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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Adel in der Armee

man folgendes zugeben müssen: Das bürgerliche Element hat sich seinen Weg
verhältnismäßig schnell gebahnt, schneller als dies möglich gewesen wäre, wenn
man ihm von feiten der Heeresleitung Schwierigkeiten gemacht hätte; es hat in
immer steigendem Maße an den höchsten Führerstellen Anteil bekommen und
ist mehrfach in anderer Weise ausgezeichnet worden. Einige Zahlenangaben
mögen dies erläutern.

Schon bis zum Jahre 1873 hatte sich der Anteil der bürgerlichen Offiziere
erheblich vergrößert. Bei den Leutnants der Infanterie betrug er z. B. bereits
62,3 v. H.; im Jahre 1909 ist er bis auf 78,3 v. H. gestiegen. Dies Ver¬
hältnis zeigt sich nun freilich nicht gleichmäßig in der Armee. Im Jahre 1909
finden sich in den alten Grenadierregimenteru noch 54,5 v. H. adeliche Leutnants,
bei den Jägern 43,2 v. H., in den neuen Regimentern (128 bis 176) dagegen
nur 10,2 v. H. Eine neue Erscheinung sind anderseits Regimenter mit durchweg
bürgerlichen Offizierkorps. Bei der Infanterie gibt es davon fünfzehn.

In der Zeit von 1873 bis 1909 ging die Zahl der adelichen Leutnants
um 300, d. h. um beinahe den dritten Teil zurück, während sich die der bürger¬
lichen um 1000, d.h. um über die Hälfte vermehrte.

Bei den Stäben der höheren Führer des Feldzuges von 1870/1871
(Großes Hauptquartier, Armee-Oberkommandos, Korps- und Divisions¬
kommandos) weist die Ordre de bataille des Generalstabswerkes an Generalstabs¬
offizieren und Adjutanten bereits 120 Bürgerliche auf. Von diesen hat es die
Hälfte zum General gebracht, sechs zum Korpskommandeur oder einer gleich¬
wertigen Stellung.

Im Generalstab weist die Rangliste nach: 1873 von 103 Offizieren 37 bürger¬
liche, 1909 von 250 Offizieren 98 bürgerliche. Die bürgerlichen haben sich
also in diesen 36 Jahren um 61, d. h. 165 v. H. ihrer früheren Stärke, die
adelichen um 86, d. h. nur 130 v. H. ihrer früheren Stärke, vermehrt. Ein
genaues Bild des sich steigernden Eindringens des bürgerlichen Elements in
den Generalstab geben diese Zahlen aber nicht, weil von den Generalstabs¬
offizieren sich immer ein Teil vorübergehend in der Truppe befindet, deren
Namen aus der Rangliste nicht ersichtlich sind.

Ein Steigen des bürgerlichen Elements zeigt sich ebenfalls ganz deutlich
bei den Regimentskommandeuren, also bei den Herren, denen in erster Linie
die Annahme und Erziehung der jungen Offiziere anvertraut ist.
Hier stellen sich, ohne Berücksichtigung der Garde, die Zahlen für die Bürgerlichen
wie folgt:

InfanterieKavallerieFeldartillerie
15.1 v. H.4,7 v. H.
187361,5 v. H
37,9 "17.2 "189471 "
40,3 "22,1 "1909?2.7 "

Hierbei sind diejenigen Herren unberücksichtigt und als adeliche gezählt, die erst
im Laufe ihrer Dienstzeit geadelt wurden. Durch vorstehende Zahlen dürfte


Der Adel in der Armee

man folgendes zugeben müssen: Das bürgerliche Element hat sich seinen Weg
verhältnismäßig schnell gebahnt, schneller als dies möglich gewesen wäre, wenn
man ihm von feiten der Heeresleitung Schwierigkeiten gemacht hätte; es hat in
immer steigendem Maße an den höchsten Führerstellen Anteil bekommen und
ist mehrfach in anderer Weise ausgezeichnet worden. Einige Zahlenangaben
mögen dies erläutern.

Schon bis zum Jahre 1873 hatte sich der Anteil der bürgerlichen Offiziere
erheblich vergrößert. Bei den Leutnants der Infanterie betrug er z. B. bereits
62,3 v. H.; im Jahre 1909 ist er bis auf 78,3 v. H. gestiegen. Dies Ver¬
hältnis zeigt sich nun freilich nicht gleichmäßig in der Armee. Im Jahre 1909
finden sich in den alten Grenadierregimenteru noch 54,5 v. H. adeliche Leutnants,
bei den Jägern 43,2 v. H., in den neuen Regimentern (128 bis 176) dagegen
nur 10,2 v. H. Eine neue Erscheinung sind anderseits Regimenter mit durchweg
bürgerlichen Offizierkorps. Bei der Infanterie gibt es davon fünfzehn.

In der Zeit von 1873 bis 1909 ging die Zahl der adelichen Leutnants
um 300, d. h. um beinahe den dritten Teil zurück, während sich die der bürger¬
lichen um 1000, d.h. um über die Hälfte vermehrte.

Bei den Stäben der höheren Führer des Feldzuges von 1870/1871
(Großes Hauptquartier, Armee-Oberkommandos, Korps- und Divisions¬
kommandos) weist die Ordre de bataille des Generalstabswerkes an Generalstabs¬
offizieren und Adjutanten bereits 120 Bürgerliche auf. Von diesen hat es die
Hälfte zum General gebracht, sechs zum Korpskommandeur oder einer gleich¬
wertigen Stellung.

Im Generalstab weist die Rangliste nach: 1873 von 103 Offizieren 37 bürger¬
liche, 1909 von 250 Offizieren 98 bürgerliche. Die bürgerlichen haben sich
also in diesen 36 Jahren um 61, d. h. 165 v. H. ihrer früheren Stärke, die
adelichen um 86, d. h. nur 130 v. H. ihrer früheren Stärke, vermehrt. Ein
genaues Bild des sich steigernden Eindringens des bürgerlichen Elements in
den Generalstab geben diese Zahlen aber nicht, weil von den Generalstabs¬
offizieren sich immer ein Teil vorübergehend in der Truppe befindet, deren
Namen aus der Rangliste nicht ersichtlich sind.

Ein Steigen des bürgerlichen Elements zeigt sich ebenfalls ganz deutlich
bei den Regimentskommandeuren, also bei den Herren, denen in erster Linie
die Annahme und Erziehung der jungen Offiziere anvertraut ist.
Hier stellen sich, ohne Berücksichtigung der Garde, die Zahlen für die Bürgerlichen
wie folgt:

InfanterieKavallerieFeldartillerie
15.1 v. H.4,7 v. H.
187361,5 v. H
37,9 „17.2 „189471 „
40,3 „22,1 „1909?2.7 „

Hierbei sind diejenigen Herren unberücksichtigt und als adeliche gezählt, die erst
im Laufe ihrer Dienstzeit geadelt wurden. Durch vorstehende Zahlen dürfte


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[0063] Der Adel in der Armee man folgendes zugeben müssen: Das bürgerliche Element hat sich seinen Weg verhältnismäßig schnell gebahnt, schneller als dies möglich gewesen wäre, wenn man ihm von feiten der Heeresleitung Schwierigkeiten gemacht hätte; es hat in immer steigendem Maße an den höchsten Führerstellen Anteil bekommen und ist mehrfach in anderer Weise ausgezeichnet worden. Einige Zahlenangaben mögen dies erläutern. Schon bis zum Jahre 1873 hatte sich der Anteil der bürgerlichen Offiziere erheblich vergrößert. Bei den Leutnants der Infanterie betrug er z. B. bereits 62,3 v. H.; im Jahre 1909 ist er bis auf 78,3 v. H. gestiegen. Dies Ver¬ hältnis zeigt sich nun freilich nicht gleichmäßig in der Armee. Im Jahre 1909 finden sich in den alten Grenadierregimenteru noch 54,5 v. H. adeliche Leutnants, bei den Jägern 43,2 v. H., in den neuen Regimentern (128 bis 176) dagegen nur 10,2 v. H. Eine neue Erscheinung sind anderseits Regimenter mit durchweg bürgerlichen Offizierkorps. Bei der Infanterie gibt es davon fünfzehn. In der Zeit von 1873 bis 1909 ging die Zahl der adelichen Leutnants um 300, d. h. um beinahe den dritten Teil zurück, während sich die der bürger¬ lichen um 1000, d.h. um über die Hälfte vermehrte. Bei den Stäben der höheren Führer des Feldzuges von 1870/1871 (Großes Hauptquartier, Armee-Oberkommandos, Korps- und Divisions¬ kommandos) weist die Ordre de bataille des Generalstabswerkes an Generalstabs¬ offizieren und Adjutanten bereits 120 Bürgerliche auf. Von diesen hat es die Hälfte zum General gebracht, sechs zum Korpskommandeur oder einer gleich¬ wertigen Stellung. Im Generalstab weist die Rangliste nach: 1873 von 103 Offizieren 37 bürger¬ liche, 1909 von 250 Offizieren 98 bürgerliche. Die bürgerlichen haben sich also in diesen 36 Jahren um 61, d. h. 165 v. H. ihrer früheren Stärke, die adelichen um 86, d. h. nur 130 v. H. ihrer früheren Stärke, vermehrt. Ein genaues Bild des sich steigernden Eindringens des bürgerlichen Elements in den Generalstab geben diese Zahlen aber nicht, weil von den Generalstabs¬ offizieren sich immer ein Teil vorübergehend in der Truppe befindet, deren Namen aus der Rangliste nicht ersichtlich sind. Ein Steigen des bürgerlichen Elements zeigt sich ebenfalls ganz deutlich bei den Regimentskommandeuren, also bei den Herren, denen in erster Linie die Annahme und Erziehung der jungen Offiziere anvertraut ist. Hier stellen sich, ohne Berücksichtigung der Garde, die Zahlen für die Bürgerlichen wie folgt: InfanterieKavallerieFeldartillerie 15.1 v. H.4,7 v. H. 187361,5 v. H 37,9 „17.2 „189471 „ 40,3 „22,1 „1909?2.7 „ Hierbei sind diejenigen Herren unberücksichtigt und als adeliche gezählt, die erst im Laufe ihrer Dienstzeit geadelt wurden. Durch vorstehende Zahlen dürfte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/63>, abgerufen am 18.06.2024.