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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Der Acmfmcmnsstand in der deutschen Literatur

hier: sehe ein jeglicher sein eigen, seiner Kinder und Erben Verderben an, das
ihm nicht vor der Tür, sondern schon im Haus rumort, und tue dazu Kaiser,
Fürsten, Herren und Städte, daß der Kauf nur aufs schierste werde verdammt,
und hinfort gewehret, unangesehn..." Auch den Fuggern, meint er, müsse
ein Zaum ins Maul gelegt werden. Denn es kann nicht göttlich zugehen,
daß auf einen Haufen so große Schätze gebracht werden. Wenn das weltliche
Schwert hier nicht wehrt, prophezeit Luther der Zukunft den Spruch Christi:
Matth. 24, 38, 39. Luk. 17, 26 ff.

So predigt der große Reformator der Weltverständigen. Und doch weiß
auch er, daß der Handel, daß Kaufen und Verkaufen ein nötig Ding ist, "das
man nicht entbehren und wohl christlich brauchen kann".

Feindlicher noch als der mittelalterliche Klerus, steht die kirchliche Literatur
der Reformation weltlichen Dingen gegenüber. Wenn Ulrich von Hütten auch
kein unbedingter Gegner des Handels war, so verkörperte für ihn doch das
Deutschland des Tacitus das Optimum (Zermanme tsmpus, das Deutschland,
welches noch unberührt war vom schädlichen fremden Einfluß, das weder Luxus
noch Geld, das auch, wie er in den "Jnspicientes" schreibt, keinen Kaufmanns¬
stand gekannt hatte. Wie Luther, so auch Erasmus. Für ihn sind die Kauf¬
leute die "törichste und schmutzigste Menschenklasse; sie treiben das verdächtigste
aller Gewerbe und noch dazu auf die niederträchtigste Weise der Welt".

So donnerte die Geistlichkeit, seien es nun Lutheraner oder deren Wider¬
sacher, die Katholiken, in Wort und Schrift theoretisch gegen den Handel.
Wie aber die Kirche in praxi sich dazu verhielt, auch davon reden die über¬
lieferten Nachrichten.

Auch die in jenen Jahren den Büchermarkt überschwemmenden Sprüch-
wörtersammlungen setzen sich mit dem Kaufmannsstand und seiner Zeit aus¬
einander, und sie gehen in ihren Auslegungen so ziemlich mit der kirchlichen
Meinung zusammen.

Unter den zwischen 1522 und 1565 erschienenen unterhaltenden Samm¬
lungen kommt für die Frage nach dem Kaufmann in der Literatur hauptsächlich
das "Rollwagenbüchlein" des Georg Wickram in Betracht. Im Jahre 1555
übersandte Wickram dies Büchlein seinem Kolmarer Freunde Martin Neuburger,
der das Wirtshaus zur Blume besaß und regelmäßig zur Straßburger Messe
einen Rollwägen fahren ließ. Das Werk war zur Erheiterung der zur Messe
reisenden Kaufleute bestimmt.

AIs Vorläufer solcher Schwanksammlungen kann schon Till Eulenspiegel
gelten. Er selbst war auf seinen Wanderfahrten ein betrügerischer Krämer, der
mit seiner Schalkhaftigkeit Frankfurter Juden an der Nase herumführt. Auch
hat er bei einem Kaufmann in Diensten gestanden. Das ist aber auch alles,
was wir bei ihm über den Kaufmann zu hören bekommen. Ein anderes Bild
gibt uns die 1522 erschienene Sammlung von Schwänken, die Johannes Pauli
unter dem Titel "Schimpf, und Ernst" herausgegeben hat. Was er uns vom


Der Acmfmcmnsstand in der deutschen Literatur

hier: sehe ein jeglicher sein eigen, seiner Kinder und Erben Verderben an, das
ihm nicht vor der Tür, sondern schon im Haus rumort, und tue dazu Kaiser,
Fürsten, Herren und Städte, daß der Kauf nur aufs schierste werde verdammt,
und hinfort gewehret, unangesehn..." Auch den Fuggern, meint er, müsse
ein Zaum ins Maul gelegt werden. Denn es kann nicht göttlich zugehen,
daß auf einen Haufen so große Schätze gebracht werden. Wenn das weltliche
Schwert hier nicht wehrt, prophezeit Luther der Zukunft den Spruch Christi:
Matth. 24, 38, 39. Luk. 17, 26 ff.

So predigt der große Reformator der Weltverständigen. Und doch weiß
auch er, daß der Handel, daß Kaufen und Verkaufen ein nötig Ding ist, „das
man nicht entbehren und wohl christlich brauchen kann".

Feindlicher noch als der mittelalterliche Klerus, steht die kirchliche Literatur
der Reformation weltlichen Dingen gegenüber. Wenn Ulrich von Hütten auch
kein unbedingter Gegner des Handels war, so verkörperte für ihn doch das
Deutschland des Tacitus das Optimum (Zermanme tsmpus, das Deutschland,
welches noch unberührt war vom schädlichen fremden Einfluß, das weder Luxus
noch Geld, das auch, wie er in den „Jnspicientes" schreibt, keinen Kaufmanns¬
stand gekannt hatte. Wie Luther, so auch Erasmus. Für ihn sind die Kauf¬
leute die „törichste und schmutzigste Menschenklasse; sie treiben das verdächtigste
aller Gewerbe und noch dazu auf die niederträchtigste Weise der Welt".

So donnerte die Geistlichkeit, seien es nun Lutheraner oder deren Wider¬
sacher, die Katholiken, in Wort und Schrift theoretisch gegen den Handel.
Wie aber die Kirche in praxi sich dazu verhielt, auch davon reden die über¬
lieferten Nachrichten.

Auch die in jenen Jahren den Büchermarkt überschwemmenden Sprüch-
wörtersammlungen setzen sich mit dem Kaufmannsstand und seiner Zeit aus¬
einander, und sie gehen in ihren Auslegungen so ziemlich mit der kirchlichen
Meinung zusammen.

Unter den zwischen 1522 und 1565 erschienenen unterhaltenden Samm¬
lungen kommt für die Frage nach dem Kaufmann in der Literatur hauptsächlich
das „Rollwagenbüchlein" des Georg Wickram in Betracht. Im Jahre 1555
übersandte Wickram dies Büchlein seinem Kolmarer Freunde Martin Neuburger,
der das Wirtshaus zur Blume besaß und regelmäßig zur Straßburger Messe
einen Rollwägen fahren ließ. Das Werk war zur Erheiterung der zur Messe
reisenden Kaufleute bestimmt.

AIs Vorläufer solcher Schwanksammlungen kann schon Till Eulenspiegel
gelten. Er selbst war auf seinen Wanderfahrten ein betrügerischer Krämer, der
mit seiner Schalkhaftigkeit Frankfurter Juden an der Nase herumführt. Auch
hat er bei einem Kaufmann in Diensten gestanden. Das ist aber auch alles,
was wir bei ihm über den Kaufmann zu hören bekommen. Ein anderes Bild
gibt uns die 1522 erschienene Sammlung von Schwänken, die Johannes Pauli
unter dem Titel „Schimpf, und Ernst" herausgegeben hat. Was er uns vom


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[0128] Der Acmfmcmnsstand in der deutschen Literatur hier: sehe ein jeglicher sein eigen, seiner Kinder und Erben Verderben an, das ihm nicht vor der Tür, sondern schon im Haus rumort, und tue dazu Kaiser, Fürsten, Herren und Städte, daß der Kauf nur aufs schierste werde verdammt, und hinfort gewehret, unangesehn..." Auch den Fuggern, meint er, müsse ein Zaum ins Maul gelegt werden. Denn es kann nicht göttlich zugehen, daß auf einen Haufen so große Schätze gebracht werden. Wenn das weltliche Schwert hier nicht wehrt, prophezeit Luther der Zukunft den Spruch Christi: Matth. 24, 38, 39. Luk. 17, 26 ff. So predigt der große Reformator der Weltverständigen. Und doch weiß auch er, daß der Handel, daß Kaufen und Verkaufen ein nötig Ding ist, „das man nicht entbehren und wohl christlich brauchen kann". Feindlicher noch als der mittelalterliche Klerus, steht die kirchliche Literatur der Reformation weltlichen Dingen gegenüber. Wenn Ulrich von Hütten auch kein unbedingter Gegner des Handels war, so verkörperte für ihn doch das Deutschland des Tacitus das Optimum (Zermanme tsmpus, das Deutschland, welches noch unberührt war vom schädlichen fremden Einfluß, das weder Luxus noch Geld, das auch, wie er in den „Jnspicientes" schreibt, keinen Kaufmanns¬ stand gekannt hatte. Wie Luther, so auch Erasmus. Für ihn sind die Kauf¬ leute die „törichste und schmutzigste Menschenklasse; sie treiben das verdächtigste aller Gewerbe und noch dazu auf die niederträchtigste Weise der Welt". So donnerte die Geistlichkeit, seien es nun Lutheraner oder deren Wider¬ sacher, die Katholiken, in Wort und Schrift theoretisch gegen den Handel. Wie aber die Kirche in praxi sich dazu verhielt, auch davon reden die über¬ lieferten Nachrichten. Auch die in jenen Jahren den Büchermarkt überschwemmenden Sprüch- wörtersammlungen setzen sich mit dem Kaufmannsstand und seiner Zeit aus¬ einander, und sie gehen in ihren Auslegungen so ziemlich mit der kirchlichen Meinung zusammen. Unter den zwischen 1522 und 1565 erschienenen unterhaltenden Samm¬ lungen kommt für die Frage nach dem Kaufmann in der Literatur hauptsächlich das „Rollwagenbüchlein" des Georg Wickram in Betracht. Im Jahre 1555 übersandte Wickram dies Büchlein seinem Kolmarer Freunde Martin Neuburger, der das Wirtshaus zur Blume besaß und regelmäßig zur Straßburger Messe einen Rollwägen fahren ließ. Das Werk war zur Erheiterung der zur Messe reisenden Kaufleute bestimmt. AIs Vorläufer solcher Schwanksammlungen kann schon Till Eulenspiegel gelten. Er selbst war auf seinen Wanderfahrten ein betrügerischer Krämer, der mit seiner Schalkhaftigkeit Frankfurter Juden an der Nase herumführt. Auch hat er bei einem Kaufmann in Diensten gestanden. Das ist aber auch alles, was wir bei ihm über den Kaufmann zu hören bekommen. Ein anderes Bild gibt uns die 1522 erschienene Sammlung von Schwänken, die Johannes Pauli unter dem Titel „Schimpf, und Ernst" herausgegeben hat. Was er uns vom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/128>, abgerufen am 29.05.2024.