Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Preußische Ansiedler in "Österreich

Sie baten, nach Ungarn zur Ansiedlung geschickt zu werden. Das Olmützer
Kreisamt stellte ihnen zunächst einen Paß an das Gubernium in Brünn aus.
Hier erhielten sie einen Paß nach Preßburg und zwanzig Gulden als "Viatikum"
(Reisezehrung), weil sie angaben, "daß sie ansonsten nicht fortkommen könnten".
Als drei Jahre später die Ansiedlungen in Ungarn (Banat) wegen der großen
Zahl der Einwanderer eingestellt werden mußten, erging 1771 der Auftrag,
daß die preußischen Deserteure aus Mähren nicht mehr hingeschickt werden sollten.
Im folgenden Jahre wurde dieser Auftrag dahin ergänzt, daß die Kolonisation
zwar eingestellt sei, doch stehe es jedem Einwanderer aus Polen und Preußen
frei, dennoch nach Ungarn zu ziehen und sich in den königlichen Freistädter und
auf Privatherrschaften auf eigene Unkosten niederzulassen.

Schon oben ist erwähnt worden, daß sich unter Kaiser Joseph den: Zweiten
das Bestreben geltend machte, die in den Sudetenländern und in Galizien nicht
untergebrachten preußischen Emigranten nach Ungarn zu schicken. Der kaiserliche
Befehl wurde auch der ungarischen Hofkanzlei mitgeteilt. Am 9. Juni 1786
berichtete diese, daß noch viele "Deutsche aus dem Reich", die nach Ungarn
gekommen waren, auf ihre Ansiedlung warten. Es werde daher kaum möglich
sein, die "preußischen Untertanen als Bauern mit Haus und Grundstücken zu
versehen. Es scheint also nichts anderes übrig zu sein, als daß man sie nach
Maß ihrer Tauglichkeit entweder als bloße Inwohner mit Häusern und einen:
Grundstück zum Garten oder als Beiwohner in den Kameralgütern mit Zugebung
einer Melkkuh unterbringe, wie man es bereits für die übrigen Einwanderer
eingeraten hat. Die Professionisten, Handwerker und Fabrikanten sollen- aber
in den königlichen Freistädter oder größeren Marktflecken mit den für die deutschen
Reichseinwanderer bewilligten Begünstigungen untergebracht werden". Diese
Vorschläge genehmigte Kaiser Joseph der Zweite am 26. Juni 1786.

Inzwischen war schon eine Anzahl preußischer Familien nach Ungarn
gekommen. Einem Berichte der ungarischen Statthalter" vom 13. Juni 1786
entnehmen wir, daß sich bei der Kaschauer Kameraladministration einundzwanzig
preußische Familien, die zusammen vierundsiebzig Köpfe zählten, gemeldet hatten.
Die Administration hatte sie auf der Herrschaft Pelion hin Säroser Komitat)
untergebracht; dies wurde auch von der ungarischen Hofkanzlei genehmigt.
Möglicherweise befinden sich unter den Deutschen, die neben Slowaken und
Magyaren heute in KeczerpeMn wohnen, auch Nachkommen dieser preußischen
Einwanderer. Doch ist es auch möglich, daß diese Ansiedler mit anderen aus
dem Kaschauer Bezirke 1792 ins Banat versetzt wurden; solche Übersiedlungen
fanden öfters statt. Bemerkt sei noch, daß in den Jahren 1784 und 1786
auch andere Ansiedler aus Preußisch-Schlesien und aus Glatz nach Ungarn
kamen. Ihre Zahl läßt sich nicht feststellen.




Preußische Ansiedler in «Österreich

Sie baten, nach Ungarn zur Ansiedlung geschickt zu werden. Das Olmützer
Kreisamt stellte ihnen zunächst einen Paß an das Gubernium in Brünn aus.
Hier erhielten sie einen Paß nach Preßburg und zwanzig Gulden als „Viatikum"
(Reisezehrung), weil sie angaben, „daß sie ansonsten nicht fortkommen könnten".
Als drei Jahre später die Ansiedlungen in Ungarn (Banat) wegen der großen
Zahl der Einwanderer eingestellt werden mußten, erging 1771 der Auftrag,
daß die preußischen Deserteure aus Mähren nicht mehr hingeschickt werden sollten.
Im folgenden Jahre wurde dieser Auftrag dahin ergänzt, daß die Kolonisation
zwar eingestellt sei, doch stehe es jedem Einwanderer aus Polen und Preußen
frei, dennoch nach Ungarn zu ziehen und sich in den königlichen Freistädter und
auf Privatherrschaften auf eigene Unkosten niederzulassen.

Schon oben ist erwähnt worden, daß sich unter Kaiser Joseph den: Zweiten
das Bestreben geltend machte, die in den Sudetenländern und in Galizien nicht
untergebrachten preußischen Emigranten nach Ungarn zu schicken. Der kaiserliche
Befehl wurde auch der ungarischen Hofkanzlei mitgeteilt. Am 9. Juni 1786
berichtete diese, daß noch viele „Deutsche aus dem Reich", die nach Ungarn
gekommen waren, auf ihre Ansiedlung warten. Es werde daher kaum möglich
sein, die „preußischen Untertanen als Bauern mit Haus und Grundstücken zu
versehen. Es scheint also nichts anderes übrig zu sein, als daß man sie nach
Maß ihrer Tauglichkeit entweder als bloße Inwohner mit Häusern und einen:
Grundstück zum Garten oder als Beiwohner in den Kameralgütern mit Zugebung
einer Melkkuh unterbringe, wie man es bereits für die übrigen Einwanderer
eingeraten hat. Die Professionisten, Handwerker und Fabrikanten sollen- aber
in den königlichen Freistädter oder größeren Marktflecken mit den für die deutschen
Reichseinwanderer bewilligten Begünstigungen untergebracht werden". Diese
Vorschläge genehmigte Kaiser Joseph der Zweite am 26. Juni 1786.

Inzwischen war schon eine Anzahl preußischer Familien nach Ungarn
gekommen. Einem Berichte der ungarischen Statthalter» vom 13. Juni 1786
entnehmen wir, daß sich bei der Kaschauer Kameraladministration einundzwanzig
preußische Familien, die zusammen vierundsiebzig Köpfe zählten, gemeldet hatten.
Die Administration hatte sie auf der Herrschaft Pelion hin Säroser Komitat)
untergebracht; dies wurde auch von der ungarischen Hofkanzlei genehmigt.
Möglicherweise befinden sich unter den Deutschen, die neben Slowaken und
Magyaren heute in KeczerpeMn wohnen, auch Nachkommen dieser preußischen
Einwanderer. Doch ist es auch möglich, daß diese Ansiedler mit anderen aus
dem Kaschauer Bezirke 1792 ins Banat versetzt wurden; solche Übersiedlungen
fanden öfters statt. Bemerkt sei noch, daß in den Jahren 1784 und 1786
auch andere Ansiedler aus Preußisch-Schlesien und aus Glatz nach Ungarn
kamen. Ihre Zahl läßt sich nicht feststellen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0193" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316482"/>
          <fw type="header" place="top"> Preußische Ansiedler in «Österreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_720" prev="#ID_719"> Sie baten, nach Ungarn zur Ansiedlung geschickt zu werden. Das Olmützer<lb/>
Kreisamt stellte ihnen zunächst einen Paß an das Gubernium in Brünn aus.<lb/>
Hier erhielten sie einen Paß nach Preßburg und zwanzig Gulden als &#x201E;Viatikum"<lb/>
(Reisezehrung), weil sie angaben, &#x201E;daß sie ansonsten nicht fortkommen könnten".<lb/>
Als drei Jahre später die Ansiedlungen in Ungarn (Banat) wegen der großen<lb/>
Zahl der Einwanderer eingestellt werden mußten, erging 1771 der Auftrag,<lb/>
daß die preußischen Deserteure aus Mähren nicht mehr hingeschickt werden sollten.<lb/>
Im folgenden Jahre wurde dieser Auftrag dahin ergänzt, daß die Kolonisation<lb/>
zwar eingestellt sei, doch stehe es jedem Einwanderer aus Polen und Preußen<lb/>
frei, dennoch nach Ungarn zu ziehen und sich in den königlichen Freistädter und<lb/>
auf Privatherrschaften auf eigene Unkosten niederzulassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_721"> Schon oben ist erwähnt worden, daß sich unter Kaiser Joseph den: Zweiten<lb/>
das Bestreben geltend machte, die in den Sudetenländern und in Galizien nicht<lb/>
untergebrachten preußischen Emigranten nach Ungarn zu schicken. Der kaiserliche<lb/>
Befehl wurde auch der ungarischen Hofkanzlei mitgeteilt. Am 9. Juni 1786<lb/>
berichtete diese, daß noch viele &#x201E;Deutsche aus dem Reich", die nach Ungarn<lb/>
gekommen waren, auf ihre Ansiedlung warten. Es werde daher kaum möglich<lb/>
sein, die &#x201E;preußischen Untertanen als Bauern mit Haus und Grundstücken zu<lb/>
versehen. Es scheint also nichts anderes übrig zu sein, als daß man sie nach<lb/>
Maß ihrer Tauglichkeit entweder als bloße Inwohner mit Häusern und einen:<lb/>
Grundstück zum Garten oder als Beiwohner in den Kameralgütern mit Zugebung<lb/>
einer Melkkuh unterbringe, wie man es bereits für die übrigen Einwanderer<lb/>
eingeraten hat. Die Professionisten, Handwerker und Fabrikanten sollen- aber<lb/>
in den königlichen Freistädter oder größeren Marktflecken mit den für die deutschen<lb/>
Reichseinwanderer bewilligten Begünstigungen untergebracht werden". Diese<lb/>
Vorschläge genehmigte Kaiser Joseph der Zweite am 26. Juni 1786.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_722"> Inzwischen war schon eine Anzahl preußischer Familien nach Ungarn<lb/>
gekommen. Einem Berichte der ungarischen Statthalter» vom 13. Juni 1786<lb/>
entnehmen wir, daß sich bei der Kaschauer Kameraladministration einundzwanzig<lb/>
preußische Familien, die zusammen vierundsiebzig Köpfe zählten, gemeldet hatten.<lb/>
Die Administration hatte sie auf der Herrschaft Pelion hin Säroser Komitat)<lb/>
untergebracht; dies wurde auch von der ungarischen Hofkanzlei genehmigt.<lb/>
Möglicherweise befinden sich unter den Deutschen, die neben Slowaken und<lb/>
Magyaren heute in KeczerpeMn wohnen, auch Nachkommen dieser preußischen<lb/>
Einwanderer. Doch ist es auch möglich, daß diese Ansiedler mit anderen aus<lb/>
dem Kaschauer Bezirke 1792 ins Banat versetzt wurden; solche Übersiedlungen<lb/>
fanden öfters statt. Bemerkt sei noch, daß in den Jahren 1784 und 1786<lb/>
auch andere Ansiedler aus Preußisch-Schlesien und aus Glatz nach Ungarn<lb/>
kamen. Ihre Zahl läßt sich nicht feststellen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0193] Preußische Ansiedler in «Österreich Sie baten, nach Ungarn zur Ansiedlung geschickt zu werden. Das Olmützer Kreisamt stellte ihnen zunächst einen Paß an das Gubernium in Brünn aus. Hier erhielten sie einen Paß nach Preßburg und zwanzig Gulden als „Viatikum" (Reisezehrung), weil sie angaben, „daß sie ansonsten nicht fortkommen könnten". Als drei Jahre später die Ansiedlungen in Ungarn (Banat) wegen der großen Zahl der Einwanderer eingestellt werden mußten, erging 1771 der Auftrag, daß die preußischen Deserteure aus Mähren nicht mehr hingeschickt werden sollten. Im folgenden Jahre wurde dieser Auftrag dahin ergänzt, daß die Kolonisation zwar eingestellt sei, doch stehe es jedem Einwanderer aus Polen und Preußen frei, dennoch nach Ungarn zu ziehen und sich in den königlichen Freistädter und auf Privatherrschaften auf eigene Unkosten niederzulassen. Schon oben ist erwähnt worden, daß sich unter Kaiser Joseph den: Zweiten das Bestreben geltend machte, die in den Sudetenländern und in Galizien nicht untergebrachten preußischen Emigranten nach Ungarn zu schicken. Der kaiserliche Befehl wurde auch der ungarischen Hofkanzlei mitgeteilt. Am 9. Juni 1786 berichtete diese, daß noch viele „Deutsche aus dem Reich", die nach Ungarn gekommen waren, auf ihre Ansiedlung warten. Es werde daher kaum möglich sein, die „preußischen Untertanen als Bauern mit Haus und Grundstücken zu versehen. Es scheint also nichts anderes übrig zu sein, als daß man sie nach Maß ihrer Tauglichkeit entweder als bloße Inwohner mit Häusern und einen: Grundstück zum Garten oder als Beiwohner in den Kameralgütern mit Zugebung einer Melkkuh unterbringe, wie man es bereits für die übrigen Einwanderer eingeraten hat. Die Professionisten, Handwerker und Fabrikanten sollen- aber in den königlichen Freistädter oder größeren Marktflecken mit den für die deutschen Reichseinwanderer bewilligten Begünstigungen untergebracht werden". Diese Vorschläge genehmigte Kaiser Joseph der Zweite am 26. Juni 1786. Inzwischen war schon eine Anzahl preußischer Familien nach Ungarn gekommen. Einem Berichte der ungarischen Statthalter» vom 13. Juni 1786 entnehmen wir, daß sich bei der Kaschauer Kameraladministration einundzwanzig preußische Familien, die zusammen vierundsiebzig Köpfe zählten, gemeldet hatten. Die Administration hatte sie auf der Herrschaft Pelion hin Säroser Komitat) untergebracht; dies wurde auch von der ungarischen Hofkanzlei genehmigt. Möglicherweise befinden sich unter den Deutschen, die neben Slowaken und Magyaren heute in KeczerpeMn wohnen, auch Nachkommen dieser preußischen Einwanderer. Doch ist es auch möglich, daß diese Ansiedler mit anderen aus dem Kaschauer Bezirke 1792 ins Banat versetzt wurden; solche Übersiedlungen fanden öfters statt. Bemerkt sei noch, daß in den Jahren 1784 und 1786 auch andere Ansiedler aus Preußisch-Schlesien und aus Glatz nach Ungarn kamen. Ihre Zahl läßt sich nicht feststellen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/193
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/193>, abgerufen am 19.05.2024.