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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Der Uaufmannsstcmd in der deutschen Literatur

Hans Wilhelm Kirchhofs "Wendunmuth" streift in seinem Schwank "Ein
Junker will einen Kaufmann verspotten" wieder das kaufmännische Eheproblem.
Der Junker wirft dem Kaufmann die Untreue der Kaufmannsfrauen vor, die
während der Abwesenheit ihres Gemahls junge feine Gesellen, zum Teil von
Adel, in die Tür schlüpfen lassen, "daher es kompt denn, daß die bürger so
hübsche Kinder haben". Dem Kaufmann scheint das immer noch ganz gut, so
kommen wenigstens, meint er, "grade lent" auf die Welt, während hinter den
Schloßmauern die Ritterdamen von Narren, Köchen und Stallknechten versehen
werden.

Aber auch das Drama der folgenden Periode weiß wenig zu sagen über
den Kaufmann und sein Leben. Hans Sachs gibt sich viel zu viel mit den
Bauern und der Geistlichkeit ab, als daß er für den Handelsstand noch etwas
übrig hätte. Dann und wann freilich läßt er auch diesen zu Worte kommen.
So dichtet Sachs anno saluti3 1526 seinen "Mercurius, ein got der Kaufleute".
Merkur erklärt sein Verhältnis zum Kaufmann oder vergleicht dessen hauptsäch¬
lichste Eigenschaften mit der Kleidung des Gottes. So bedeuten z. B. die
Flügel Merkurs, daß der Kaufmann allezeit bereit sein muß zu reiten, fahren,
laufen, wandern, von einen: Land ins andere:

Merkurs Helm bedeutet, daß des Kaufmanns Handel "still", d. h. ver¬
schwiegen sein muß usf. Doch, sagt Merkur, werde der Gott der Kaufleute oft
auch für einen großen Gott der Diebe gehalten, da zwischen Dieb und Kauf¬
mann nahe verwandtschaftliche Beziehungen bestünden. In den Kreis solcher
Verwandtschaft gehört ein falscher Kaufmann, der sich nur ganz dem Geiz
ergibt:


Der Uaufmannsstcmd in der deutschen Literatur

Hans Wilhelm Kirchhofs „Wendunmuth" streift in seinem Schwank „Ein
Junker will einen Kaufmann verspotten" wieder das kaufmännische Eheproblem.
Der Junker wirft dem Kaufmann die Untreue der Kaufmannsfrauen vor, die
während der Abwesenheit ihres Gemahls junge feine Gesellen, zum Teil von
Adel, in die Tür schlüpfen lassen, „daher es kompt denn, daß die bürger so
hübsche Kinder haben". Dem Kaufmann scheint das immer noch ganz gut, so
kommen wenigstens, meint er, „grade lent" auf die Welt, während hinter den
Schloßmauern die Ritterdamen von Narren, Köchen und Stallknechten versehen
werden.

Aber auch das Drama der folgenden Periode weiß wenig zu sagen über
den Kaufmann und sein Leben. Hans Sachs gibt sich viel zu viel mit den
Bauern und der Geistlichkeit ab, als daß er für den Handelsstand noch etwas
übrig hätte. Dann und wann freilich läßt er auch diesen zu Worte kommen.
So dichtet Sachs anno saluti3 1526 seinen „Mercurius, ein got der Kaufleute".
Merkur erklärt sein Verhältnis zum Kaufmann oder vergleicht dessen hauptsäch¬
lichste Eigenschaften mit der Kleidung des Gottes. So bedeuten z. B. die
Flügel Merkurs, daß der Kaufmann allezeit bereit sein muß zu reiten, fahren,
laufen, wandern, von einen: Land ins andere:

Merkurs Helm bedeutet, daß des Kaufmanns Handel „still", d. h. ver¬
schwiegen sein muß usf. Doch, sagt Merkur, werde der Gott der Kaufleute oft
auch für einen großen Gott der Diebe gehalten, da zwischen Dieb und Kauf¬
mann nahe verwandtschaftliche Beziehungen bestünden. In den Kreis solcher
Verwandtschaft gehört ein falscher Kaufmann, der sich nur ganz dem Geiz
ergibt:


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[0130] Der Uaufmannsstcmd in der deutschen Literatur Hans Wilhelm Kirchhofs „Wendunmuth" streift in seinem Schwank „Ein Junker will einen Kaufmann verspotten" wieder das kaufmännische Eheproblem. Der Junker wirft dem Kaufmann die Untreue der Kaufmannsfrauen vor, die während der Abwesenheit ihres Gemahls junge feine Gesellen, zum Teil von Adel, in die Tür schlüpfen lassen, „daher es kompt denn, daß die bürger so hübsche Kinder haben". Dem Kaufmann scheint das immer noch ganz gut, so kommen wenigstens, meint er, „grade lent" auf die Welt, während hinter den Schloßmauern die Ritterdamen von Narren, Köchen und Stallknechten versehen werden. Aber auch das Drama der folgenden Periode weiß wenig zu sagen über den Kaufmann und sein Leben. Hans Sachs gibt sich viel zu viel mit den Bauern und der Geistlichkeit ab, als daß er für den Handelsstand noch etwas übrig hätte. Dann und wann freilich läßt er auch diesen zu Worte kommen. So dichtet Sachs anno saluti3 1526 seinen „Mercurius, ein got der Kaufleute". Merkur erklärt sein Verhältnis zum Kaufmann oder vergleicht dessen hauptsäch¬ lichste Eigenschaften mit der Kleidung des Gottes. So bedeuten z. B. die Flügel Merkurs, daß der Kaufmann allezeit bereit sein muß zu reiten, fahren, laufen, wandern, von einen: Land ins andere: Merkurs Helm bedeutet, daß des Kaufmanns Handel „still", d. h. ver¬ schwiegen sein muß usf. Doch, sagt Merkur, werde der Gott der Kaufleute oft auch für einen großen Gott der Diebe gehalten, da zwischen Dieb und Kauf¬ mann nahe verwandtschaftliche Beziehungen bestünden. In den Kreis solcher Verwandtschaft gehört ein falscher Kaufmann, der sich nur ganz dem Geiz ergibt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/130>, abgerufen am 04.06.2024.