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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Der Aaufmcmnsstcmd in der deutschen Literatur

In hübschen, gut gewählten Farben, mit einem für die Sachssche Manier
charakteristischen Grundton, zeichnet Sachs auch seine Fabel "Vom Krämer und
den Affen":

Ein Krämer zieht zur Messe. Von der Hitze in den Wald getrieben, legt
er sich dort am Rande eines Bächleins nieder, um einen Schlaf zu tun. Kaum
aber hat er die Al:M geschlossen, als ein Affe dies bemerkt, der nun nichts
Eiligeres zu tun weiß, als seine Mitaffen herbeizulocken. Der Krämerkorb wird
unbarmherzig geplündert, die Pfeifen, Schlötterlein, Gürtel, Nestel, Kinder¬
täschchen, Spiegel, Kämme, Lebkuchen, Zucker und alles, was des Korbes Inhalt
ist, wird an den Aesten der Bäume aufgehängt. Während diese Verwüstung
vor sich geht, hat der Krämer seinen schönsten Lebenstraum: er hat auf der
Dorfkirchweih seinen Kran: aufgestellt, das Volk drängt und stößt sich drum
herum, und er macht die glänzendsten Geschäfte. Da begeht ein Affe die
Unliebenswürdigkeit, seinen tierischen Gefühlen freien Lauf zu lassen, indem er
sich als Zielscheibe des Krämers Hut und Ohr aussucht. Dieser erwacht darob
und sieht seinen Schaden. Und so, sagt Hans Sachs in seiner erklärenden
Nachrede, geht es in dieser Zeit manchem sich kümmerlich ernährenden Mann.
Wie es freche Affen gibt, so cuich deren würdige Nachkommen, die Menschen,
die einem oft den Handel verunglimpfen.

Mitteilungen über die schon damals in Kaufmcmnskreisen übliche Sitte des
Lehrvertrags gibt Hans Sachs in der Person des Junkers Engelhard in seiner
"Klag der sechzehn ordensleut". Junker Engelhard möchte gar zu gerne hei¬
raten, ist jedoch durch den ihn auf drei Jahre bindenden Vertrag, den er mit
seinem Herrn abgeschlossen, daran verhindert. Auch bei Sachs beklagt sich der
Krämer über schlechte Zeiten: "Hauptgut und gewinn gehen mit der zehrung
hin", auch bei ihm finden loir das Motiv, das auf dem Verhältnis zu Mann
und Frau fußt und das sich sowohl durch die meisten Fastnachtsspiele als auch
durch die Schwankerzählungen hindurchzieht.

In einem vermutlich um 1540 entstandenen Stück spielt der Kaufmann
ausnahmsweise wieder einmal die Hauptrolle: im "Mercator" des Thomas
Naogeorgius oder, wie er sich sonst nannte, Kirchmeier von Straubingen. Das
Stück hat sein Vorbild in den katholischen Morälitäten, hauptsächlich im"Homulus",
gesehen. Naogeorg benutzt die daraus geschöpften Lehren, nur dreht er den
Spieß um und wendet die Spitze seiner Waffe schroff gegen die katholische
Glaubenslehre. Aus den katholischen Glaubenssätzen, welche den Gnadenweg
in den Himmel zeigten, formt er seine protestantische Rechtfertigungslehre. Und
das Eigentümliche eben ist, daß ein Kaufmann als Mittel zu deren Verkündigung


Der Aaufmcmnsstcmd in der deutschen Literatur

In hübschen, gut gewählten Farben, mit einem für die Sachssche Manier
charakteristischen Grundton, zeichnet Sachs auch seine Fabel „Vom Krämer und
den Affen":

Ein Krämer zieht zur Messe. Von der Hitze in den Wald getrieben, legt
er sich dort am Rande eines Bächleins nieder, um einen Schlaf zu tun. Kaum
aber hat er die Al:M geschlossen, als ein Affe dies bemerkt, der nun nichts
Eiligeres zu tun weiß, als seine Mitaffen herbeizulocken. Der Krämerkorb wird
unbarmherzig geplündert, die Pfeifen, Schlötterlein, Gürtel, Nestel, Kinder¬
täschchen, Spiegel, Kämme, Lebkuchen, Zucker und alles, was des Korbes Inhalt
ist, wird an den Aesten der Bäume aufgehängt. Während diese Verwüstung
vor sich geht, hat der Krämer seinen schönsten Lebenstraum: er hat auf der
Dorfkirchweih seinen Kran: aufgestellt, das Volk drängt und stößt sich drum
herum, und er macht die glänzendsten Geschäfte. Da begeht ein Affe die
Unliebenswürdigkeit, seinen tierischen Gefühlen freien Lauf zu lassen, indem er
sich als Zielscheibe des Krämers Hut und Ohr aussucht. Dieser erwacht darob
und sieht seinen Schaden. Und so, sagt Hans Sachs in seiner erklärenden
Nachrede, geht es in dieser Zeit manchem sich kümmerlich ernährenden Mann.
Wie es freche Affen gibt, so cuich deren würdige Nachkommen, die Menschen,
die einem oft den Handel verunglimpfen.

Mitteilungen über die schon damals in Kaufmcmnskreisen übliche Sitte des
Lehrvertrags gibt Hans Sachs in der Person des Junkers Engelhard in seiner
„Klag der sechzehn ordensleut". Junker Engelhard möchte gar zu gerne hei¬
raten, ist jedoch durch den ihn auf drei Jahre bindenden Vertrag, den er mit
seinem Herrn abgeschlossen, daran verhindert. Auch bei Sachs beklagt sich der
Krämer über schlechte Zeiten: „Hauptgut und gewinn gehen mit der zehrung
hin", auch bei ihm finden loir das Motiv, das auf dem Verhältnis zu Mann
und Frau fußt und das sich sowohl durch die meisten Fastnachtsspiele als auch
durch die Schwankerzählungen hindurchzieht.

In einem vermutlich um 1540 entstandenen Stück spielt der Kaufmann
ausnahmsweise wieder einmal die Hauptrolle: im „Mercator" des Thomas
Naogeorgius oder, wie er sich sonst nannte, Kirchmeier von Straubingen. Das
Stück hat sein Vorbild in den katholischen Morälitäten, hauptsächlich im„Homulus",
gesehen. Naogeorg benutzt die daraus geschöpften Lehren, nur dreht er den
Spieß um und wendet die Spitze seiner Waffe schroff gegen die katholische
Glaubenslehre. Aus den katholischen Glaubenssätzen, welche den Gnadenweg
in den Himmel zeigten, formt er seine protestantische Rechtfertigungslehre. Und
das Eigentümliche eben ist, daß ein Kaufmann als Mittel zu deren Verkündigung


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[0131] Der Aaufmcmnsstcmd in der deutschen Literatur In hübschen, gut gewählten Farben, mit einem für die Sachssche Manier charakteristischen Grundton, zeichnet Sachs auch seine Fabel „Vom Krämer und den Affen": Ein Krämer zieht zur Messe. Von der Hitze in den Wald getrieben, legt er sich dort am Rande eines Bächleins nieder, um einen Schlaf zu tun. Kaum aber hat er die Al:M geschlossen, als ein Affe dies bemerkt, der nun nichts Eiligeres zu tun weiß, als seine Mitaffen herbeizulocken. Der Krämerkorb wird unbarmherzig geplündert, die Pfeifen, Schlötterlein, Gürtel, Nestel, Kinder¬ täschchen, Spiegel, Kämme, Lebkuchen, Zucker und alles, was des Korbes Inhalt ist, wird an den Aesten der Bäume aufgehängt. Während diese Verwüstung vor sich geht, hat der Krämer seinen schönsten Lebenstraum: er hat auf der Dorfkirchweih seinen Kran: aufgestellt, das Volk drängt und stößt sich drum herum, und er macht die glänzendsten Geschäfte. Da begeht ein Affe die Unliebenswürdigkeit, seinen tierischen Gefühlen freien Lauf zu lassen, indem er sich als Zielscheibe des Krämers Hut und Ohr aussucht. Dieser erwacht darob und sieht seinen Schaden. Und so, sagt Hans Sachs in seiner erklärenden Nachrede, geht es in dieser Zeit manchem sich kümmerlich ernährenden Mann. Wie es freche Affen gibt, so cuich deren würdige Nachkommen, die Menschen, die einem oft den Handel verunglimpfen. Mitteilungen über die schon damals in Kaufmcmnskreisen übliche Sitte des Lehrvertrags gibt Hans Sachs in der Person des Junkers Engelhard in seiner „Klag der sechzehn ordensleut". Junker Engelhard möchte gar zu gerne hei¬ raten, ist jedoch durch den ihn auf drei Jahre bindenden Vertrag, den er mit seinem Herrn abgeschlossen, daran verhindert. Auch bei Sachs beklagt sich der Krämer über schlechte Zeiten: „Hauptgut und gewinn gehen mit der zehrung hin", auch bei ihm finden loir das Motiv, das auf dem Verhältnis zu Mann und Frau fußt und das sich sowohl durch die meisten Fastnachtsspiele als auch durch die Schwankerzählungen hindurchzieht. In einem vermutlich um 1540 entstandenen Stück spielt der Kaufmann ausnahmsweise wieder einmal die Hauptrolle: im „Mercator" des Thomas Naogeorgius oder, wie er sich sonst nannte, Kirchmeier von Straubingen. Das Stück hat sein Vorbild in den katholischen Morälitäten, hauptsächlich im„Homulus", gesehen. Naogeorg benutzt die daraus geschöpften Lehren, nur dreht er den Spieß um und wendet die Spitze seiner Waffe schroff gegen die katholische Glaubenslehre. Aus den katholischen Glaubenssätzen, welche den Gnadenweg in den Himmel zeigten, formt er seine protestantische Rechtfertigungslehre. Und das Eigentümliche eben ist, daß ein Kaufmann als Mittel zu deren Verkündigung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/131>, abgerufen am 10.06.2024.