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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Philipp Gelo Runge und die Romantiker

zerstreut nur zu finden ist und zum Teil noch in den Hamburger Mappen ruht,
wird von dem unermüdlichen Fleiß zeugen, womit der Künstler seinem hoch¬
gesteckten Ziele auch in den ungünstigen Jahren scheinbarer Unfruchtbarkeit
zustrebte.

Doch nicht dein Maler Runge sollen diese Seiten gelten, sie möchten zu
seinem Gedächtnis hineinführen in den Kreis der Menschen, in dem jener stand,
nicht einmal ein volles Jahrzent hindurch und doch festgewurzelt, mit manchen
der Besten seiner Zeit innig verbunden.

Seine Begegnung mit Ludwig Tieck wurde für Ruuges Leben und Kunst
ausschlaggebend. Aus klassizistischer Schule kommend, führte sein Weg zunächst
wie selbstredend zu Goethe hin, als er 1801 von Kopenhagen an die Dresdener
Akademie übersiedelte, und er machte sich alsbald an die Weimarer Preisaufgaben.
Als ihm die Ablehnung aber die Augen öffnete und er klar den Gegensatz
seines Wesens zu jener Richtung erkannte, hatte er bereits den Anschluß an die
junge Generation gefunden.

Die neue Schule war ihm längst nicht mehr unbekannt; vom Sternbald
war er schon kurz nach dessen Erscheinen "im Innersten ergriffen", und so hat
er Ende 1801 in Dresden gern eine Gelegenheit ergriffen, mit dessen Verfasser
in persönliche Berührung zu kommen. Er gewann in dem drei Jahre älteren
Dichter einen Freund; vor Runges frohem Kinderbild "Triumph des Amor"
hatte Tieck empfunden, daß es zu "Träumen" anregte, daß hier ein Künstler schaffe in
seinem Sinne. Tieck war in dem schnell geschlossenen Bunde der Gebende. Wie weit
er dabei auch selber gewonnen, läßt sich nicht so leicht überschauen. Er lebte
damals vereinsamt: Wackenroder und Novalis waren tot, von den Schlegels war er
nicht nur räumlich getrennt; der Verlust seiner beiden Eltern kam bald schmerzvoll
hinzu. Am nächsten stand Tieck damals der Naturforscher und -Philosoph
Henrich Steffens. Durch diesen und mehr noch durch Tieck selber wurde der
empfängliche Maler in die mystischen Gedankengänge romantischer Natur¬
philosophie geführt, in die Gemeinde Jakob Böhmes, des Propheten der
"Morgenröte". Hungrig nimmt der Schüler die Lehren auf. Sie vollenden seine
Anschauungen von Religion und Kunst.

Es war die Zeit, wo Tiecks poetischer Schaffenstrieb im Erlahmen war,
wo er nur langsam seinen Oktavian förderte, seinen symbolischen Sang von Rose
und Lilie. "Deine Bekanntschaft hebt ein neues Blatt in meinem Leben an. . . .
Noch hat mich keiner so leise und doch so überall angeregt wie du. Jedes Wort
von dir versteh' ich ganz. . . . Nichts Menschliches ist dir fremd .... du nimmst
an allein teil.... und breitest dich leicht wie ein Duft gleich über alle Gegen¬
stände und hängst am liebsten doch an Blumen." So hatte einst Novalis fein¬
fühlig für Tiecks Wesen und Wirkung auf ihn geschrieben, bald nachdem er
Tiecks Freund geworden. Auf denselben Ton sind Runges Äußerungen gestimmt;
dazu kommt, daß sich beide begegneten in der Liebe, in dem Sinn für die
Blumen. Von nun an wird Runge der Maler der Blumen, der beseelten


Philipp Gelo Runge und die Romantiker

zerstreut nur zu finden ist und zum Teil noch in den Hamburger Mappen ruht,
wird von dem unermüdlichen Fleiß zeugen, womit der Künstler seinem hoch¬
gesteckten Ziele auch in den ungünstigen Jahren scheinbarer Unfruchtbarkeit
zustrebte.

Doch nicht dein Maler Runge sollen diese Seiten gelten, sie möchten zu
seinem Gedächtnis hineinführen in den Kreis der Menschen, in dem jener stand,
nicht einmal ein volles Jahrzent hindurch und doch festgewurzelt, mit manchen
der Besten seiner Zeit innig verbunden.

Seine Begegnung mit Ludwig Tieck wurde für Ruuges Leben und Kunst
ausschlaggebend. Aus klassizistischer Schule kommend, führte sein Weg zunächst
wie selbstredend zu Goethe hin, als er 1801 von Kopenhagen an die Dresdener
Akademie übersiedelte, und er machte sich alsbald an die Weimarer Preisaufgaben.
Als ihm die Ablehnung aber die Augen öffnete und er klar den Gegensatz
seines Wesens zu jener Richtung erkannte, hatte er bereits den Anschluß an die
junge Generation gefunden.

Die neue Schule war ihm längst nicht mehr unbekannt; vom Sternbald
war er schon kurz nach dessen Erscheinen „im Innersten ergriffen", und so hat
er Ende 1801 in Dresden gern eine Gelegenheit ergriffen, mit dessen Verfasser
in persönliche Berührung zu kommen. Er gewann in dem drei Jahre älteren
Dichter einen Freund; vor Runges frohem Kinderbild „Triumph des Amor"
hatte Tieck empfunden, daß es zu „Träumen" anregte, daß hier ein Künstler schaffe in
seinem Sinne. Tieck war in dem schnell geschlossenen Bunde der Gebende. Wie weit
er dabei auch selber gewonnen, läßt sich nicht so leicht überschauen. Er lebte
damals vereinsamt: Wackenroder und Novalis waren tot, von den Schlegels war er
nicht nur räumlich getrennt; der Verlust seiner beiden Eltern kam bald schmerzvoll
hinzu. Am nächsten stand Tieck damals der Naturforscher und -Philosoph
Henrich Steffens. Durch diesen und mehr noch durch Tieck selber wurde der
empfängliche Maler in die mystischen Gedankengänge romantischer Natur¬
philosophie geführt, in die Gemeinde Jakob Böhmes, des Propheten der
„Morgenröte". Hungrig nimmt der Schüler die Lehren auf. Sie vollenden seine
Anschauungen von Religion und Kunst.

Es war die Zeit, wo Tiecks poetischer Schaffenstrieb im Erlahmen war,
wo er nur langsam seinen Oktavian förderte, seinen symbolischen Sang von Rose
und Lilie. „Deine Bekanntschaft hebt ein neues Blatt in meinem Leben an. . . .
Noch hat mich keiner so leise und doch so überall angeregt wie du. Jedes Wort
von dir versteh' ich ganz. . . . Nichts Menschliches ist dir fremd .... du nimmst
an allein teil.... und breitest dich leicht wie ein Duft gleich über alle Gegen¬
stände und hängst am liebsten doch an Blumen." So hatte einst Novalis fein¬
fühlig für Tiecks Wesen und Wirkung auf ihn geschrieben, bald nachdem er
Tiecks Freund geworden. Auf denselben Ton sind Runges Äußerungen gestimmt;
dazu kommt, daß sich beide begegneten in der Liebe, in dem Sinn für die
Blumen. Von nun an wird Runge der Maler der Blumen, der beseelten


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[0521] Philipp Gelo Runge und die Romantiker zerstreut nur zu finden ist und zum Teil noch in den Hamburger Mappen ruht, wird von dem unermüdlichen Fleiß zeugen, womit der Künstler seinem hoch¬ gesteckten Ziele auch in den ungünstigen Jahren scheinbarer Unfruchtbarkeit zustrebte. Doch nicht dein Maler Runge sollen diese Seiten gelten, sie möchten zu seinem Gedächtnis hineinführen in den Kreis der Menschen, in dem jener stand, nicht einmal ein volles Jahrzent hindurch und doch festgewurzelt, mit manchen der Besten seiner Zeit innig verbunden. Seine Begegnung mit Ludwig Tieck wurde für Ruuges Leben und Kunst ausschlaggebend. Aus klassizistischer Schule kommend, führte sein Weg zunächst wie selbstredend zu Goethe hin, als er 1801 von Kopenhagen an die Dresdener Akademie übersiedelte, und er machte sich alsbald an die Weimarer Preisaufgaben. Als ihm die Ablehnung aber die Augen öffnete und er klar den Gegensatz seines Wesens zu jener Richtung erkannte, hatte er bereits den Anschluß an die junge Generation gefunden. Die neue Schule war ihm längst nicht mehr unbekannt; vom Sternbald war er schon kurz nach dessen Erscheinen „im Innersten ergriffen", und so hat er Ende 1801 in Dresden gern eine Gelegenheit ergriffen, mit dessen Verfasser in persönliche Berührung zu kommen. Er gewann in dem drei Jahre älteren Dichter einen Freund; vor Runges frohem Kinderbild „Triumph des Amor" hatte Tieck empfunden, daß es zu „Träumen" anregte, daß hier ein Künstler schaffe in seinem Sinne. Tieck war in dem schnell geschlossenen Bunde der Gebende. Wie weit er dabei auch selber gewonnen, läßt sich nicht so leicht überschauen. Er lebte damals vereinsamt: Wackenroder und Novalis waren tot, von den Schlegels war er nicht nur räumlich getrennt; der Verlust seiner beiden Eltern kam bald schmerzvoll hinzu. Am nächsten stand Tieck damals der Naturforscher und -Philosoph Henrich Steffens. Durch diesen und mehr noch durch Tieck selber wurde der empfängliche Maler in die mystischen Gedankengänge romantischer Natur¬ philosophie geführt, in die Gemeinde Jakob Böhmes, des Propheten der „Morgenröte". Hungrig nimmt der Schüler die Lehren auf. Sie vollenden seine Anschauungen von Religion und Kunst. Es war die Zeit, wo Tiecks poetischer Schaffenstrieb im Erlahmen war, wo er nur langsam seinen Oktavian förderte, seinen symbolischen Sang von Rose und Lilie. „Deine Bekanntschaft hebt ein neues Blatt in meinem Leben an. . . . Noch hat mich keiner so leise und doch so überall angeregt wie du. Jedes Wort von dir versteh' ich ganz. . . . Nichts Menschliches ist dir fremd .... du nimmst an allein teil.... und breitest dich leicht wie ein Duft gleich über alle Gegen¬ stände und hängst am liebsten doch an Blumen." So hatte einst Novalis fein¬ fühlig für Tiecks Wesen und Wirkung auf ihn geschrieben, bald nachdem er Tiecks Freund geworden. Auf denselben Ton sind Runges Äußerungen gestimmt; dazu kommt, daß sich beide begegneten in der Liebe, in dem Sinn für die Blumen. Von nun an wird Runge der Maler der Blumen, der beseelten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/521>, abgerufen am 15.05.2024.