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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Zur Frage der Flcischtcuermig

IV. Die empfohlene Beseitigung bezw, Verminderung von Abgaben aller
Art auf Schlachtvieh würde sich in zwei Richtungen bewegen: einmal würden
davon die Schlachthofgebühren, sodann aber die Kosten der Fleischbeschau betroffen
werden. Werden sich nun die Städte einer Herabsetzung der Schlachthofgebühren
gegenüber zustimmend verhalten, nachdem sie für Bai: und Instandhaltung ihrer
Schlachthäuser oft Unsummen aufgewandt haben, die doch verzinst werden müssen?
Ich glaube, gegen eine derartige Zumutung werden die Kommunen einmütig
protestieren, dies um so mehr, als etwaige Schlachthofüberschüsse doch meistens
für allgemeine städtische Aufgaben unverwandt werden und so die Steuerlast
nicht noch mehr steigen lassen. Einer Ermäßigung der Kosten der im allgemeinen
Interesse vorgenommenen Schlachtvieh- und Fleischbeschau, die das Fleischer¬
gewerbe jährlich nicht unbeträchtlich belasten sollen, läßt sich meines Ernchtens wohl
das Wort reden. Dagegen halte ich bei der jetzigen Finanzlage das Projekt
für unausführbar, daß die durch die Fleischbeschau erwachsenden Ausgaben dem
Reiche auferlegt werden sollen. Gegenüber diesem Vorschlage muß es unbedingt
heißen: "Viäearit L0N8uIes!"

Wenn nach dem Ergebnis vorstehender Ausführungen die Fleischteucrung
sich am wahrscheinlichsten durch eine weitere Öffnung der Grenzen für aus¬
ländisches Vieh wird mildern lassen, so wird doch die Regierung kaum diesen
Schritt tun, da sie eben diese Maßnahme "als ein Mittel zur Verbilligung
der Fleischversorgung nicht anerkennt und davon überzeugt ist, daß nur eine
Sicherung der Fleischerzeugung im Inlande eine ausreichende und preiswerte
Fleischversorgung der Bevölkerung aus die Dauer gewährleisten wird". In
Würdigung dieser allerdings sehr anfechtbaren Ansicht, die vor kurzem in der
"Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bei der Veröffentlichung der "amtlichen
Unterlagen" des Herrn Landwirtschaftsnnnisters für seine Darlegungen gegen¬
über der Abordnung des Deutschen Fleischerverbandes bekannt gegeben wurde,
kann vielleicht noch ein anderer Weg zur Bekämpfung der Fleischteuernng in
Frage kommen. Wie bereits am 18. Oktober 1905 der Verein der deutschen
Gerber in einer Eingabe an den Herrn Reichskanzler betonte, würde der bis¬
herige Fleischverbrauch der deutschen Bevölkerung gesteigert werden und dennoch
der Fleischbedarf sich der Fleischproduktion anzupassen vermögen, wenn an den
Grenzen auf deutschem Gebiete im Anschluß an Vollbahnen oder Häfen Schlacht¬
häuser zur Abschlachtung ausländischen Viehs erbaut würden, von denen aus
dann das Fleisch in das Inland gelangte. Als selbstverständlich ist bei diesem
Vorschlage vorauszusetzen, daß das ausländische Vieh vor und nach der Schlachtung
veterinärpolizeilich genau untersucht wird und daß alle im Inlande vorgeschriebenen
weiteren Untersuchungen dann fortfallen. So würde ohne Zweifel die Ein¬
schleppung von Viehseuchen vermieden und die Menge zum Verbrauch vor¬
handenen Fleisches vermehrt werden. Die Frage nach der Aufbringung der
Kosten für den Bau dieser Schlachthäuser hat der Verein der deutschen Gerber
dahin beantwortet, daß im Fall der Ablehnung der Bauten durch den Staat


Zur Frage der Flcischtcuermig

IV. Die empfohlene Beseitigung bezw, Verminderung von Abgaben aller
Art auf Schlachtvieh würde sich in zwei Richtungen bewegen: einmal würden
davon die Schlachthofgebühren, sodann aber die Kosten der Fleischbeschau betroffen
werden. Werden sich nun die Städte einer Herabsetzung der Schlachthofgebühren
gegenüber zustimmend verhalten, nachdem sie für Bai: und Instandhaltung ihrer
Schlachthäuser oft Unsummen aufgewandt haben, die doch verzinst werden müssen?
Ich glaube, gegen eine derartige Zumutung werden die Kommunen einmütig
protestieren, dies um so mehr, als etwaige Schlachthofüberschüsse doch meistens
für allgemeine städtische Aufgaben unverwandt werden und so die Steuerlast
nicht noch mehr steigen lassen. Einer Ermäßigung der Kosten der im allgemeinen
Interesse vorgenommenen Schlachtvieh- und Fleischbeschau, die das Fleischer¬
gewerbe jährlich nicht unbeträchtlich belasten sollen, läßt sich meines Ernchtens wohl
das Wort reden. Dagegen halte ich bei der jetzigen Finanzlage das Projekt
für unausführbar, daß die durch die Fleischbeschau erwachsenden Ausgaben dem
Reiche auferlegt werden sollen. Gegenüber diesem Vorschlage muß es unbedingt
heißen: „Viäearit L0N8uIes!"

Wenn nach dem Ergebnis vorstehender Ausführungen die Fleischteucrung
sich am wahrscheinlichsten durch eine weitere Öffnung der Grenzen für aus¬
ländisches Vieh wird mildern lassen, so wird doch die Regierung kaum diesen
Schritt tun, da sie eben diese Maßnahme „als ein Mittel zur Verbilligung
der Fleischversorgung nicht anerkennt und davon überzeugt ist, daß nur eine
Sicherung der Fleischerzeugung im Inlande eine ausreichende und preiswerte
Fleischversorgung der Bevölkerung aus die Dauer gewährleisten wird". In
Würdigung dieser allerdings sehr anfechtbaren Ansicht, die vor kurzem in der
„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bei der Veröffentlichung der „amtlichen
Unterlagen" des Herrn Landwirtschaftsnnnisters für seine Darlegungen gegen¬
über der Abordnung des Deutschen Fleischerverbandes bekannt gegeben wurde,
kann vielleicht noch ein anderer Weg zur Bekämpfung der Fleischteuernng in
Frage kommen. Wie bereits am 18. Oktober 1905 der Verein der deutschen
Gerber in einer Eingabe an den Herrn Reichskanzler betonte, würde der bis¬
herige Fleischverbrauch der deutschen Bevölkerung gesteigert werden und dennoch
der Fleischbedarf sich der Fleischproduktion anzupassen vermögen, wenn an den
Grenzen auf deutschem Gebiete im Anschluß an Vollbahnen oder Häfen Schlacht¬
häuser zur Abschlachtung ausländischen Viehs erbaut würden, von denen aus
dann das Fleisch in das Inland gelangte. Als selbstverständlich ist bei diesem
Vorschlage vorauszusetzen, daß das ausländische Vieh vor und nach der Schlachtung
veterinärpolizeilich genau untersucht wird und daß alle im Inlande vorgeschriebenen
weiteren Untersuchungen dann fortfallen. So würde ohne Zweifel die Ein¬
schleppung von Viehseuchen vermieden und die Menge zum Verbrauch vor¬
handenen Fleisches vermehrt werden. Die Frage nach der Aufbringung der
Kosten für den Bau dieser Schlachthäuser hat der Verein der deutschen Gerber
dahin beantwortet, daß im Fall der Ablehnung der Bauten durch den Staat


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[0121] Zur Frage der Flcischtcuermig IV. Die empfohlene Beseitigung bezw, Verminderung von Abgaben aller Art auf Schlachtvieh würde sich in zwei Richtungen bewegen: einmal würden davon die Schlachthofgebühren, sodann aber die Kosten der Fleischbeschau betroffen werden. Werden sich nun die Städte einer Herabsetzung der Schlachthofgebühren gegenüber zustimmend verhalten, nachdem sie für Bai: und Instandhaltung ihrer Schlachthäuser oft Unsummen aufgewandt haben, die doch verzinst werden müssen? Ich glaube, gegen eine derartige Zumutung werden die Kommunen einmütig protestieren, dies um so mehr, als etwaige Schlachthofüberschüsse doch meistens für allgemeine städtische Aufgaben unverwandt werden und so die Steuerlast nicht noch mehr steigen lassen. Einer Ermäßigung der Kosten der im allgemeinen Interesse vorgenommenen Schlachtvieh- und Fleischbeschau, die das Fleischer¬ gewerbe jährlich nicht unbeträchtlich belasten sollen, läßt sich meines Ernchtens wohl das Wort reden. Dagegen halte ich bei der jetzigen Finanzlage das Projekt für unausführbar, daß die durch die Fleischbeschau erwachsenden Ausgaben dem Reiche auferlegt werden sollen. Gegenüber diesem Vorschlage muß es unbedingt heißen: „Viäearit L0N8uIes!" Wenn nach dem Ergebnis vorstehender Ausführungen die Fleischteucrung sich am wahrscheinlichsten durch eine weitere Öffnung der Grenzen für aus¬ ländisches Vieh wird mildern lassen, so wird doch die Regierung kaum diesen Schritt tun, da sie eben diese Maßnahme „als ein Mittel zur Verbilligung der Fleischversorgung nicht anerkennt und davon überzeugt ist, daß nur eine Sicherung der Fleischerzeugung im Inlande eine ausreichende und preiswerte Fleischversorgung der Bevölkerung aus die Dauer gewährleisten wird". In Würdigung dieser allerdings sehr anfechtbaren Ansicht, die vor kurzem in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bei der Veröffentlichung der „amtlichen Unterlagen" des Herrn Landwirtschaftsnnnisters für seine Darlegungen gegen¬ über der Abordnung des Deutschen Fleischerverbandes bekannt gegeben wurde, kann vielleicht noch ein anderer Weg zur Bekämpfung der Fleischteuernng in Frage kommen. Wie bereits am 18. Oktober 1905 der Verein der deutschen Gerber in einer Eingabe an den Herrn Reichskanzler betonte, würde der bis¬ herige Fleischverbrauch der deutschen Bevölkerung gesteigert werden und dennoch der Fleischbedarf sich der Fleischproduktion anzupassen vermögen, wenn an den Grenzen auf deutschem Gebiete im Anschluß an Vollbahnen oder Häfen Schlacht¬ häuser zur Abschlachtung ausländischen Viehs erbaut würden, von denen aus dann das Fleisch in das Inland gelangte. Als selbstverständlich ist bei diesem Vorschlage vorauszusetzen, daß das ausländische Vieh vor und nach der Schlachtung veterinärpolizeilich genau untersucht wird und daß alle im Inlande vorgeschriebenen weiteren Untersuchungen dann fortfallen. So würde ohne Zweifel die Ein¬ schleppung von Viehseuchen vermieden und die Menge zum Verbrauch vor¬ handenen Fleisches vermehrt werden. Die Frage nach der Aufbringung der Kosten für den Bau dieser Schlachthäuser hat der Verein der deutschen Gerber dahin beantwortet, daß im Fall der Ablehnung der Bauten durch den Staat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/121>, abgerufen am 15.05.2024.