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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die Graanisation des Rcichsvcrsichcrungslvesens

habe" der Post das Lebensversicheruugs- und Leibrc"te"geschaft anvertraut.
Und in dem hochkultivierteu Neu-Seeland ist vor zwei Jahren mit sehr großem
finanziellen Erfolge gerade die Verwaltung der staatlichen Altersversicherung aus
die PostVerwaltung übergegangen.

Dazu kommt, daß bekanntlich infolge früherer Fehler in der Stephcmschen
Personalpolitik gerade in der PostVerwaltung ein Überfluß an höheren Beamten
in unkündbaren Stellungen vorhanden ist, über das wirkliche Bedürfnis hinaus.
Kaum ein höherer Beamter brauchte daher bei Ausführung unseres Vorschlags
mehr eingestellt werden. Es würde vielmehr genügen, die einem Teil der
höheren Postbeamten jetzt noch obliegenden subalternen Geschäfte auf minder¬
bezahlte Kräfte zu übertragen. Dadurch könnten ohne weiteres, wie hier
nicht näher ausgeführt werden kam -- im Reichstage ist dieser Überfluß
genugsam bekennt --, aus dein vorhandenen Personal die für die Ver¬
waltung des Versicherungswesens nötigen höheren Beamten herausgezogen
werden.

Die Regierung wird sich wohl freilich mit allen Mitteln sträuben gegen
die hier vorgeschlagene Durchlöcherung des Juristenmonopols auf dem Gebiete
der Verwaltung. Sache der Volksvertretung müßte es sein, demgegenüber ohne
Rücksicht auf Vorurteile und Interessen einer herrschenden Klasse der Sparsamkeit
zum Siege zu verhelfen. Der Freiherr von Gamp hat am 17. März 1910
in? Reichstag erklärt, ausdrücklich nicht nur im Auftrage seiner Partei, sondern
als Vorsitzender der Budgetkommission, d. h. also im Namen der darin ver¬
tretene" Parteien, d. s. alle Parteien des Hauses, man erwarte von der
Regierung eine Verminderung der Beamten, insbesondere der höheren durch
Überweisung von minder wichtigen Geschäften an geringer besoldete Kräfte,
nötigenfalls unter Verwendung der in einem Ressort überflüssigen Beamten in
einen: anderen Verwaltungszweig. Hier ist der Fall gegeben, wo diese Forderung
in die Praxis übersetzt werden kann. Hier muß es sich zeigen, ob die Negierung
mit der Erfüllung dieses Wunsches der Volksvertretung Ernst macht oder ob
dieser Wunsch nur auf dem Papier stehen bleibt.

Auf die Einzelheiten des Vorschlags näher einzugehen, ist hier nicht der
Platz. In großen Städten würde der neue Betriebszweig natürlich nicht allen
Postämtern erster Klasse, sondern einem bestimmten übertragen werden, in den
größten würde unter Umständen ein besonderes Amt hierfür frei zu machen
heilt. Zu erwägen wäre ferner, ob auch die geplanten Obervcrsicherungsämtcr
bestehenden Neichsbehörden angegliedert werden sollen, oder ob man sie in der
Fassung der Regierungsvorlage gutheißen kaun. Eventuell würde in der zweiten
Instanz eine Trennung zwischen Verwaltung und Rechtsprechung in der Weise
beibehalten werden, daß die Verwaltung auf die Postbehörde überginge, die
Rechtsprechung aber den vorhandenen Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung
verbliebe. In Bayern und Württemberg würden an die Stelle der Reichspost
die Landespostverwaltungen treten. Wenn dort kein ausgebreitetes Netz von


Die Graanisation des Rcichsvcrsichcrungslvesens

habe» der Post das Lebensversicheruugs- und Leibrc»te»geschaft anvertraut.
Und in dem hochkultivierteu Neu-Seeland ist vor zwei Jahren mit sehr großem
finanziellen Erfolge gerade die Verwaltung der staatlichen Altersversicherung aus
die PostVerwaltung übergegangen.

Dazu kommt, daß bekanntlich infolge früherer Fehler in der Stephcmschen
Personalpolitik gerade in der PostVerwaltung ein Überfluß an höheren Beamten
in unkündbaren Stellungen vorhanden ist, über das wirkliche Bedürfnis hinaus.
Kaum ein höherer Beamter brauchte daher bei Ausführung unseres Vorschlags
mehr eingestellt werden. Es würde vielmehr genügen, die einem Teil der
höheren Postbeamten jetzt noch obliegenden subalternen Geschäfte auf minder¬
bezahlte Kräfte zu übertragen. Dadurch könnten ohne weiteres, wie hier
nicht näher ausgeführt werden kam — im Reichstage ist dieser Überfluß
genugsam bekennt —, aus dein vorhandenen Personal die für die Ver¬
waltung des Versicherungswesens nötigen höheren Beamten herausgezogen
werden.

Die Regierung wird sich wohl freilich mit allen Mitteln sträuben gegen
die hier vorgeschlagene Durchlöcherung des Juristenmonopols auf dem Gebiete
der Verwaltung. Sache der Volksvertretung müßte es sein, demgegenüber ohne
Rücksicht auf Vorurteile und Interessen einer herrschenden Klasse der Sparsamkeit
zum Siege zu verhelfen. Der Freiherr von Gamp hat am 17. März 1910
in? Reichstag erklärt, ausdrücklich nicht nur im Auftrage seiner Partei, sondern
als Vorsitzender der Budgetkommission, d. h. also im Namen der darin ver¬
tretene» Parteien, d. s. alle Parteien des Hauses, man erwarte von der
Regierung eine Verminderung der Beamten, insbesondere der höheren durch
Überweisung von minder wichtigen Geschäften an geringer besoldete Kräfte,
nötigenfalls unter Verwendung der in einem Ressort überflüssigen Beamten in
einen: anderen Verwaltungszweig. Hier ist der Fall gegeben, wo diese Forderung
in die Praxis übersetzt werden kann. Hier muß es sich zeigen, ob die Negierung
mit der Erfüllung dieses Wunsches der Volksvertretung Ernst macht oder ob
dieser Wunsch nur auf dem Papier stehen bleibt.

Auf die Einzelheiten des Vorschlags näher einzugehen, ist hier nicht der
Platz. In großen Städten würde der neue Betriebszweig natürlich nicht allen
Postämtern erster Klasse, sondern einem bestimmten übertragen werden, in den
größten würde unter Umständen ein besonderes Amt hierfür frei zu machen
heilt. Zu erwägen wäre ferner, ob auch die geplanten Obervcrsicherungsämtcr
bestehenden Neichsbehörden angegliedert werden sollen, oder ob man sie in der
Fassung der Regierungsvorlage gutheißen kaun. Eventuell würde in der zweiten
Instanz eine Trennung zwischen Verwaltung und Rechtsprechung in der Weise
beibehalten werden, daß die Verwaltung auf die Postbehörde überginge, die
Rechtsprechung aber den vorhandenen Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung
verbliebe. In Bayern und Württemberg würden an die Stelle der Reichspost
die Landespostverwaltungen treten. Wenn dort kein ausgebreitetes Netz von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/433>, abgerufen am 15.05.2024.