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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sehr stimmungsvoll wirken würde. Aber eine Ausstellung, und Stimmung? Ja,
wenn es sich noch um eine reine Kunstausstellung handelte.

Sieht man von den Festräumen, für die natürlich mit Putz, Stuck und Farbe
etwas mehr geschehen ist, und von dem nicht nur in der Außenarchitektur, sondern
auch im Inneren sehr eindrucksvoller Pavillon Brasiliens, einem mächtigen --
natürlich auch nicht aus echtem Material errichteten -- Kuppelbau, ab, so fällt das
Innere der deutschen Ausstellung den übrigen Hallen gegenüber angenehm auf.
Nicht daß mehr Schmuck verwendet wäre. Aber das Ganze ist sorgfältiger durch¬
gearbeitet; es sind bessere Materialien verwendet, Form und Abmessungen der
tragenden Konstruktionsteile sind durchdacht, die Lichtwirkung ist genau erwogen.
Leider muß ich hier aber noch mit einem zweiten Einwände -- außer dem oben
angegebenen, der ungünstigen Beleuchtung in der Kunstabteiluug -- kommen:
die Verwendung des Bohlenbogens in der Eisenbahnhalle. Diese Ausführungs¬
weise, die viele Vorteile bietet und lange noch nicht genug gewürdigt wird, ist
hier doch wohl nicht am Platze. Ältere Leute werden sich wohl noch der hölzernen
Bahnhofshallen entsinnen, die früher nicht selten waren und zum Teil recht gut
wirkten, z. B. die des Berliner Bahnhofs in Hamburg. Inzwischen hat man sich
an das Eisen als Konstruktionsmaterial für diese Bauten gewöhnt und es kann
doch wohl kaum beabsichtigt sein, hier eine Rückkehr zur Holzkonstruktion vor¬
zubereiten. Ihre Anwendung an dieser Stelle ist also zwecklos. Auch kommt hier
der Hauptvorzug des Bohlenbogens vor der Eisenkonstruktion -- die Vermeidung
abtropfenden Schwitzwassers -- nicht zur Geltung. Hätte man ihn doch lieber
über der Bücherhalle verwendet.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

sehr stimmungsvoll wirken würde. Aber eine Ausstellung, und Stimmung? Ja,
wenn es sich noch um eine reine Kunstausstellung handelte.

Sieht man von den Festräumen, für die natürlich mit Putz, Stuck und Farbe
etwas mehr geschehen ist, und von dem nicht nur in der Außenarchitektur, sondern
auch im Inneren sehr eindrucksvoller Pavillon Brasiliens, einem mächtigen —
natürlich auch nicht aus echtem Material errichteten — Kuppelbau, ab, so fällt das
Innere der deutschen Ausstellung den übrigen Hallen gegenüber angenehm auf.
Nicht daß mehr Schmuck verwendet wäre. Aber das Ganze ist sorgfältiger durch¬
gearbeitet; es sind bessere Materialien verwendet, Form und Abmessungen der
tragenden Konstruktionsteile sind durchdacht, die Lichtwirkung ist genau erwogen.
Leider muß ich hier aber noch mit einem zweiten Einwände — außer dem oben
angegebenen, der ungünstigen Beleuchtung in der Kunstabteiluug — kommen:
die Verwendung des Bohlenbogens in der Eisenbahnhalle. Diese Ausführungs¬
weise, die viele Vorteile bietet und lange noch nicht genug gewürdigt wird, ist
hier doch wohl nicht am Platze. Ältere Leute werden sich wohl noch der hölzernen
Bahnhofshallen entsinnen, die früher nicht selten waren und zum Teil recht gut
wirkten, z. B. die des Berliner Bahnhofs in Hamburg. Inzwischen hat man sich
an das Eisen als Konstruktionsmaterial für diese Bauten gewöhnt und es kann
doch wohl kaum beabsichtigt sein, hier eine Rückkehr zur Holzkonstruktion vor¬
zubereiten. Ihre Anwendung an dieser Stelle ist also zwecklos. Auch kommt hier
der Hauptvorzug des Bohlenbogens vor der Eisenkonstruktion — die Vermeidung
abtropfenden Schwitzwassers — nicht zur Geltung. Hätte man ihn doch lieber
über der Bücherhalle verwendet.




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[0059] Maßgebliches und Unmaßgebliches sehr stimmungsvoll wirken würde. Aber eine Ausstellung, und Stimmung? Ja, wenn es sich noch um eine reine Kunstausstellung handelte. Sieht man von den Festräumen, für die natürlich mit Putz, Stuck und Farbe etwas mehr geschehen ist, und von dem nicht nur in der Außenarchitektur, sondern auch im Inneren sehr eindrucksvoller Pavillon Brasiliens, einem mächtigen — natürlich auch nicht aus echtem Material errichteten — Kuppelbau, ab, so fällt das Innere der deutschen Ausstellung den übrigen Hallen gegenüber angenehm auf. Nicht daß mehr Schmuck verwendet wäre. Aber das Ganze ist sorgfältiger durch¬ gearbeitet; es sind bessere Materialien verwendet, Form und Abmessungen der tragenden Konstruktionsteile sind durchdacht, die Lichtwirkung ist genau erwogen. Leider muß ich hier aber noch mit einem zweiten Einwände — außer dem oben angegebenen, der ungünstigen Beleuchtung in der Kunstabteiluug — kommen: die Verwendung des Bohlenbogens in der Eisenbahnhalle. Diese Ausführungs¬ weise, die viele Vorteile bietet und lange noch nicht genug gewürdigt wird, ist hier doch wohl nicht am Platze. Ältere Leute werden sich wohl noch der hölzernen Bahnhofshallen entsinnen, die früher nicht selten waren und zum Teil recht gut wirkten, z. B. die des Berliner Bahnhofs in Hamburg. Inzwischen hat man sich an das Eisen als Konstruktionsmaterial für diese Bauten gewöhnt und es kann doch wohl kaum beabsichtigt sein, hier eine Rückkehr zur Holzkonstruktion vor¬ zubereiten. Ihre Anwendung an dieser Stelle ist also zwecklos. Auch kommt hier der Hauptvorzug des Bohlenbogens vor der Eisenkonstruktion — die Vermeidung abtropfenden Schwitzwassers — nicht zur Geltung. Hätte man ihn doch lieber über der Bücherhalle verwendet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/59>, abgerufen am 10.06.2024.