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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die Weiterentwicklung des deutsch-österreichischen Bündnisses

dieses Ziel waren auch die Verhandlungen mit Andrassy in Gastein gerichtet,
die dann zum Abschlüsse des Bündnisses führte". Die Ziele Bismarcks gingen
nach drei Richtungen: Ausdehnung des Bündnisfalls auch auf einen Angriff
Frankreichs allein auf Deutschland. Einverleibung des Bündnisses in die Ver¬
fassungen, das dadurch dauernd festgelegt, sich von andern zeitlich befristeten
Verträgen entsprechend abgehoben hätte, endlich eine Annäherung auf wirt¬
schaftlichem Gebiet, deren Endziel eine Zollgemeinschaft sein sollte.

Auf all das ging Andrassy nicht ein; er war ein aufrichtiger Freund des
Zusammengehens mit dem Deutschen Reich; war aber die Linie der auswärtigen
Politik Österreich-Ungarns verfassungsmäßig ein für allemal festgelegt, dann
blieb der magyarischen Vorherrschaft auf diesem Gebiet wenig Spielraum. Es
mögen auch noch andre Gründe mitgespielt haben; ein solches Vertragswerk
hätte nicht mit einem Schlage ins Leben treten können und eines längeren
Ausbaues bedurft; Andrassy war aber im Begriff seinen Abschied zu nehmen
und wollte nur mehr das Bündnis abschließen, um dann dem Kaiser sein
Portefeuille zur Verfügung zu stellen. Man kann verstehen, daß er darum nur
auf das sofort Erreichbare ging. Von Bismarcks ursprünglicher Absicht kam
ein kümmerlicher Rest in der Einleitung des Vertrages in der Wendung zum
Ausdruck: "daß beide Monarchen, ähnlich wie im früher bestandenen Bundes¬
verhältnisse, durch festes Zusammenstehen beider Reiche usw.".

Bismarck behielt seine ursprünglichen Ziele wohl noch eine Zeitlang im
Auge. So regte Windthorst im Jahre 1885 im Reichstage an. "politisch-
Pragmatische Verträge mit Österreich zu schließen und dadurch die Lücke zu
decken, die das Jahr 1866 in die deutschen Beziehungen gerissen hat"; und
Bismarck erwiderte, daß er mit Windthorst über das Wünschenswerte derartiger
Verträge einer Meinung sei. er habe sich auch in dieser Richtung bei Osterreich
bemüht, aber die Schwierigkeiten, die sich dort entgegenstellten, seien sehr groß;
es sei sehr zweifelhaft, ob eine Regierung dort, die bereit wäre, auf derartige
Verträge einzugehen, sie von den parlamentarischen Körperschaften bewilligt
bekäme. Es ist aus dem Wortlaute dieser Rede nicht zu ersehen, ob Bismarck
hier auf seine Bemühungen bei den Vorverhandlungen zum Abschlüsse des
Bündnisses Bezug nahm oder ob er nach dem Abschlüsse noch weitere Versuche
w dieser Richtung gemacht hat. Wenn man auf Seite Österreichs auf die
parlamentarischen Schwierigkeiten verwies, so war das wohl nnr ein Deckmantel
für die Unlust der Regierung. Gerade damals kam in Ungarn im Zusammen¬
hang mit der deutschen Schutzzollpolitik und den deutschen Getreidezöllen eine
Bewegung zugunsten eines Zollbündnisses mit den: Deutschen Reiche in Gang;
und trotz der deutschfeindlichen Mehrheit des "eisernen Rings", die damals
unter dem Kabinett Taaffe das österreichische Parlament beherrschte, hatte eme
Regierung, die ernstlich wollte, wohl auch hier derartige Verträge durchdrücken
können. Sehr nachdrücklich waren indes die von deutscher Seite erfolgenden
Anregungen, wenn sie überhaupt noch stattgefunden haben, sicherlich uicht.


Die Weiterentwicklung des deutsch-österreichischen Bündnisses

dieses Ziel waren auch die Verhandlungen mit Andrassy in Gastein gerichtet,
die dann zum Abschlüsse des Bündnisses führte». Die Ziele Bismarcks gingen
nach drei Richtungen: Ausdehnung des Bündnisfalls auch auf einen Angriff
Frankreichs allein auf Deutschland. Einverleibung des Bündnisses in die Ver¬
fassungen, das dadurch dauernd festgelegt, sich von andern zeitlich befristeten
Verträgen entsprechend abgehoben hätte, endlich eine Annäherung auf wirt¬
schaftlichem Gebiet, deren Endziel eine Zollgemeinschaft sein sollte.

Auf all das ging Andrassy nicht ein; er war ein aufrichtiger Freund des
Zusammengehens mit dem Deutschen Reich; war aber die Linie der auswärtigen
Politik Österreich-Ungarns verfassungsmäßig ein für allemal festgelegt, dann
blieb der magyarischen Vorherrschaft auf diesem Gebiet wenig Spielraum. Es
mögen auch noch andre Gründe mitgespielt haben; ein solches Vertragswerk
hätte nicht mit einem Schlage ins Leben treten können und eines längeren
Ausbaues bedurft; Andrassy war aber im Begriff seinen Abschied zu nehmen
und wollte nur mehr das Bündnis abschließen, um dann dem Kaiser sein
Portefeuille zur Verfügung zu stellen. Man kann verstehen, daß er darum nur
auf das sofort Erreichbare ging. Von Bismarcks ursprünglicher Absicht kam
ein kümmerlicher Rest in der Einleitung des Vertrages in der Wendung zum
Ausdruck: „daß beide Monarchen, ähnlich wie im früher bestandenen Bundes¬
verhältnisse, durch festes Zusammenstehen beider Reiche usw.".

Bismarck behielt seine ursprünglichen Ziele wohl noch eine Zeitlang im
Auge. So regte Windthorst im Jahre 1885 im Reichstage an. „politisch-
Pragmatische Verträge mit Österreich zu schließen und dadurch die Lücke zu
decken, die das Jahr 1866 in die deutschen Beziehungen gerissen hat"; und
Bismarck erwiderte, daß er mit Windthorst über das Wünschenswerte derartiger
Verträge einer Meinung sei. er habe sich auch in dieser Richtung bei Osterreich
bemüht, aber die Schwierigkeiten, die sich dort entgegenstellten, seien sehr groß;
es sei sehr zweifelhaft, ob eine Regierung dort, die bereit wäre, auf derartige
Verträge einzugehen, sie von den parlamentarischen Körperschaften bewilligt
bekäme. Es ist aus dem Wortlaute dieser Rede nicht zu ersehen, ob Bismarck
hier auf seine Bemühungen bei den Vorverhandlungen zum Abschlüsse des
Bündnisses Bezug nahm oder ob er nach dem Abschlüsse noch weitere Versuche
w dieser Richtung gemacht hat. Wenn man auf Seite Österreichs auf die
parlamentarischen Schwierigkeiten verwies, so war das wohl nnr ein Deckmantel
für die Unlust der Regierung. Gerade damals kam in Ungarn im Zusammen¬
hang mit der deutschen Schutzzollpolitik und den deutschen Getreidezöllen eine
Bewegung zugunsten eines Zollbündnisses mit den: Deutschen Reiche in Gang;
und trotz der deutschfeindlichen Mehrheit des „eisernen Rings", die damals
unter dem Kabinett Taaffe das österreichische Parlament beherrschte, hatte eme
Regierung, die ernstlich wollte, wohl auch hier derartige Verträge durchdrücken
können. Sehr nachdrücklich waren indes die von deutscher Seite erfolgenden
Anregungen, wenn sie überhaupt noch stattgefunden haben, sicherlich uicht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/17>, abgerufen am 16.05.2024.