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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Reichssxiegel

Form, daß sie sich zu einem lebhaften Angriff gegen das autokratische System
Fürstenbergs gestaltete. In der Sache hatte der Interpellant zweifelsohne recht.
Daß in der Handelsgesellschaft das System einer unbeschränkten Autokratie
herrscht, ist ein öffentliches Geheimnis. 'Auch bei anderen Gesellschaften, nicht
nur bei Banken, kehrt die Erscheinung wieder, daß eine einzelne Persönlich¬
keit einen alles überwiegenden Einfluß besitzt. Die Stellung Rathenaus in der
A. E. G,, Gntmanns in der Dresdner Bank oder, -- si parva liest componere
maMiL, -- Sterns in der Nationalbank ist sicher nicht weniger selbstherrlich
als die Fürstenbergs in der Handelsgesellschaft. Diese Erscheinung ist leicht
erklärlich; es handelt sich um Männer von großer geschäftlicher Energie, denen
das Hauptverdienst an dem Aufblühen der von ihnen geleiteten Unternehmungen
zufällt. Kann es da wundernehmen, wem: solche Naturen bestrebt sind, die
Zügel in der Hand zu behalten und sich ihre Mitarbeiter auch nach den:
Gesichtspunkte auszuwählen, in ihnen gefügige, stets bereite Werkzeuge sür die
Durchsetzung ihrer Pläne zu sichern? Bleibt doch auf diese Weise nach außen
hin das geschäftliche Renommee untrennbar mit ihrer Person verknüpft, während
ihnen zugleich -- allerdings nicht in breitester Öffentlichkeit -- der Löwenanteil
der Gewinnbeteiligung zufließt. Dieses System der Alleinherrschaft birgt große
Gefahren in sich. Handelt es sich doch um Gesellschaften mit einem eigenen
Kapital von mehreren hundert Millionen Mark und fremden Geldern, die das
Vielfache dieser Summe darstellen. An der Leitung solcher Riesenbetriebe ist
die Öffentlichkeit in höchstem Maße interessiert, und es geht nicht an, jene gleichsam
auf zwei Augen zu stellen. Schon die Notwendigkeit, für einen Nachwuchs zu
sorgen, müßte dazu führen, die Verwaltung zu einer wahrhaft kollegialen zu
gestalten, womit freilich nicht gesagt werden soll, daß es notwendig immer die
Söhne oder Vettern sein müssen, die diesen Nachwuchs bilden.

Diese geistige Verwandtschaft in der Leitung der Dresdner Bank und der
Berliner Handelsgesellschaft mag das ihrige dazu beigetragen haben, zwischen
den ehemals so feindlichen Brüdern neue Freundschaftsbande zu knüpfen. Zwar
hat die Dresdner Bank, die dieserhalb auf ihrer Generalversammlung uni nähere
Auskunft angegangen war, sich hierüber nicht weiter ausgelassen. Daß indessen
mehr als freundschaftliche Beziehungen angeknüpft worden sind, wird der Öffent¬
lichkeit gegenüber schon ausreichend durch den Pakt über die Depositenkassen
dargetan. Das Fiasko der Interessengemeinschaft Dresden-Schaaffhausen dürfte
wohl verhindern, daß auch diese neue Freundschaft wieder förmlich mit Brief
und Siegel versehen wird. Getrennt marschieren und vereint schlagen wird die
Devise sein, und dies für die Dresdnerin um so mehr, als sie -- durch die
erfolgte Kapitalserhöhung der Diskontogesellschaft wieder an die dritte Stelle
unter den Großbanken gerückt -- ihr Ideal, es der Deutschen Bank -- nach
außen hin -- gleichzutun, aus eigener Kraft nicht erreichen kann.

Die Diskontogesellschaft hatte wegen der Kritik, die sie in ihrem Geschäfts¬
bericht an den: Kaligesetz geübt hatte, Rede und Antwort zu stehen. Die Bank


Reichssxiegel

Form, daß sie sich zu einem lebhaften Angriff gegen das autokratische System
Fürstenbergs gestaltete. In der Sache hatte der Interpellant zweifelsohne recht.
Daß in der Handelsgesellschaft das System einer unbeschränkten Autokratie
herrscht, ist ein öffentliches Geheimnis. 'Auch bei anderen Gesellschaften, nicht
nur bei Banken, kehrt die Erscheinung wieder, daß eine einzelne Persönlich¬
keit einen alles überwiegenden Einfluß besitzt. Die Stellung Rathenaus in der
A. E. G,, Gntmanns in der Dresdner Bank oder, — si parva liest componere
maMiL, — Sterns in der Nationalbank ist sicher nicht weniger selbstherrlich
als die Fürstenbergs in der Handelsgesellschaft. Diese Erscheinung ist leicht
erklärlich; es handelt sich um Männer von großer geschäftlicher Energie, denen
das Hauptverdienst an dem Aufblühen der von ihnen geleiteten Unternehmungen
zufällt. Kann es da wundernehmen, wem: solche Naturen bestrebt sind, die
Zügel in der Hand zu behalten und sich ihre Mitarbeiter auch nach den:
Gesichtspunkte auszuwählen, in ihnen gefügige, stets bereite Werkzeuge sür die
Durchsetzung ihrer Pläne zu sichern? Bleibt doch auf diese Weise nach außen
hin das geschäftliche Renommee untrennbar mit ihrer Person verknüpft, während
ihnen zugleich — allerdings nicht in breitester Öffentlichkeit — der Löwenanteil
der Gewinnbeteiligung zufließt. Dieses System der Alleinherrschaft birgt große
Gefahren in sich. Handelt es sich doch um Gesellschaften mit einem eigenen
Kapital von mehreren hundert Millionen Mark und fremden Geldern, die das
Vielfache dieser Summe darstellen. An der Leitung solcher Riesenbetriebe ist
die Öffentlichkeit in höchstem Maße interessiert, und es geht nicht an, jene gleichsam
auf zwei Augen zu stellen. Schon die Notwendigkeit, für einen Nachwuchs zu
sorgen, müßte dazu führen, die Verwaltung zu einer wahrhaft kollegialen zu
gestalten, womit freilich nicht gesagt werden soll, daß es notwendig immer die
Söhne oder Vettern sein müssen, die diesen Nachwuchs bilden.

Diese geistige Verwandtschaft in der Leitung der Dresdner Bank und der
Berliner Handelsgesellschaft mag das ihrige dazu beigetragen haben, zwischen
den ehemals so feindlichen Brüdern neue Freundschaftsbande zu knüpfen. Zwar
hat die Dresdner Bank, die dieserhalb auf ihrer Generalversammlung uni nähere
Auskunft angegangen war, sich hierüber nicht weiter ausgelassen. Daß indessen
mehr als freundschaftliche Beziehungen angeknüpft worden sind, wird der Öffent¬
lichkeit gegenüber schon ausreichend durch den Pakt über die Depositenkassen
dargetan. Das Fiasko der Interessengemeinschaft Dresden-Schaaffhausen dürfte
wohl verhindern, daß auch diese neue Freundschaft wieder förmlich mit Brief
und Siegel versehen wird. Getrennt marschieren und vereint schlagen wird die
Devise sein, und dies für die Dresdnerin um so mehr, als sie — durch die
erfolgte Kapitalserhöhung der Diskontogesellschaft wieder an die dritte Stelle
unter den Großbanken gerückt — ihr Ideal, es der Deutschen Bank — nach
außen hin — gleichzutun, aus eigener Kraft nicht erreichen kann.

Die Diskontogesellschaft hatte wegen der Kritik, die sie in ihrem Geschäfts¬
bericht an den: Kaligesetz geübt hatte, Rede und Antwort zu stehen. Die Bank


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/57>, abgerufen am 17.06.2024.