzehn Tage lang bei der Bank Ludowy
in Beuchen vorbereitet hatte. Dementsprechend ist der technische Betrieb dieser
Banken vielfach mangelhaft, -- sie führen z. B. kein "Verfallbuch".

Hinter dem so gebildeten Vorstand und Aufsichtsrat, die in sich wirt¬
schaftliche und politische Führerrollen vereinigen, stehen nun die Scharen der
Genossen. Am Schlüsse des Geschäftsjahres 1908 waren es bei allen ober-
Wesischen Polenbanken achttausend, heute dürften es vielleicht zehntausend sein.
Die Volksbanken nehmen, wie schon ausgeführt, jeden ohne Unterschied der
Nationalität und der Anschauung, aber sie sichern sich auf der andern Seite
durch das Statut doch auch sorglich dagegen, daß etwa eine Überzahl von
Genossen in eine polnische Bank kommen könnte, die diese ihren national-
polnischen Zwecken entfremden könnte. Während die deutschen Genossenschaften
als Gründe für den Ausschluß eines Genossen nur Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte, die verschiedenen Formen ganzer oder teilweiser Insolvenz und die
Zugehörigkeit zu einer andern Kreditgenossenschaft kennen, bestimmt das Statut
der Polenbanken, daß ein Genosse durch Beschluß des Vorstandes und Auf¬
sichtsrats auch ausgeschlossen werden kann, wenn er bei Stellung des Antrages
auf Zulassung zur Genossenschaft wahrheitswidrige Angaben gemacht hat; wenn
er der Genossenschaft durch Wort oder Handlung irgendwie schadet; wenn er
sich einer unredlichen oder ehrenrühriger Handlung schuldig macht, ohne Rücksicht
darauf, ob die Gerichte sich mit dieser Handlung befaßt haben. Hierin sind
Handhaben genug geboten, um politisch unbequeme Genossen los zu werden.

Mit der Bank Zwionsku spolek zorowkowicz in Posen (der Verbandsbank)
stehen die ob erschleichen Polenbanken im Gegensatz zu den gleichartigen
Instituten Posens und Westpreußens nnr in geringem Geschäftsverkehr.
Wohl aber besitzt jede, auch die kleinste der polnischen Volksbanken, je nach
ihrer Größe 10- bis 50000 Mark Aktien der Bank Zwionsku. In Oberschlesien
sind Ansätze dazu vorhanden, daß sich die Bank Ludowy in Beuthen, dank ihrer
Größe und der geschickten Leitung Napieralskis, auch zu einer Art Zentral¬
organ für die oberschlesischen Banken Ludowy auswächst. Diese Entwickelung
Zum Abschluß zu bringen haben die Polen voriges Jahr dadurch versucht, daß
sie bei dein Minister für Handel den Antrag gestellt haben, den oberschlesischen
Volksbanken zu gestatten, sich zu einem Verbände zusammenzutun, dem das
Recht verliehen würde, seine genossenschaftlichen Revisoren selbst zu bestellen.

Sie würden damit ihre Geschäftsführung jeglichem Einblick seitens der
Regierung entziehen, den diese heute dadurch hat, daß staatlich, d. h. vom
Amtsgericht bestellte Revisoren die Bücher, Korrespondenzen, Kassen usw. der
Banken Ludowy revidieren. Von welcher Tragweite dies für die Entwickelung
der Banken, ihren strafferen Zusammenschluß -- vermutlich unter der Leitung
der Bank Ludowy in Beuthen -- und für eine unveroecktere politische Arbeit
wäre, dafür sprechen die Erfahrungen des polnischen GenossenschaftsverbandeZ
in Posen und Westpreußen, dem die Caprivische Versöhnungsära bedauer-


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Die polnische» volksbanken in Gberschlcsicil

nachdem er sich auf diesen Beruf vierzehn Tage lang bei der Bank Ludowy
in Beuchen vorbereitet hatte. Dementsprechend ist der technische Betrieb dieser
Banken vielfach mangelhaft, — sie führen z. B. kein „Verfallbuch".

Hinter dem so gebildeten Vorstand und Aufsichtsrat, die in sich wirt¬
schaftliche und politische Führerrollen vereinigen, stehen nun die Scharen der
Genossen. Am Schlüsse des Geschäftsjahres 1908 waren es bei allen ober-
Wesischen Polenbanken achttausend, heute dürften es vielleicht zehntausend sein.
Die Volksbanken nehmen, wie schon ausgeführt, jeden ohne Unterschied der
Nationalität und der Anschauung, aber sie sichern sich auf der andern Seite
durch das Statut doch auch sorglich dagegen, daß etwa eine Überzahl von
Genossen in eine polnische Bank kommen könnte, die diese ihren national-
polnischen Zwecken entfremden könnte. Während die deutschen Genossenschaften
als Gründe für den Ausschluß eines Genossen nur Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte, die verschiedenen Formen ganzer oder teilweiser Insolvenz und die
Zugehörigkeit zu einer andern Kreditgenossenschaft kennen, bestimmt das Statut
der Polenbanken, daß ein Genosse durch Beschluß des Vorstandes und Auf¬
sichtsrats auch ausgeschlossen werden kann, wenn er bei Stellung des Antrages
auf Zulassung zur Genossenschaft wahrheitswidrige Angaben gemacht hat; wenn
er der Genossenschaft durch Wort oder Handlung irgendwie schadet; wenn er
sich einer unredlichen oder ehrenrühriger Handlung schuldig macht, ohne Rücksicht
darauf, ob die Gerichte sich mit dieser Handlung befaßt haben. Hierin sind
Handhaben genug geboten, um politisch unbequeme Genossen los zu werden.

Mit der Bank Zwionsku spolek zorowkowicz in Posen (der Verbandsbank)
stehen die ob erschleichen Polenbanken im Gegensatz zu den gleichartigen
Instituten Posens und Westpreußens nnr in geringem Geschäftsverkehr.
Wohl aber besitzt jede, auch die kleinste der polnischen Volksbanken, je nach
ihrer Größe 10- bis 50000 Mark Aktien der Bank Zwionsku. In Oberschlesien
sind Ansätze dazu vorhanden, daß sich die Bank Ludowy in Beuthen, dank ihrer
Größe und der geschickten Leitung Napieralskis, auch zu einer Art Zentral¬
organ für die oberschlesischen Banken Ludowy auswächst. Diese Entwickelung
Zum Abschluß zu bringen haben die Polen voriges Jahr dadurch versucht, daß
sie bei dein Minister für Handel den Antrag gestellt haben, den oberschlesischen
Volksbanken zu gestatten, sich zu einem Verbände zusammenzutun, dem das
Recht verliehen würde, seine genossenschaftlichen Revisoren selbst zu bestellen.

Sie würden damit ihre Geschäftsführung jeglichem Einblick seitens der
Regierung entziehen, den diese heute dadurch hat, daß staatlich, d. h. vom
Amtsgericht bestellte Revisoren die Bücher, Korrespondenzen, Kassen usw. der
Banken Ludowy revidieren. Von welcher Tragweite dies für die Entwickelung
der Banken, ihren strafferen Zusammenschluß — vermutlich unter der Leitung
der Bank Ludowy in Beuthen — und für eine unveroecktere politische Arbeit
wäre, dafür sprechen die Erfahrungen des polnischen GenossenschaftsverbandeZ
in Posen und Westpreußen, dem die Caprivische Versöhnungsära bedauer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/333>, abgerufen am 17.06.2024.