Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Postsparkassen

als der an die Postsparkasse angegliederte Scheck- und Clearingverkehr zu großer
Blüte gelangt ist. Dieser letztere hat sich zu einem vollständig selbständigen
Geschäftszweige entwickelt, der für sich besonders verwaltet wird und sein eigenes
Gewinn- und Verlustkonto führt, und sich nur noch in den Bilanzziffern mit
der Postsparkasse vereinigt.

Aber auch Österreich gibt für unsere Verhältnisse keinen Vergleich ab. Dort
bestanden einige sehr große Sparkassen, welche an Umfang die deutscheu Spar¬
kassen erheblich übertreffen. Dagegen fehlte es im übrigen an Spargelegenheit.
Von dein Gesamteinlegerguthaben Österreichs entfiel zur Zeit der Begründung
der Postsparkasse (1888) nahezu die Hälfte auf die acht großen Sparkassen,
die andere Hälfte verteilte sich auf mehr als dreihundert kleine Sparkassen.

Es fehlte hier an einem genügend verbreiteten und verzweigten Spar¬
kassenwesen, daß auch in Osterreich unzureichende Spareinrichtungen den Anlaß
zu ihrer Ergänzung und Verbesserung durch eine Staatssparkasse gegeben haben.

In allen den vorgenannten größeren Ländern bedeutete also der Übergang
zur Postsparkasse einen wesentlichen Fortschritt und entsprach einem dringenden
Bedürfnis.

Dagegen hat in Deutschland die geschichtliche Entwickelung des Sparkassen¬
wesens den Sparkassen einen anderen Weg gewiesen, den man künstlich ändern
müßte, um zur Postsparkasse zu gelangen. Röscher bezeichnet mit Recht die ver¬
breitete Annahme, daß wir England oder anderen Ländern mit Postsparkassen im
Sparkassenwesen nachstanden, als durchaus irrig. Die soziale Seite des Sparkassen¬
wesens ist nach seinen Untersuchungen vielmehr in Deutschland besser gestellt als
in jenen Ländern, indem bei uns ein größerer Teil der Bevölkerung an den
Sparkassen sich beteiligt. Die fremden Postsparkassen haben wohl die Einheit¬
lichkeit vor uns voraus, die deutschen Lokalsparkassen aber die Größe der Erfolge
für sich. Als kapitalsammelnde Anstalten bilden sie bei uns gleichzeitig ein
wichtiges Element des Kreditwesens, das berufen ist, auf die ökonomischen und
sozialen Verhältnisse fördernd einzuwirken und die wirtschaftlichen Bedürfnisse
der lokalen Darlehnsnehmer zu befriedigen. Die Sparkassen sind bei uns die
bedeutendsten Grundkreditanstalten und als solche bemüht, die kleinen Leute deu
Händen der Wucherer zu entreißen; in neuester Zeit haben sie sich auch zum
Teil mit großem Erfolge des Personalkredits angenommen. Diese wichtigen
volkswirtschaftlichen Aufgaben kann die Postsparkasse niemals in dem gleichen
Maße erfüllen. Einzelne Länder, wie Großbritannien, Frankreich, Österreich,
Holland und Schweden, haben daher überhaupt darauf verzichtet, Postsparkassen¬
gelder gegen Hypotheken auszuleihen. andere, z. B. Belgien, diese Ausleihung
auf ein Mindestmaß beschränkt. Wenn aber der größere Teil der Bestände der
Postsparkassen einfach in die Staatskassen der betreffenden Länder fließt, so wird
hierdurch den Einzelwirtschaften nicht nur der bedeutendste Teil der Sparkapitalien
entzogen, sondern auch der Kredit der Sparaustalt in eine nicht wünschenswerte
Verbindung mit dem Staatskredit gebracht. Indem der Staat sich mit der


Postsparkassen

als der an die Postsparkasse angegliederte Scheck- und Clearingverkehr zu großer
Blüte gelangt ist. Dieser letztere hat sich zu einem vollständig selbständigen
Geschäftszweige entwickelt, der für sich besonders verwaltet wird und sein eigenes
Gewinn- und Verlustkonto führt, und sich nur noch in den Bilanzziffern mit
der Postsparkasse vereinigt.

Aber auch Österreich gibt für unsere Verhältnisse keinen Vergleich ab. Dort
bestanden einige sehr große Sparkassen, welche an Umfang die deutscheu Spar¬
kassen erheblich übertreffen. Dagegen fehlte es im übrigen an Spargelegenheit.
Von dein Gesamteinlegerguthaben Österreichs entfiel zur Zeit der Begründung
der Postsparkasse (1888) nahezu die Hälfte auf die acht großen Sparkassen,
die andere Hälfte verteilte sich auf mehr als dreihundert kleine Sparkassen.

Es fehlte hier an einem genügend verbreiteten und verzweigten Spar¬
kassenwesen, daß auch in Osterreich unzureichende Spareinrichtungen den Anlaß
zu ihrer Ergänzung und Verbesserung durch eine Staatssparkasse gegeben haben.

In allen den vorgenannten größeren Ländern bedeutete also der Übergang
zur Postsparkasse einen wesentlichen Fortschritt und entsprach einem dringenden
Bedürfnis.

Dagegen hat in Deutschland die geschichtliche Entwickelung des Sparkassen¬
wesens den Sparkassen einen anderen Weg gewiesen, den man künstlich ändern
müßte, um zur Postsparkasse zu gelangen. Röscher bezeichnet mit Recht die ver¬
breitete Annahme, daß wir England oder anderen Ländern mit Postsparkassen im
Sparkassenwesen nachstanden, als durchaus irrig. Die soziale Seite des Sparkassen¬
wesens ist nach seinen Untersuchungen vielmehr in Deutschland besser gestellt als
in jenen Ländern, indem bei uns ein größerer Teil der Bevölkerung an den
Sparkassen sich beteiligt. Die fremden Postsparkassen haben wohl die Einheit¬
lichkeit vor uns voraus, die deutschen Lokalsparkassen aber die Größe der Erfolge
für sich. Als kapitalsammelnde Anstalten bilden sie bei uns gleichzeitig ein
wichtiges Element des Kreditwesens, das berufen ist, auf die ökonomischen und
sozialen Verhältnisse fördernd einzuwirken und die wirtschaftlichen Bedürfnisse
der lokalen Darlehnsnehmer zu befriedigen. Die Sparkassen sind bei uns die
bedeutendsten Grundkreditanstalten und als solche bemüht, die kleinen Leute deu
Händen der Wucherer zu entreißen; in neuester Zeit haben sie sich auch zum
Teil mit großem Erfolge des Personalkredits angenommen. Diese wichtigen
volkswirtschaftlichen Aufgaben kann die Postsparkasse niemals in dem gleichen
Maße erfüllen. Einzelne Länder, wie Großbritannien, Frankreich, Österreich,
Holland und Schweden, haben daher überhaupt darauf verzichtet, Postsparkassen¬
gelder gegen Hypotheken auszuleihen. andere, z. B. Belgien, diese Ausleihung
auf ein Mindestmaß beschränkt. Wenn aber der größere Teil der Bestände der
Postsparkassen einfach in die Staatskassen der betreffenden Länder fließt, so wird
hierdurch den Einzelwirtschaften nicht nur der bedeutendste Teil der Sparkapitalien
entzogen, sondern auch der Kredit der Sparaustalt in eine nicht wünschenswerte
Verbindung mit dem Staatskredit gebracht. Indem der Staat sich mit der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316986"/>
          <fw type="header" place="top"> Postsparkassen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_87" prev="#ID_86"> als der an die Postsparkasse angegliederte Scheck- und Clearingverkehr zu großer<lb/>
Blüte gelangt ist. Dieser letztere hat sich zu einem vollständig selbständigen<lb/>
Geschäftszweige entwickelt, der für sich besonders verwaltet wird und sein eigenes<lb/>
Gewinn- und Verlustkonto führt, und sich nur noch in den Bilanzziffern mit<lb/>
der Postsparkasse vereinigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_88"> Aber auch Österreich gibt für unsere Verhältnisse keinen Vergleich ab. Dort<lb/>
bestanden einige sehr große Sparkassen, welche an Umfang die deutscheu Spar¬<lb/>
kassen erheblich übertreffen. Dagegen fehlte es im übrigen an Spargelegenheit.<lb/>
Von dein Gesamteinlegerguthaben Österreichs entfiel zur Zeit der Begründung<lb/>
der Postsparkasse (1888) nahezu die Hälfte auf die acht großen Sparkassen,<lb/>
die andere Hälfte verteilte sich auf mehr als dreihundert kleine Sparkassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_89"> Es fehlte hier an einem genügend verbreiteten und verzweigten Spar¬<lb/>
kassenwesen, daß auch in Osterreich unzureichende Spareinrichtungen den Anlaß<lb/>
zu ihrer Ergänzung und Verbesserung durch eine Staatssparkasse gegeben haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_90"> In allen den vorgenannten größeren Ländern bedeutete also der Übergang<lb/>
zur Postsparkasse einen wesentlichen Fortschritt und entsprach einem dringenden<lb/>
Bedürfnis.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_91" next="#ID_92"> Dagegen hat in Deutschland die geschichtliche Entwickelung des Sparkassen¬<lb/>
wesens den Sparkassen einen anderen Weg gewiesen, den man künstlich ändern<lb/>
müßte, um zur Postsparkasse zu gelangen. Röscher bezeichnet mit Recht die ver¬<lb/>
breitete Annahme, daß wir England oder anderen Ländern mit Postsparkassen im<lb/>
Sparkassenwesen nachstanden, als durchaus irrig. Die soziale Seite des Sparkassen¬<lb/>
wesens ist nach seinen Untersuchungen vielmehr in Deutschland besser gestellt als<lb/>
in jenen Ländern, indem bei uns ein größerer Teil der Bevölkerung an den<lb/>
Sparkassen sich beteiligt. Die fremden Postsparkassen haben wohl die Einheit¬<lb/>
lichkeit vor uns voraus, die deutschen Lokalsparkassen aber die Größe der Erfolge<lb/>
für sich. Als kapitalsammelnde Anstalten bilden sie bei uns gleichzeitig ein<lb/>
wichtiges Element des Kreditwesens, das berufen ist, auf die ökonomischen und<lb/>
sozialen Verhältnisse fördernd einzuwirken und die wirtschaftlichen Bedürfnisse<lb/>
der lokalen Darlehnsnehmer zu befriedigen. Die Sparkassen sind bei uns die<lb/>
bedeutendsten Grundkreditanstalten und als solche bemüht, die kleinen Leute deu<lb/>
Händen der Wucherer zu entreißen; in neuester Zeit haben sie sich auch zum<lb/>
Teil mit großem Erfolge des Personalkredits angenommen. Diese wichtigen<lb/>
volkswirtschaftlichen Aufgaben kann die Postsparkasse niemals in dem gleichen<lb/>
Maße erfüllen. Einzelne Länder, wie Großbritannien, Frankreich, Österreich,<lb/>
Holland und Schweden, haben daher überhaupt darauf verzichtet, Postsparkassen¬<lb/>
gelder gegen Hypotheken auszuleihen. andere, z. B. Belgien, diese Ausleihung<lb/>
auf ein Mindestmaß beschränkt. Wenn aber der größere Teil der Bestände der<lb/>
Postsparkassen einfach in die Staatskassen der betreffenden Länder fließt, so wird<lb/>
hierdurch den Einzelwirtschaften nicht nur der bedeutendste Teil der Sparkapitalien<lb/>
entzogen, sondern auch der Kredit der Sparaustalt in eine nicht wünschenswerte<lb/>
Verbindung mit dem Staatskredit gebracht.  Indem der Staat sich mit der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] Postsparkassen als der an die Postsparkasse angegliederte Scheck- und Clearingverkehr zu großer Blüte gelangt ist. Dieser letztere hat sich zu einem vollständig selbständigen Geschäftszweige entwickelt, der für sich besonders verwaltet wird und sein eigenes Gewinn- und Verlustkonto führt, und sich nur noch in den Bilanzziffern mit der Postsparkasse vereinigt. Aber auch Österreich gibt für unsere Verhältnisse keinen Vergleich ab. Dort bestanden einige sehr große Sparkassen, welche an Umfang die deutscheu Spar¬ kassen erheblich übertreffen. Dagegen fehlte es im übrigen an Spargelegenheit. Von dein Gesamteinlegerguthaben Österreichs entfiel zur Zeit der Begründung der Postsparkasse (1888) nahezu die Hälfte auf die acht großen Sparkassen, die andere Hälfte verteilte sich auf mehr als dreihundert kleine Sparkassen. Es fehlte hier an einem genügend verbreiteten und verzweigten Spar¬ kassenwesen, daß auch in Osterreich unzureichende Spareinrichtungen den Anlaß zu ihrer Ergänzung und Verbesserung durch eine Staatssparkasse gegeben haben. In allen den vorgenannten größeren Ländern bedeutete also der Übergang zur Postsparkasse einen wesentlichen Fortschritt und entsprach einem dringenden Bedürfnis. Dagegen hat in Deutschland die geschichtliche Entwickelung des Sparkassen¬ wesens den Sparkassen einen anderen Weg gewiesen, den man künstlich ändern müßte, um zur Postsparkasse zu gelangen. Röscher bezeichnet mit Recht die ver¬ breitete Annahme, daß wir England oder anderen Ländern mit Postsparkassen im Sparkassenwesen nachstanden, als durchaus irrig. Die soziale Seite des Sparkassen¬ wesens ist nach seinen Untersuchungen vielmehr in Deutschland besser gestellt als in jenen Ländern, indem bei uns ein größerer Teil der Bevölkerung an den Sparkassen sich beteiligt. Die fremden Postsparkassen haben wohl die Einheit¬ lichkeit vor uns voraus, die deutschen Lokalsparkassen aber die Größe der Erfolge für sich. Als kapitalsammelnde Anstalten bilden sie bei uns gleichzeitig ein wichtiges Element des Kreditwesens, das berufen ist, auf die ökonomischen und sozialen Verhältnisse fördernd einzuwirken und die wirtschaftlichen Bedürfnisse der lokalen Darlehnsnehmer zu befriedigen. Die Sparkassen sind bei uns die bedeutendsten Grundkreditanstalten und als solche bemüht, die kleinen Leute deu Händen der Wucherer zu entreißen; in neuester Zeit haben sie sich auch zum Teil mit großem Erfolge des Personalkredits angenommen. Diese wichtigen volkswirtschaftlichen Aufgaben kann die Postsparkasse niemals in dem gleichen Maße erfüllen. Einzelne Länder, wie Großbritannien, Frankreich, Österreich, Holland und Schweden, haben daher überhaupt darauf verzichtet, Postsparkassen¬ gelder gegen Hypotheken auszuleihen. andere, z. B. Belgien, diese Ausleihung auf ein Mindestmaß beschränkt. Wenn aber der größere Teil der Bestände der Postsparkassen einfach in die Staatskassen der betreffenden Länder fließt, so wird hierdurch den Einzelwirtschaften nicht nur der bedeutendste Teil der Sparkapitalien entzogen, sondern auch der Kredit der Sparaustalt in eine nicht wünschenswerte Verbindung mit dem Staatskredit gebracht. Indem der Staat sich mit der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/35>, abgerufen am 15.05.2024.