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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Roms !Nachtanspruche und die Pflichten des Staats

Christentums zu leugnen. Sie haben sich nur gegen das ultramontane System
gewehrt, dessen Anerkennung nach den neueren Bestrebungen der Kurie wieder
einmal zu einer der Grundforderungen des römischen Christentums gemacht
werden soll. Als sie hierüber mit der Kurie in Konflikt gerieten, sind sie von
dem Staat, als dessen Lehrer sie angestellt waren, im Stich gelassen worden,
man muß das mit aller Deutlichkeit sagen. Genau so sind seinerzeit, als die
Maigesetze aufgehoben werden, die "Staatspfarrer" in Preußen behandelt worden,
wie wieder einmal in Erinnerung gebracht werden soll.

Und hier setzt eben unserer Meinung nach die dringende Verpflichtung des
Staates ein, jenem Vordringen Roms vom staatlichen Interesse aus Halt zu
gebieten. Oder will sich der Staat dazu hergeben, ad nutum papas bereit zu
stehen und etwa einem Pfarrer, den der Bischof nach den Anweisungen in jenem
motu proprio des Papstes abgesetzt hat, weil er -- nun weil er einigen bigotten
alten Weibern in seiner Gemeinde mißliebig geworden ist, das Gehalt zu sperren
und anderseits einem eben aus Portugal vertriebenen Mönch, den ein Bischof
als Pfarrer anstellt, das Gehalt zu zahlen? Das wäre doch eine unwürdige
Stellung des Staates, und es wäre auch grausam gegen eine ganze Reihe seiner
Untertanen. Zu diesen gehören auch die katholischen Priester. Und unter diesen
gibt es, das wissen wir, eine ganze Menge, die ihr deutsches Vaterland lieb
haben und mit wachsender Sorge die steigenden Machtansprüche Roms sehen.
Manche von ihnen haben das ausgesprochen, und viel mehr sagen es im geheimen
oder behalten diese Gedanken für sich. Die sittlich-religiös aufbauende und
erziehende Arbeit dieser Priester kann der Staat nicht entbehren. Damit
sie auch ihm treu dienen, verlangt er von ihnen den Eid der Treue bei ihrer
Anstellung. Aber wenn nun die wirklich national gesinnten Priester die Über¬
zeugung gewinnen, daß der Staat der Einschränkung ihrer Freiheit durch Rom
untätig zusieht, ja womöglich noch hilfreiche Hand leistet, dann werden und müssen sie
die Lust verlieren, wirklich national erziehend im Vaterland mitzuwirken, und werden
sich, wenn auch wohl schweren Herzens, dorthin wenden, wo die Macht ist, nach Rom.

Das sind bitterernste Fragen aus dem staatsrechtlichen Gebiet, die wir dem
Staat zur Erwägung anheimgeben. Es muß ein Weg gefunden werden, um
der drohenden Willkür- und Gewaltherrschaft Roms einen Damm entgegenzusetzen.
Hier können doch alle Parteien, welche die Freiheit der Persönlichkeit und die
sittliche Würde des Menschen betonen, also auch die Freisinnigen, mit den: Staate
zusammenwirken. Soeben geht durch die Presse die Nachricht, die bayerische
Regierung habe gegen die Machtansprüche Roms beim Papst Einspruch erhoben,
weil dadurch die Rechte des Staates beschränkt würden. Möchten bald andere
Regierungen folgen und sie sich zusammentun zu gemeinsamem Vorgehen.
Gegen Geschlossenheit und Entschiedenheit ist Rom meist zurückgewichen. Es
muß ein Weg, und wir betonen es, ein Weg des Rechtes gefunden werden,
wie da Abwehr zu schaffen, denn "das Vaterland ist in Gefahr".




Roms !Nachtanspruche und die Pflichten des Staats

Christentums zu leugnen. Sie haben sich nur gegen das ultramontane System
gewehrt, dessen Anerkennung nach den neueren Bestrebungen der Kurie wieder
einmal zu einer der Grundforderungen des römischen Christentums gemacht
werden soll. Als sie hierüber mit der Kurie in Konflikt gerieten, sind sie von
dem Staat, als dessen Lehrer sie angestellt waren, im Stich gelassen worden,
man muß das mit aller Deutlichkeit sagen. Genau so sind seinerzeit, als die
Maigesetze aufgehoben werden, die „Staatspfarrer" in Preußen behandelt worden,
wie wieder einmal in Erinnerung gebracht werden soll.

Und hier setzt eben unserer Meinung nach die dringende Verpflichtung des
Staates ein, jenem Vordringen Roms vom staatlichen Interesse aus Halt zu
gebieten. Oder will sich der Staat dazu hergeben, ad nutum papas bereit zu
stehen und etwa einem Pfarrer, den der Bischof nach den Anweisungen in jenem
motu proprio des Papstes abgesetzt hat, weil er — nun weil er einigen bigotten
alten Weibern in seiner Gemeinde mißliebig geworden ist, das Gehalt zu sperren
und anderseits einem eben aus Portugal vertriebenen Mönch, den ein Bischof
als Pfarrer anstellt, das Gehalt zu zahlen? Das wäre doch eine unwürdige
Stellung des Staates, und es wäre auch grausam gegen eine ganze Reihe seiner
Untertanen. Zu diesen gehören auch die katholischen Priester. Und unter diesen
gibt es, das wissen wir, eine ganze Menge, die ihr deutsches Vaterland lieb
haben und mit wachsender Sorge die steigenden Machtansprüche Roms sehen.
Manche von ihnen haben das ausgesprochen, und viel mehr sagen es im geheimen
oder behalten diese Gedanken für sich. Die sittlich-religiös aufbauende und
erziehende Arbeit dieser Priester kann der Staat nicht entbehren. Damit
sie auch ihm treu dienen, verlangt er von ihnen den Eid der Treue bei ihrer
Anstellung. Aber wenn nun die wirklich national gesinnten Priester die Über¬
zeugung gewinnen, daß der Staat der Einschränkung ihrer Freiheit durch Rom
untätig zusieht, ja womöglich noch hilfreiche Hand leistet, dann werden und müssen sie
die Lust verlieren, wirklich national erziehend im Vaterland mitzuwirken, und werden
sich, wenn auch wohl schweren Herzens, dorthin wenden, wo die Macht ist, nach Rom.

Das sind bitterernste Fragen aus dem staatsrechtlichen Gebiet, die wir dem
Staat zur Erwägung anheimgeben. Es muß ein Weg gefunden werden, um
der drohenden Willkür- und Gewaltherrschaft Roms einen Damm entgegenzusetzen.
Hier können doch alle Parteien, welche die Freiheit der Persönlichkeit und die
sittliche Würde des Menschen betonen, also auch die Freisinnigen, mit den: Staate
zusammenwirken. Soeben geht durch die Presse die Nachricht, die bayerische
Regierung habe gegen die Machtansprüche Roms beim Papst Einspruch erhoben,
weil dadurch die Rechte des Staates beschränkt würden. Möchten bald andere
Regierungen folgen und sie sich zusammentun zu gemeinsamem Vorgehen.
Gegen Geschlossenheit und Entschiedenheit ist Rom meist zurückgewichen. Es
muß ein Weg, und wir betonen es, ein Weg des Rechtes gefunden werden,
wie da Abwehr zu schaffen, denn „das Vaterland ist in Gefahr".




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[0478] Roms !Nachtanspruche und die Pflichten des Staats Christentums zu leugnen. Sie haben sich nur gegen das ultramontane System gewehrt, dessen Anerkennung nach den neueren Bestrebungen der Kurie wieder einmal zu einer der Grundforderungen des römischen Christentums gemacht werden soll. Als sie hierüber mit der Kurie in Konflikt gerieten, sind sie von dem Staat, als dessen Lehrer sie angestellt waren, im Stich gelassen worden, man muß das mit aller Deutlichkeit sagen. Genau so sind seinerzeit, als die Maigesetze aufgehoben werden, die „Staatspfarrer" in Preußen behandelt worden, wie wieder einmal in Erinnerung gebracht werden soll. Und hier setzt eben unserer Meinung nach die dringende Verpflichtung des Staates ein, jenem Vordringen Roms vom staatlichen Interesse aus Halt zu gebieten. Oder will sich der Staat dazu hergeben, ad nutum papas bereit zu stehen und etwa einem Pfarrer, den der Bischof nach den Anweisungen in jenem motu proprio des Papstes abgesetzt hat, weil er — nun weil er einigen bigotten alten Weibern in seiner Gemeinde mißliebig geworden ist, das Gehalt zu sperren und anderseits einem eben aus Portugal vertriebenen Mönch, den ein Bischof als Pfarrer anstellt, das Gehalt zu zahlen? Das wäre doch eine unwürdige Stellung des Staates, und es wäre auch grausam gegen eine ganze Reihe seiner Untertanen. Zu diesen gehören auch die katholischen Priester. Und unter diesen gibt es, das wissen wir, eine ganze Menge, die ihr deutsches Vaterland lieb haben und mit wachsender Sorge die steigenden Machtansprüche Roms sehen. Manche von ihnen haben das ausgesprochen, und viel mehr sagen es im geheimen oder behalten diese Gedanken für sich. Die sittlich-religiös aufbauende und erziehende Arbeit dieser Priester kann der Staat nicht entbehren. Damit sie auch ihm treu dienen, verlangt er von ihnen den Eid der Treue bei ihrer Anstellung. Aber wenn nun die wirklich national gesinnten Priester die Über¬ zeugung gewinnen, daß der Staat der Einschränkung ihrer Freiheit durch Rom untätig zusieht, ja womöglich noch hilfreiche Hand leistet, dann werden und müssen sie die Lust verlieren, wirklich national erziehend im Vaterland mitzuwirken, und werden sich, wenn auch wohl schweren Herzens, dorthin wenden, wo die Macht ist, nach Rom. Das sind bitterernste Fragen aus dem staatsrechtlichen Gebiet, die wir dem Staat zur Erwägung anheimgeben. Es muß ein Weg gefunden werden, um der drohenden Willkür- und Gewaltherrschaft Roms einen Damm entgegenzusetzen. Hier können doch alle Parteien, welche die Freiheit der Persönlichkeit und die sittliche Würde des Menschen betonen, also auch die Freisinnigen, mit den: Staate zusammenwirken. Soeben geht durch die Presse die Nachricht, die bayerische Regierung habe gegen die Machtansprüche Roms beim Papst Einspruch erhoben, weil dadurch die Rechte des Staates beschränkt würden. Möchten bald andere Regierungen folgen und sie sich zusammentun zu gemeinsamem Vorgehen. Gegen Geschlossenheit und Entschiedenheit ist Rom meist zurückgewichen. Es muß ein Weg, und wir betonen es, ein Weg des Rechtes gefunden werden, wie da Abwehr zu schaffen, denn „das Vaterland ist in Gefahr".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/478>, abgerufen am 15.05.2024.