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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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oder von irgendeiner Seite provozierter Zusammenstoß hat zwischen den
Gegnern nicht stattgefunden. Herr v. Gaffron wurde auf den Sportplätzen
infolge feines früheren Verhaltens gemieden und hatte auch sonst keine
Gelegenheit mehr, mit dem jungen Richthofen gesellschaftlich zusammenzukommen.
Ebensowenig sollte man glauben, daß brieflich eine Beleidigung zustande
gekommen wäre; denn welch ein Grund hätte wohl den Offizier veranlassen
können, nach den bekannten Vorgängen in Briefwechsel mit seinem Gegner
zu treten oder anch nur einen von jener Seite an ihn gerichteten Brief in
Empfang zu nehmen. Auch die Beleidigung durch Vermittlung eines Dritten,
die im Bereich der Möglichkeit läge, ist von der Hand zu weisen, da anderen-
falls der Offizier von seiner Waffe Gebrauch gemacht haben müßte und die
Öffentlichkeit davon erfahren hätte. Von selten des Offiziers oder seiner Brüder
sind, davon darf man überzeugt sein, keinerlei Schritte unternommen worden,
um ein Duell herbeizuführen! denn der beste Beweis für seine vollständigste
Rehabilitierung liegt in der Tatsache der Einberufung zur Waffenübung bei
seinem alten Regiment. Somit lag für Richthofen anch gar keine Veranlassung
vor, seinen unterlegenen Prozeßgegner mit der Pistole zu verfolgen.

Nach diesen Überlegungen bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten
für das Zustandekommen des Duells: Herr v. Gaffron hat, sobald er von
Richthofens Anwesenheit in Berlin hörte, diesem durch einen einwandfreien
Vertreter seine Forderung übersandt. Dann wäre der Verlauf folgender gewesen:
Richthofen hätte die Forderung prinzipiell angenommen, aber deren Austrag
von einem Beschluß des Ehrenrath abhängig gemacht; alsdann hätte er dem
Vorsitzenden des Ehrenrath seines Regiments Mitteilung von dem Eingang der
Forderung gemacht, der den Ehrenrat schleunigst zusammentreten ließ. War
dieser immerhin kavaliermäßige Weg gewählt, dann lag es nach den Bestim¬
mungen in der Hand des Ehrenrath, ob er sich für oder gegen die Durch¬
führung des Duells aussprach. Freilich liegt hier ein Umstand vor, der die
Entscheidung des Ehrenrath erschweren mußte. Herr v. Gaffron, der lediglich
Sportsmann war, unterstand keinem Ehrengerichte. Seine gesellschaftliche und
dadurch auch geschäftliche Stellung war aber durch den Verlauf des früheren
Prozesses derart unangenehm geworden, daß er danach trachten mußte, sie mit
kavaliermäßigen Mitteln ins Gleichgewicht zu bringen. Ein Duell mit Richt¬
hofen schien der einzig mögliche Weg. Sollte das Offizierehrengericht ihm den
Weg abschneiden? Ich meine, daß der Ehrenrat in diesem Falle das Duell
nicht nur nicht gestatten, sondern im Gegenteil verbieten mußte, weil Gaffron
sich in einem früheren Augenblick außerhalb des Ehrenkodex gestellt hatte.
Es handelte sich nicht um einen neuen Streitfall, sondern um einen
Gesinnungswechsel.

Doch ist noch ein letzter Weg möglich, auf dem das Duell hätte zustande
kommen können. Herr v. Gaffron hat während aller Stadien seines Streites
mit Richthofen durch sein Auftreten erkennen lassen, daß ihm Berater, denen


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oder von irgendeiner Seite provozierter Zusammenstoß hat zwischen den
Gegnern nicht stattgefunden. Herr v. Gaffron wurde auf den Sportplätzen
infolge feines früheren Verhaltens gemieden und hatte auch sonst keine
Gelegenheit mehr, mit dem jungen Richthofen gesellschaftlich zusammenzukommen.
Ebensowenig sollte man glauben, daß brieflich eine Beleidigung zustande
gekommen wäre; denn welch ein Grund hätte wohl den Offizier veranlassen
können, nach den bekannten Vorgängen in Briefwechsel mit seinem Gegner
zu treten oder anch nur einen von jener Seite an ihn gerichteten Brief in
Empfang zu nehmen. Auch die Beleidigung durch Vermittlung eines Dritten,
die im Bereich der Möglichkeit läge, ist von der Hand zu weisen, da anderen-
falls der Offizier von seiner Waffe Gebrauch gemacht haben müßte und die
Öffentlichkeit davon erfahren hätte. Von selten des Offiziers oder seiner Brüder
sind, davon darf man überzeugt sein, keinerlei Schritte unternommen worden,
um ein Duell herbeizuführen! denn der beste Beweis für seine vollständigste
Rehabilitierung liegt in der Tatsache der Einberufung zur Waffenübung bei
seinem alten Regiment. Somit lag für Richthofen anch gar keine Veranlassung
vor, seinen unterlegenen Prozeßgegner mit der Pistole zu verfolgen.

Nach diesen Überlegungen bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten
für das Zustandekommen des Duells: Herr v. Gaffron hat, sobald er von
Richthofens Anwesenheit in Berlin hörte, diesem durch einen einwandfreien
Vertreter seine Forderung übersandt. Dann wäre der Verlauf folgender gewesen:
Richthofen hätte die Forderung prinzipiell angenommen, aber deren Austrag
von einem Beschluß des Ehrenrath abhängig gemacht; alsdann hätte er dem
Vorsitzenden des Ehrenrath seines Regiments Mitteilung von dem Eingang der
Forderung gemacht, der den Ehrenrat schleunigst zusammentreten ließ. War
dieser immerhin kavaliermäßige Weg gewählt, dann lag es nach den Bestim¬
mungen in der Hand des Ehrenrath, ob er sich für oder gegen die Durch¬
führung des Duells aussprach. Freilich liegt hier ein Umstand vor, der die
Entscheidung des Ehrenrath erschweren mußte. Herr v. Gaffron, der lediglich
Sportsmann war, unterstand keinem Ehrengerichte. Seine gesellschaftliche und
dadurch auch geschäftliche Stellung war aber durch den Verlauf des früheren
Prozesses derart unangenehm geworden, daß er danach trachten mußte, sie mit
kavaliermäßigen Mitteln ins Gleichgewicht zu bringen. Ein Duell mit Richt¬
hofen schien der einzig mögliche Weg. Sollte das Offizierehrengericht ihm den
Weg abschneiden? Ich meine, daß der Ehrenrat in diesem Falle das Duell
nicht nur nicht gestatten, sondern im Gegenteil verbieten mußte, weil Gaffron
sich in einem früheren Augenblick außerhalb des Ehrenkodex gestellt hatte.
Es handelte sich nicht um einen neuen Streitfall, sondern um einen
Gesinnungswechsel.

Doch ist noch ein letzter Weg möglich, auf dem das Duell hätte zustande
kommen können. Herr v. Gaffron hat während aller Stadien seines Streites
mit Richthofen durch sein Auftreten erkennen lassen, daß ihm Berater, denen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/342>, abgerufen am 17.06.2024.