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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Bürgerliche Kultur

richtungen auch im Geistigen, Künstlerischen an. Der Hof sammelte die Künstler
um sich. Einfach, weil es nichts anderes gab, weil sich beim Fürsten auch
die Geldmacht und Ehre und Ansehen konzentrierter.

Heutzutage ist es in den Großstädten meist unigekehrt. Die Menge, das
Publikum ist aufgeklärt, bei ihm konzentriert sich das Geld. Es vergibt
Ansehen und Würde. Aus diesem innersten Grunde kann eigentlich der Fürst
in der Großstadt der modernen Entwicklung nicht günstig gesinnt sein. Er
kann sie im günstigen Falle gehen lassen, denn er würde nur einer in der
Menge sein. Diese Stellung wird nur ein intelligenter Fürst zu einem neuen
Machtmittel ausnutzen können. Und weil eben der Fürst sich dem Publikum
gegenüber, das in der Großstadt nicht mehr dumpf im bloß notwendigen des
alltäglichen Lebens verharrt, durch den Schutz der modernen Kunst keine
Ausnahmestellung mehr schaffen kann, verharrt er naturnotwendig beim Alten
und umgibt sich mit den Emblemen der Vergangenheit. Er Schutze die Kunst,
die für ihn geschaffen ist, denn im Grunde war alle Kunst früher höfische
Kunst. Darum paßt sie für den Hof, für den Fürsten. Man gehe in eins
der wundervollen Schlösser, die die Künstler der Vergangenheit bauten.
Da ist alles Einheit: architektonisch, malerisch, kunstgewerblich eine Einheit.
Selbst die Gärten sind einbezogen. Dem Geiste nach können wir davon
lernen. Brauchen die Fürsten, so wie sie sind, etwas anderes? Einwandfrei,
künstlerisch ist das Milieu für sie im Hinblick auf den Zweck durchgebildet.
Diese Einheit bewundern wir und staunen sie an. All das, was wir
heute anstreben, die dekorative Harmonie des Raumes, die Gestaltung der
Wand, der Decke, des Bodens, das Bedenken des kleinsten Gegenstandes
bis zu den Blumen und den Fontänen, den Wäldern und den Gärten, all
das finden wir hier. Diese Einheit ist uns lange, lange Zeit Vorbild gewesen.
Unsere Straßen zeigen in den Fassaden der Häuser palastähnliche Fronten.
Wir wollen die Paläste nachahmen. Unsere Möbel zeigen in der Linienführung
der Ornamentik die höfischen Allüren, deren Eleganz und Eigenart uns imponiert.
Wir benennen die Stile nach ihnen und träumen uns so in eine Sphäre hinein,
die uns ganz und gar nicht gehört.

Da wir nicht Fürsten sind, kommt der Schein der Komik in die äußere
Erscheinung unseres Daseins. Wir leben von erborgten Wesen, mit dem
wir uns drapierten wie schlechte Schauspieler. Und wie wir aufhörten, das
falsche Heldenpathos der Tragöden zu lieben, hören wir auch auf, den falschen
Helden- und Fürstenstil in unseren bürgerlichen Wohnungen zu imitieren. Diese
Dissonanz in unserer Kultur beginnen wir jetzt herauszuhören. Einfach deshalb,
weil ein Neues sich loslöst und so erstarkt ist, daß es es selbst sein will und
nicht in fremdem Kostüm erscheinen mag.

Man kann die Bemerkung machen, daß jeder Stand die Art des ihm
übergeordneten Standes nachahmt, wenn nicht in der Arbeit, so doch auf den
Gebieten, in denen ein gewisser Prunk zur Erscheinung kommen soll. Der


Bürgerliche Kultur

richtungen auch im Geistigen, Künstlerischen an. Der Hof sammelte die Künstler
um sich. Einfach, weil es nichts anderes gab, weil sich beim Fürsten auch
die Geldmacht und Ehre und Ansehen konzentrierter.

Heutzutage ist es in den Großstädten meist unigekehrt. Die Menge, das
Publikum ist aufgeklärt, bei ihm konzentriert sich das Geld. Es vergibt
Ansehen und Würde. Aus diesem innersten Grunde kann eigentlich der Fürst
in der Großstadt der modernen Entwicklung nicht günstig gesinnt sein. Er
kann sie im günstigen Falle gehen lassen, denn er würde nur einer in der
Menge sein. Diese Stellung wird nur ein intelligenter Fürst zu einem neuen
Machtmittel ausnutzen können. Und weil eben der Fürst sich dem Publikum
gegenüber, das in der Großstadt nicht mehr dumpf im bloß notwendigen des
alltäglichen Lebens verharrt, durch den Schutz der modernen Kunst keine
Ausnahmestellung mehr schaffen kann, verharrt er naturnotwendig beim Alten
und umgibt sich mit den Emblemen der Vergangenheit. Er Schutze die Kunst,
die für ihn geschaffen ist, denn im Grunde war alle Kunst früher höfische
Kunst. Darum paßt sie für den Hof, für den Fürsten. Man gehe in eins
der wundervollen Schlösser, die die Künstler der Vergangenheit bauten.
Da ist alles Einheit: architektonisch, malerisch, kunstgewerblich eine Einheit.
Selbst die Gärten sind einbezogen. Dem Geiste nach können wir davon
lernen. Brauchen die Fürsten, so wie sie sind, etwas anderes? Einwandfrei,
künstlerisch ist das Milieu für sie im Hinblick auf den Zweck durchgebildet.
Diese Einheit bewundern wir und staunen sie an. All das, was wir
heute anstreben, die dekorative Harmonie des Raumes, die Gestaltung der
Wand, der Decke, des Bodens, das Bedenken des kleinsten Gegenstandes
bis zu den Blumen und den Fontänen, den Wäldern und den Gärten, all
das finden wir hier. Diese Einheit ist uns lange, lange Zeit Vorbild gewesen.
Unsere Straßen zeigen in den Fassaden der Häuser palastähnliche Fronten.
Wir wollen die Paläste nachahmen. Unsere Möbel zeigen in der Linienführung
der Ornamentik die höfischen Allüren, deren Eleganz und Eigenart uns imponiert.
Wir benennen die Stile nach ihnen und träumen uns so in eine Sphäre hinein,
die uns ganz und gar nicht gehört.

Da wir nicht Fürsten sind, kommt der Schein der Komik in die äußere
Erscheinung unseres Daseins. Wir leben von erborgten Wesen, mit dem
wir uns drapierten wie schlechte Schauspieler. Und wie wir aufhörten, das
falsche Heldenpathos der Tragöden zu lieben, hören wir auch auf, den falschen
Helden- und Fürstenstil in unseren bürgerlichen Wohnungen zu imitieren. Diese
Dissonanz in unserer Kultur beginnen wir jetzt herauszuhören. Einfach deshalb,
weil ein Neues sich loslöst und so erstarkt ist, daß es es selbst sein will und
nicht in fremdem Kostüm erscheinen mag.

Man kann die Bemerkung machen, daß jeder Stand die Art des ihm
übergeordneten Standes nachahmt, wenn nicht in der Arbeit, so doch auf den
Gebieten, in denen ein gewisser Prunk zur Erscheinung kommen soll. Der


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[0401] Bürgerliche Kultur richtungen auch im Geistigen, Künstlerischen an. Der Hof sammelte die Künstler um sich. Einfach, weil es nichts anderes gab, weil sich beim Fürsten auch die Geldmacht und Ehre und Ansehen konzentrierter. Heutzutage ist es in den Großstädten meist unigekehrt. Die Menge, das Publikum ist aufgeklärt, bei ihm konzentriert sich das Geld. Es vergibt Ansehen und Würde. Aus diesem innersten Grunde kann eigentlich der Fürst in der Großstadt der modernen Entwicklung nicht günstig gesinnt sein. Er kann sie im günstigen Falle gehen lassen, denn er würde nur einer in der Menge sein. Diese Stellung wird nur ein intelligenter Fürst zu einem neuen Machtmittel ausnutzen können. Und weil eben der Fürst sich dem Publikum gegenüber, das in der Großstadt nicht mehr dumpf im bloß notwendigen des alltäglichen Lebens verharrt, durch den Schutz der modernen Kunst keine Ausnahmestellung mehr schaffen kann, verharrt er naturnotwendig beim Alten und umgibt sich mit den Emblemen der Vergangenheit. Er Schutze die Kunst, die für ihn geschaffen ist, denn im Grunde war alle Kunst früher höfische Kunst. Darum paßt sie für den Hof, für den Fürsten. Man gehe in eins der wundervollen Schlösser, die die Künstler der Vergangenheit bauten. Da ist alles Einheit: architektonisch, malerisch, kunstgewerblich eine Einheit. Selbst die Gärten sind einbezogen. Dem Geiste nach können wir davon lernen. Brauchen die Fürsten, so wie sie sind, etwas anderes? Einwandfrei, künstlerisch ist das Milieu für sie im Hinblick auf den Zweck durchgebildet. Diese Einheit bewundern wir und staunen sie an. All das, was wir heute anstreben, die dekorative Harmonie des Raumes, die Gestaltung der Wand, der Decke, des Bodens, das Bedenken des kleinsten Gegenstandes bis zu den Blumen und den Fontänen, den Wäldern und den Gärten, all das finden wir hier. Diese Einheit ist uns lange, lange Zeit Vorbild gewesen. Unsere Straßen zeigen in den Fassaden der Häuser palastähnliche Fronten. Wir wollen die Paläste nachahmen. Unsere Möbel zeigen in der Linienführung der Ornamentik die höfischen Allüren, deren Eleganz und Eigenart uns imponiert. Wir benennen die Stile nach ihnen und träumen uns so in eine Sphäre hinein, die uns ganz und gar nicht gehört. Da wir nicht Fürsten sind, kommt der Schein der Komik in die äußere Erscheinung unseres Daseins. Wir leben von erborgten Wesen, mit dem wir uns drapierten wie schlechte Schauspieler. Und wie wir aufhörten, das falsche Heldenpathos der Tragöden zu lieben, hören wir auch auf, den falschen Helden- und Fürstenstil in unseren bürgerlichen Wohnungen zu imitieren. Diese Dissonanz in unserer Kultur beginnen wir jetzt herauszuhören. Einfach deshalb, weil ein Neues sich loslöst und so erstarkt ist, daß es es selbst sein will und nicht in fremdem Kostüm erscheinen mag. Man kann die Bemerkung machen, daß jeder Stand die Art des ihm übergeordneten Standes nachahmt, wenn nicht in der Arbeit, so doch auf den Gebieten, in denen ein gewisser Prunk zur Erscheinung kommen soll. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/401>, abgerufen am 19.05.2024.