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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die neuen Forschungsinstitute

verständige Dezentralisation an, damit auch die Provinz an dem reichen Segen
ihren Anteil habe. Der eine will besonders die Erfindungen gefördert wissen,
ein andrer -- Professor Haeckel in Jena -- verlangt umgekehrt die Berück¬
sichtigung der Wissenszweige, die keine unmittelbare praktische Bedeutung haben,
wie der von ihm vertretenen Zoologie. Dabei werden an die bereitgestellten
9 bis 10 Millionen, die ja allerdings wahrscheinlich noch eine Vermehrung
erfahren, überschwengliche Hoffnungen geknüpft. Man stellt es so hin, als wenn
die deutsche Wissenschaft nun von aller Not befreit und aller pekuniären Sorgen
ledig wäre. Es sei hier nur daran erinnert, daß der preußische Staat seinen
Universitäten einen Zuschuß von etwa dreizehn Millionen zahlt, und zwar nicht
einmalig, sondern alljährlich, ungerechnet die außerordentlichen Ausgaben für
Bauten und dergleichen. Auch der Leipziger Historiker Karl Lamprecht setzt
voraus, daß er für sein Universitätsinstitut von dein neuen Reichtum sein
vollgerütteltes Maß erhalten wird. Daß der Kaiser ausdrücklich in erster Linie
von naturwissenschaftlichen Instituten gesprochen hat, ignoriert er. Ein andrer
Professor, der sich in der "Kölnischen Zeitung" vernehmen ließ, findet sich auch
mit dem Worte des Kaisers leicht ab, daß die neuen Anstalten, unbeeinträchtigt
durch Unterrichtszwecke, lediglich der Forschung dienen sollen. Er legt dieses
Wort cum Al-ano Salus dahin aus, daß dabei uur an den elementaren Hoch-
schulunterricht gedacht sei, nicht aber an die Unterweisung angehender Gelehrten
und die Abhaltung von Kursen für Vorgeschrittenere. So sehr liegt den deutschen
Gelehrten der Lehrtrieb im Blute!

In der Rede des Kaisers wird der Plan, reine Forschungsinstitute zu
begründen, nur in allgemeinen Umrissen gezeichnet. Alle Einzelheiten müssen
deshalb späterer Erörterung vorbehalten bleiben. Heute hielt ich es vor allein
für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß die Errichtung der neuen Forschungs¬
institute auch gewisse Gefahren für unsre Universitäten mit sich bringt. Diese
Gefahren zu vermeiden, wird eine Hauptaufgabe der Männer sein, die dazu
berufen sind, die reichen Mittel zu verwenden. Möge es ihnen hierbei nicht an
Weisheit und Umsicht fehlen, damit die hochherzigen Absichten des Kaisers erreicht
werden, ohne daß die deutscheu Universitäten ihrer historischen Eigenart ent¬
fremdet und in ihrer Bedeutung herabgedriickt werden.




Die neuen Forschungsinstitute

verständige Dezentralisation an, damit auch die Provinz an dem reichen Segen
ihren Anteil habe. Der eine will besonders die Erfindungen gefördert wissen,
ein andrer — Professor Haeckel in Jena — verlangt umgekehrt die Berück¬
sichtigung der Wissenszweige, die keine unmittelbare praktische Bedeutung haben,
wie der von ihm vertretenen Zoologie. Dabei werden an die bereitgestellten
9 bis 10 Millionen, die ja allerdings wahrscheinlich noch eine Vermehrung
erfahren, überschwengliche Hoffnungen geknüpft. Man stellt es so hin, als wenn
die deutsche Wissenschaft nun von aller Not befreit und aller pekuniären Sorgen
ledig wäre. Es sei hier nur daran erinnert, daß der preußische Staat seinen
Universitäten einen Zuschuß von etwa dreizehn Millionen zahlt, und zwar nicht
einmalig, sondern alljährlich, ungerechnet die außerordentlichen Ausgaben für
Bauten und dergleichen. Auch der Leipziger Historiker Karl Lamprecht setzt
voraus, daß er für sein Universitätsinstitut von dein neuen Reichtum sein
vollgerütteltes Maß erhalten wird. Daß der Kaiser ausdrücklich in erster Linie
von naturwissenschaftlichen Instituten gesprochen hat, ignoriert er. Ein andrer
Professor, der sich in der „Kölnischen Zeitung" vernehmen ließ, findet sich auch
mit dem Worte des Kaisers leicht ab, daß die neuen Anstalten, unbeeinträchtigt
durch Unterrichtszwecke, lediglich der Forschung dienen sollen. Er legt dieses
Wort cum Al-ano Salus dahin aus, daß dabei uur an den elementaren Hoch-
schulunterricht gedacht sei, nicht aber an die Unterweisung angehender Gelehrten
und die Abhaltung von Kursen für Vorgeschrittenere. So sehr liegt den deutschen
Gelehrten der Lehrtrieb im Blute!

In der Rede des Kaisers wird der Plan, reine Forschungsinstitute zu
begründen, nur in allgemeinen Umrissen gezeichnet. Alle Einzelheiten müssen
deshalb späterer Erörterung vorbehalten bleiben. Heute hielt ich es vor allein
für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß die Errichtung der neuen Forschungs¬
institute auch gewisse Gefahren für unsre Universitäten mit sich bringt. Diese
Gefahren zu vermeiden, wird eine Hauptaufgabe der Männer sein, die dazu
berufen sind, die reichen Mittel zu verwenden. Möge es ihnen hierbei nicht an
Weisheit und Umsicht fehlen, damit die hochherzigen Absichten des Kaisers erreicht
werden, ohne daß die deutscheu Universitäten ihrer historischen Eigenart ent¬
fremdet und in ihrer Bedeutung herabgedriickt werden.




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[0356] Die neuen Forschungsinstitute verständige Dezentralisation an, damit auch die Provinz an dem reichen Segen ihren Anteil habe. Der eine will besonders die Erfindungen gefördert wissen, ein andrer — Professor Haeckel in Jena — verlangt umgekehrt die Berück¬ sichtigung der Wissenszweige, die keine unmittelbare praktische Bedeutung haben, wie der von ihm vertretenen Zoologie. Dabei werden an die bereitgestellten 9 bis 10 Millionen, die ja allerdings wahrscheinlich noch eine Vermehrung erfahren, überschwengliche Hoffnungen geknüpft. Man stellt es so hin, als wenn die deutsche Wissenschaft nun von aller Not befreit und aller pekuniären Sorgen ledig wäre. Es sei hier nur daran erinnert, daß der preußische Staat seinen Universitäten einen Zuschuß von etwa dreizehn Millionen zahlt, und zwar nicht einmalig, sondern alljährlich, ungerechnet die außerordentlichen Ausgaben für Bauten und dergleichen. Auch der Leipziger Historiker Karl Lamprecht setzt voraus, daß er für sein Universitätsinstitut von dein neuen Reichtum sein vollgerütteltes Maß erhalten wird. Daß der Kaiser ausdrücklich in erster Linie von naturwissenschaftlichen Instituten gesprochen hat, ignoriert er. Ein andrer Professor, der sich in der „Kölnischen Zeitung" vernehmen ließ, findet sich auch mit dem Worte des Kaisers leicht ab, daß die neuen Anstalten, unbeeinträchtigt durch Unterrichtszwecke, lediglich der Forschung dienen sollen. Er legt dieses Wort cum Al-ano Salus dahin aus, daß dabei uur an den elementaren Hoch- schulunterricht gedacht sei, nicht aber an die Unterweisung angehender Gelehrten und die Abhaltung von Kursen für Vorgeschrittenere. So sehr liegt den deutschen Gelehrten der Lehrtrieb im Blute! In der Rede des Kaisers wird der Plan, reine Forschungsinstitute zu begründen, nur in allgemeinen Umrissen gezeichnet. Alle Einzelheiten müssen deshalb späterer Erörterung vorbehalten bleiben. Heute hielt ich es vor allein für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß die Errichtung der neuen Forschungs¬ institute auch gewisse Gefahren für unsre Universitäten mit sich bringt. Diese Gefahren zu vermeiden, wird eine Hauptaufgabe der Männer sein, die dazu berufen sind, die reichen Mittel zu verwenden. Möge es ihnen hierbei nicht an Weisheit und Umsicht fehlen, damit die hochherzigen Absichten des Kaisers erreicht werden, ohne daß die deutscheu Universitäten ihrer historischen Eigenart ent¬ fremdet und in ihrer Bedeutung herabgedriickt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/356>, abgerufen am 26.05.2024.