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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Kur Frage der Fleischtenerilng

Viehseuchen kommen in diesen Ländern auch nicht mehr vor als in Deutschland
und durch geeignete Maßregeln an der Grenze kann das Einschleppen von Seuchen
sehr wohl gehindert werden. Die Aufhebung der Quarantäne sowie die vor¬
geschriebene Tuberkulinimpfung für Rinder dürfte Dänemark gegenüber aufzuheben
sein, ohne daß besondere Gefahren für die heimische Viehzucht damit verbunden
sind. Unverständlich erscheint es dem Laien, daß die Einfuhr russischer Schweine
für den oberschlesischen Jndustriebezirk gestattet ist, in das weitere Inland aber
nicht geschehen darf. Wenn bei dem Schweineimport aus Nußland nach
Oberschlesien keine besorgniserregenden Momente zutage treten, dann sollte man
doch wenigstens versuchsweise auch dem übrigen Reiche den Bezug der
russischen Borstenträger gestatten. Desgleichen könnte doch auch die
Kontingentierungsziffer für Schweine aus Österreich-Ungarn, die jährlich in
einer Menge von 130 000 Stück nach Bayern und Sachsen eingeführt
werden dürfen, vielleicht auf kurze Zeit zur Probe auf 300000 Stück erhöht
werden. Wenn bei dieser vermehrten Einfuhr eine scharfe veterinärpolizeiliche
Kontrolle des Gesundheitszustandes der einzuführenden Tiere an der Grenze
stattfindet, so wäre doch der Gefahr einer Seucheneinschleppung hinreichend
begegnet. Endlich könnte man Amerika und Australien auch die Einfuhr
gefrorenen Fleisches ermöglichen, das beim Überschreiten der Jnlandgrenze
einer Gesundheitsprüfung unterworfen werden müßte. Auch das Verbot
amerikanischen Büchsenfleisches, das doch früher in Menge der deutschen Volks-
ernährung diente, ohne schädigend auf den Gesundheitszustand zu wirken,
könnte meiner Meinung nach getrost wieder beseitigt werden, um so mehr, als
die Vereinigten Staaten selbst ja Wert darauf legen müßten, nur gesundes
Fleisch zum Export zu bringen, um die deutsche Kundschaft sich zu erhallen.
Alle diese Maßnahmen würden sicherlich -- England ist ja ein treffendes
Beispiel dafür -- die Menge des Fleisches im Inlande vermehren, ohne daß
die Vieherzeugung in Deutschland besonders gefährdet oder herabgemindert wird.

III. Wenn dem Herrn Landwirtschaftsnnnister von den Fleischerei¬
interessenten vorgeschlagen worden ist, zur Milderung der Fleischteuerung auf
eine Verbilligung und Verbesserung des Viehversandes auf der Eisenbahn hin¬
zuwirken, so kann man dem regierungsseitig dagegen in das Feld geführten
Argumente, die Herabsetzung der Viehtarife würde den Bahnen eine zu große
Schädigung verursachen, die Berechtigung nicht versagen. Vielleicht aber läßt
sich in der Richtung doch etwas erreichen, wenn man bedenkt, daß der Landes-
eisenbahnrat in seiner Sitzung am 30. Juni d. Is. eine Verlängerung der
Geltungsdauer des bei der Teuerung 1906 eingeführten Ausnahmetarifs für
Fleisch von frisch geschlachteten Vieh auf weitere zwei Jahre beschlossen hat. Von
einer Herabsetzung des Frachttarifs für Vieh auf die Hälfte der bestehenden
Sätze, wie von den Interessenten gewünscht wird, ist schon aus dem Grunde
abzusehen, daß diese Maßnahme pro KZ Fleisch nur eine Ersparnis von einem
Pfennig bewirken würde.


Kur Frage der Fleischtenerilng

Viehseuchen kommen in diesen Ländern auch nicht mehr vor als in Deutschland
und durch geeignete Maßregeln an der Grenze kann das Einschleppen von Seuchen
sehr wohl gehindert werden. Die Aufhebung der Quarantäne sowie die vor¬
geschriebene Tuberkulinimpfung für Rinder dürfte Dänemark gegenüber aufzuheben
sein, ohne daß besondere Gefahren für die heimische Viehzucht damit verbunden
sind. Unverständlich erscheint es dem Laien, daß die Einfuhr russischer Schweine
für den oberschlesischen Jndustriebezirk gestattet ist, in das weitere Inland aber
nicht geschehen darf. Wenn bei dem Schweineimport aus Nußland nach
Oberschlesien keine besorgniserregenden Momente zutage treten, dann sollte man
doch wenigstens versuchsweise auch dem übrigen Reiche den Bezug der
russischen Borstenträger gestatten. Desgleichen könnte doch auch die
Kontingentierungsziffer für Schweine aus Österreich-Ungarn, die jährlich in
einer Menge von 130 000 Stück nach Bayern und Sachsen eingeführt
werden dürfen, vielleicht auf kurze Zeit zur Probe auf 300000 Stück erhöht
werden. Wenn bei dieser vermehrten Einfuhr eine scharfe veterinärpolizeiliche
Kontrolle des Gesundheitszustandes der einzuführenden Tiere an der Grenze
stattfindet, so wäre doch der Gefahr einer Seucheneinschleppung hinreichend
begegnet. Endlich könnte man Amerika und Australien auch die Einfuhr
gefrorenen Fleisches ermöglichen, das beim Überschreiten der Jnlandgrenze
einer Gesundheitsprüfung unterworfen werden müßte. Auch das Verbot
amerikanischen Büchsenfleisches, das doch früher in Menge der deutschen Volks-
ernährung diente, ohne schädigend auf den Gesundheitszustand zu wirken,
könnte meiner Meinung nach getrost wieder beseitigt werden, um so mehr, als
die Vereinigten Staaten selbst ja Wert darauf legen müßten, nur gesundes
Fleisch zum Export zu bringen, um die deutsche Kundschaft sich zu erhallen.
Alle diese Maßnahmen würden sicherlich — England ist ja ein treffendes
Beispiel dafür — die Menge des Fleisches im Inlande vermehren, ohne daß
die Vieherzeugung in Deutschland besonders gefährdet oder herabgemindert wird.

III. Wenn dem Herrn Landwirtschaftsnnnister von den Fleischerei¬
interessenten vorgeschlagen worden ist, zur Milderung der Fleischteuerung auf
eine Verbilligung und Verbesserung des Viehversandes auf der Eisenbahn hin¬
zuwirken, so kann man dem regierungsseitig dagegen in das Feld geführten
Argumente, die Herabsetzung der Viehtarife würde den Bahnen eine zu große
Schädigung verursachen, die Berechtigung nicht versagen. Vielleicht aber läßt
sich in der Richtung doch etwas erreichen, wenn man bedenkt, daß der Landes-
eisenbahnrat in seiner Sitzung am 30. Juni d. Is. eine Verlängerung der
Geltungsdauer des bei der Teuerung 1906 eingeführten Ausnahmetarifs für
Fleisch von frisch geschlachteten Vieh auf weitere zwei Jahre beschlossen hat. Von
einer Herabsetzung des Frachttarifs für Vieh auf die Hälfte der bestehenden
Sätze, wie von den Interessenten gewünscht wird, ist schon aus dem Grunde
abzusehen, daß diese Maßnahme pro KZ Fleisch nur eine Ersparnis von einem
Pfennig bewirken würde.


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[0120] Kur Frage der Fleischtenerilng Viehseuchen kommen in diesen Ländern auch nicht mehr vor als in Deutschland und durch geeignete Maßregeln an der Grenze kann das Einschleppen von Seuchen sehr wohl gehindert werden. Die Aufhebung der Quarantäne sowie die vor¬ geschriebene Tuberkulinimpfung für Rinder dürfte Dänemark gegenüber aufzuheben sein, ohne daß besondere Gefahren für die heimische Viehzucht damit verbunden sind. Unverständlich erscheint es dem Laien, daß die Einfuhr russischer Schweine für den oberschlesischen Jndustriebezirk gestattet ist, in das weitere Inland aber nicht geschehen darf. Wenn bei dem Schweineimport aus Nußland nach Oberschlesien keine besorgniserregenden Momente zutage treten, dann sollte man doch wenigstens versuchsweise auch dem übrigen Reiche den Bezug der russischen Borstenträger gestatten. Desgleichen könnte doch auch die Kontingentierungsziffer für Schweine aus Österreich-Ungarn, die jährlich in einer Menge von 130 000 Stück nach Bayern und Sachsen eingeführt werden dürfen, vielleicht auf kurze Zeit zur Probe auf 300000 Stück erhöht werden. Wenn bei dieser vermehrten Einfuhr eine scharfe veterinärpolizeiliche Kontrolle des Gesundheitszustandes der einzuführenden Tiere an der Grenze stattfindet, so wäre doch der Gefahr einer Seucheneinschleppung hinreichend begegnet. Endlich könnte man Amerika und Australien auch die Einfuhr gefrorenen Fleisches ermöglichen, das beim Überschreiten der Jnlandgrenze einer Gesundheitsprüfung unterworfen werden müßte. Auch das Verbot amerikanischen Büchsenfleisches, das doch früher in Menge der deutschen Volks- ernährung diente, ohne schädigend auf den Gesundheitszustand zu wirken, könnte meiner Meinung nach getrost wieder beseitigt werden, um so mehr, als die Vereinigten Staaten selbst ja Wert darauf legen müßten, nur gesundes Fleisch zum Export zu bringen, um die deutsche Kundschaft sich zu erhallen. Alle diese Maßnahmen würden sicherlich — England ist ja ein treffendes Beispiel dafür — die Menge des Fleisches im Inlande vermehren, ohne daß die Vieherzeugung in Deutschland besonders gefährdet oder herabgemindert wird. III. Wenn dem Herrn Landwirtschaftsnnnister von den Fleischerei¬ interessenten vorgeschlagen worden ist, zur Milderung der Fleischteuerung auf eine Verbilligung und Verbesserung des Viehversandes auf der Eisenbahn hin¬ zuwirken, so kann man dem regierungsseitig dagegen in das Feld geführten Argumente, die Herabsetzung der Viehtarife würde den Bahnen eine zu große Schädigung verursachen, die Berechtigung nicht versagen. Vielleicht aber läßt sich in der Richtung doch etwas erreichen, wenn man bedenkt, daß der Landes- eisenbahnrat in seiner Sitzung am 30. Juni d. Is. eine Verlängerung der Geltungsdauer des bei der Teuerung 1906 eingeführten Ausnahmetarifs für Fleisch von frisch geschlachteten Vieh auf weitere zwei Jahre beschlossen hat. Von einer Herabsetzung des Frachttarifs für Vieh auf die Hälfte der bestehenden Sätze, wie von den Interessenten gewünscht wird, ist schon aus dem Grunde abzusehen, daß diese Maßnahme pro KZ Fleisch nur eine Ersparnis von einem Pfennig bewirken würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/120>, abgerufen am 29.05.2024.