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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Außerordentliche Professoren

hat Althoff einem hiesigen jüngeren Mediziner gesagt, der das Unglück hatte,
wohlhabend zu sein, "aber Gehalt bekommen Sie nie!" Ob man das gleiche
einem vermögenden Pfarrer oder Regierungsrat hätte sagen können?

Diese Methode ist nun aber systematisch ausgebildet worden. Wenn von
zwei Bewerbern der eine in bedrängter Lage sich befindet, so wird nur ein
Doktrinär es mißbilligen, daß er bei gleicher Tauglichkeit rascher in ein Amt
kommt als der, der länger warten kann. Das sind berechtigte Ausnahmefälle.
Im allgemeinen aber muß durchaus daran festgehalten werden, daß die Privat¬
verhältnisse des Dozenten die vorgesetzte Behörde hier genau so wenig angehen
wie im Justizministerium oder Kriegsministerium. Der Tüchtige soll ein Amt
erhalten, und hier wie überall das Amt mit allen Kompetenzen; wer noch nicht
reif ist, soll weder Amt noch Gehalt bekommen. Nur so ist Gerechtigkeit möglich.

Statt dessen wurde ein künstlicher Parallelbau geschaffen. Zunächst wurden
zweierlei Privatdozenten gemacht: ohne und mit Professortitel. Dagegen ist
wenig zu sagen; es ist eine Auszeichnung unter Gleichberechtigten wie ein Orden
bei den Offizieren; nur daß der Titel zu häufig gegeben wurde, war ein Fehler.
Dann folgte die Zweiteilung der Extraordinarien: "etatsmäßige" mit Gehalt,
"außeretatsmäßige" ohne Gehalt. Der Umstand, daß hin und wieder für geeignete
Dozenten eine Professur wirklich nicht zu beschaffen war, wurde zum Ausgangs¬
punkt genommen; und das Ende ist, daß sehr zahlreiche Professoren, die auf
Gehalt und Lehrauftrag vollen Anspruch hätten, lediglich ihrer genügenden
Subsistenzmittel wegen die Honorare nicht erhalten, die der Staat für ihre
Leistungen ihnen wie andern Beamten zu geben schuldig wäre. Um welche
Persönlichkeiten es sich dabei handelt, dafür genügt es von Berlin den Namen
seines vielleicht einflußreichsten Philosophen, Georg Simmel, zu nennen! --
Schließlich hat man die Gabelung vervollständigt, indem auch bei den Ordinarien
die sonst in bestimmten Ausnahmefällen verliehene Honorarprofessur zu einer
regelmäßigen Einrichtung wurde, um denjenigen, die "eigentlich" auf ein Ordinariat
vollen Anspruch hatten, den Hauptteil der Kompetenzen zu entziehen, wenn man
aus pekuniären oder auch konfessionellen Gründen sie von den Fakultätsstühlen
fernhalten wollte.

Diese Zweiteilung, an sich unberechtigt und dem Geist unserer Universitäten
zuwiderlaufend, wird nun aber neuerdings noch unterstrichen!

Nach langem Harren und Drängen sind endlich den Extraordinarien gewisse
-- minimale -- Rechte eingeräumt worden. Aber, wohlgemerkt, nur den etats¬
mäßigen I Wer ohne Bezahlung als Forscher, Lehrer, Leiter von Übungen
das gleiche leistet wie sein Kollege mit Honorar, der wird für diese Opfer¬
willigkeit dadurch bestraft, daß er bei der Rektorwahl nur die Rechte eines
Privatdozenten hat, nämlich gar keine!

Es ist unter diesen Umständen begreiflich, daß radikale Gemüter in der
Beseitigung der außerordentlichen Professuren die einzige Rettung sehen. Ich
halte das für grundfalsch; aber die Regierungen scheinen neuerdings einer


Außerordentliche Professoren

hat Althoff einem hiesigen jüngeren Mediziner gesagt, der das Unglück hatte,
wohlhabend zu sein, „aber Gehalt bekommen Sie nie!" Ob man das gleiche
einem vermögenden Pfarrer oder Regierungsrat hätte sagen können?

Diese Methode ist nun aber systematisch ausgebildet worden. Wenn von
zwei Bewerbern der eine in bedrängter Lage sich befindet, so wird nur ein
Doktrinär es mißbilligen, daß er bei gleicher Tauglichkeit rascher in ein Amt
kommt als der, der länger warten kann. Das sind berechtigte Ausnahmefälle.
Im allgemeinen aber muß durchaus daran festgehalten werden, daß die Privat¬
verhältnisse des Dozenten die vorgesetzte Behörde hier genau so wenig angehen
wie im Justizministerium oder Kriegsministerium. Der Tüchtige soll ein Amt
erhalten, und hier wie überall das Amt mit allen Kompetenzen; wer noch nicht
reif ist, soll weder Amt noch Gehalt bekommen. Nur so ist Gerechtigkeit möglich.

Statt dessen wurde ein künstlicher Parallelbau geschaffen. Zunächst wurden
zweierlei Privatdozenten gemacht: ohne und mit Professortitel. Dagegen ist
wenig zu sagen; es ist eine Auszeichnung unter Gleichberechtigten wie ein Orden
bei den Offizieren; nur daß der Titel zu häufig gegeben wurde, war ein Fehler.
Dann folgte die Zweiteilung der Extraordinarien: „etatsmäßige" mit Gehalt,
„außeretatsmäßige" ohne Gehalt. Der Umstand, daß hin und wieder für geeignete
Dozenten eine Professur wirklich nicht zu beschaffen war, wurde zum Ausgangs¬
punkt genommen; und das Ende ist, daß sehr zahlreiche Professoren, die auf
Gehalt und Lehrauftrag vollen Anspruch hätten, lediglich ihrer genügenden
Subsistenzmittel wegen die Honorare nicht erhalten, die der Staat für ihre
Leistungen ihnen wie andern Beamten zu geben schuldig wäre. Um welche
Persönlichkeiten es sich dabei handelt, dafür genügt es von Berlin den Namen
seines vielleicht einflußreichsten Philosophen, Georg Simmel, zu nennen! —
Schließlich hat man die Gabelung vervollständigt, indem auch bei den Ordinarien
die sonst in bestimmten Ausnahmefällen verliehene Honorarprofessur zu einer
regelmäßigen Einrichtung wurde, um denjenigen, die „eigentlich" auf ein Ordinariat
vollen Anspruch hatten, den Hauptteil der Kompetenzen zu entziehen, wenn man
aus pekuniären oder auch konfessionellen Gründen sie von den Fakultätsstühlen
fernhalten wollte.

Diese Zweiteilung, an sich unberechtigt und dem Geist unserer Universitäten
zuwiderlaufend, wird nun aber neuerdings noch unterstrichen!

Nach langem Harren und Drängen sind endlich den Extraordinarien gewisse
— minimale — Rechte eingeräumt worden. Aber, wohlgemerkt, nur den etats¬
mäßigen I Wer ohne Bezahlung als Forscher, Lehrer, Leiter von Übungen
das gleiche leistet wie sein Kollege mit Honorar, der wird für diese Opfer¬
willigkeit dadurch bestraft, daß er bei der Rektorwahl nur die Rechte eines
Privatdozenten hat, nämlich gar keine!

Es ist unter diesen Umständen begreiflich, daß radikale Gemüter in der
Beseitigung der außerordentlichen Professuren die einzige Rettung sehen. Ich
halte das für grundfalsch; aber die Regierungen scheinen neuerdings einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/512>, abgerufen am 04.06.2024.