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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Kaiser Mitbeten der Lrste und die Kunst seiner Zeit

Von Frankreich und von einem Lande, das von naiver Verehrung der Natur
erfüllt war, von Japan her, erzwang sich eine unvoreingenommene künstlerische
Schilderung der alltäglichen Umgebung Geltung, die ihrer wesentlichsten Eigenart
nach die Sache um der Sache willen, die Kunst um der Kunst willen ohne
besondere Nebenabsichten bieten wollte, womit sie den Grundtendenzen der Epoche
Wilhelms des Ersten durchaus entsprach. Allerdings litt das Gemütsleben, der
höhere Flug der Phantasie; aber vergessen wir nicht, es war auch die Zeit der
parlamentarischen und privaten Jnteressenkämpfe angebrochen. "Höhere" Gesichts¬
punkte schienen allerorten einigermaßen ausgeschieden zu sein.

Die deutschen Lande stehen voll Denkmäler, die Kaiser Wilhelm den Ersten
feiern. Ob dem Sinn des alten Monarchen diese Verherrlichung seiner Person
recht gewesen wäre, er, der im höchsten Siegerglück sagte: "Welche Wendung
durch Gottes wunderbare Fügung I" -- Es ist diese Frage schwer zu beant¬
worten. Als Material dazu besitzen wir nur die Siegesdenkmäler, die unter
seiner Regierung gesetzt sind. Sie feiern entweder den todesmutigen Krieger
oder stellen Symbole anstatt der Herrschergestalt auf. Die Germania am Rhein,
das Hermann-Denkmal im Teutoburger Walde sind gewiß keine Kunstwerke
erstell Ranges, aber auch nicht protzenhafte Selbstverherrlichungen, sondern
von feinem Seelenadel, von gutem Taktgefühl eingegeben und beseelt von einem
Volksempfinden, das trotz der Mängel des einzelnen Kunstwerkes stark fühlbar
ist, jedenfalls intensiver als in dem Konglomerat von Menschen, Tieren und
Bauteilen, das zu Ehren Wilhelms des Ersten neben dem Schlosse zu Berlin
seine Stätte gefunden hat. Anderseits läßt sich nicht in Abrede stellen, daß
auch die prunkvollen Denkmäler, wie etwa das auf dem Kyffhäuser, ja selbst
das in manchen Punkten zu beanstandende Monument in Berlin, in gewissem
Hinblick aus der Zeit Wilhelms des Ersten hervorgegangen sind, insofern nämlich,
als sie die Periode der selbstbewußten, zielsicheren Männer war, die allerdings
nicht protzig, sondern ruhig und sicher auftraten.

Die Kunst der Regierungszeit Kaiser Wilhelms des Ersten ergibt als Gesamt¬
ergebnis, daß sie eine in sich geschlossene war. Die künstlerische Entwicklung
dieser Zeit -- nur von einer solchen dürfen wir reden -- ging ihren Weg ruhig
voran, weil außenstehende und gebietende Mächte sie nicht von sich selbst
abirren machten.




Kaiser Mitbeten der Lrste und die Kunst seiner Zeit

Von Frankreich und von einem Lande, das von naiver Verehrung der Natur
erfüllt war, von Japan her, erzwang sich eine unvoreingenommene künstlerische
Schilderung der alltäglichen Umgebung Geltung, die ihrer wesentlichsten Eigenart
nach die Sache um der Sache willen, die Kunst um der Kunst willen ohne
besondere Nebenabsichten bieten wollte, womit sie den Grundtendenzen der Epoche
Wilhelms des Ersten durchaus entsprach. Allerdings litt das Gemütsleben, der
höhere Flug der Phantasie; aber vergessen wir nicht, es war auch die Zeit der
parlamentarischen und privaten Jnteressenkämpfe angebrochen. „Höhere" Gesichts¬
punkte schienen allerorten einigermaßen ausgeschieden zu sein.

Die deutschen Lande stehen voll Denkmäler, die Kaiser Wilhelm den Ersten
feiern. Ob dem Sinn des alten Monarchen diese Verherrlichung seiner Person
recht gewesen wäre, er, der im höchsten Siegerglück sagte: „Welche Wendung
durch Gottes wunderbare Fügung I" — Es ist diese Frage schwer zu beant¬
worten. Als Material dazu besitzen wir nur die Siegesdenkmäler, die unter
seiner Regierung gesetzt sind. Sie feiern entweder den todesmutigen Krieger
oder stellen Symbole anstatt der Herrschergestalt auf. Die Germania am Rhein,
das Hermann-Denkmal im Teutoburger Walde sind gewiß keine Kunstwerke
erstell Ranges, aber auch nicht protzenhafte Selbstverherrlichungen, sondern
von feinem Seelenadel, von gutem Taktgefühl eingegeben und beseelt von einem
Volksempfinden, das trotz der Mängel des einzelnen Kunstwerkes stark fühlbar
ist, jedenfalls intensiver als in dem Konglomerat von Menschen, Tieren und
Bauteilen, das zu Ehren Wilhelms des Ersten neben dem Schlosse zu Berlin
seine Stätte gefunden hat. Anderseits läßt sich nicht in Abrede stellen, daß
auch die prunkvollen Denkmäler, wie etwa das auf dem Kyffhäuser, ja selbst
das in manchen Punkten zu beanstandende Monument in Berlin, in gewissem
Hinblick aus der Zeit Wilhelms des Ersten hervorgegangen sind, insofern nämlich,
als sie die Periode der selbstbewußten, zielsicheren Männer war, die allerdings
nicht protzig, sondern ruhig und sicher auftraten.

Die Kunst der Regierungszeit Kaiser Wilhelms des Ersten ergibt als Gesamt¬
ergebnis, daß sie eine in sich geschlossene war. Die künstlerische Entwicklung
dieser Zeit — nur von einer solchen dürfen wir reden — ging ihren Weg ruhig
voran, weil außenstehende und gebietende Mächte sie nicht von sich selbst
abirren machten.




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[0024] Kaiser Mitbeten der Lrste und die Kunst seiner Zeit Von Frankreich und von einem Lande, das von naiver Verehrung der Natur erfüllt war, von Japan her, erzwang sich eine unvoreingenommene künstlerische Schilderung der alltäglichen Umgebung Geltung, die ihrer wesentlichsten Eigenart nach die Sache um der Sache willen, die Kunst um der Kunst willen ohne besondere Nebenabsichten bieten wollte, womit sie den Grundtendenzen der Epoche Wilhelms des Ersten durchaus entsprach. Allerdings litt das Gemütsleben, der höhere Flug der Phantasie; aber vergessen wir nicht, es war auch die Zeit der parlamentarischen und privaten Jnteressenkämpfe angebrochen. „Höhere" Gesichts¬ punkte schienen allerorten einigermaßen ausgeschieden zu sein. Die deutschen Lande stehen voll Denkmäler, die Kaiser Wilhelm den Ersten feiern. Ob dem Sinn des alten Monarchen diese Verherrlichung seiner Person recht gewesen wäre, er, der im höchsten Siegerglück sagte: „Welche Wendung durch Gottes wunderbare Fügung I" — Es ist diese Frage schwer zu beant¬ worten. Als Material dazu besitzen wir nur die Siegesdenkmäler, die unter seiner Regierung gesetzt sind. Sie feiern entweder den todesmutigen Krieger oder stellen Symbole anstatt der Herrschergestalt auf. Die Germania am Rhein, das Hermann-Denkmal im Teutoburger Walde sind gewiß keine Kunstwerke erstell Ranges, aber auch nicht protzenhafte Selbstverherrlichungen, sondern von feinem Seelenadel, von gutem Taktgefühl eingegeben und beseelt von einem Volksempfinden, das trotz der Mängel des einzelnen Kunstwerkes stark fühlbar ist, jedenfalls intensiver als in dem Konglomerat von Menschen, Tieren und Bauteilen, das zu Ehren Wilhelms des Ersten neben dem Schlosse zu Berlin seine Stätte gefunden hat. Anderseits läßt sich nicht in Abrede stellen, daß auch die prunkvollen Denkmäler, wie etwa das auf dem Kyffhäuser, ja selbst das in manchen Punkten zu beanstandende Monument in Berlin, in gewissem Hinblick aus der Zeit Wilhelms des Ersten hervorgegangen sind, insofern nämlich, als sie die Periode der selbstbewußten, zielsicheren Männer war, die allerdings nicht protzig, sondern ruhig und sicher auftraten. Die Kunst der Regierungszeit Kaiser Wilhelms des Ersten ergibt als Gesamt¬ ergebnis, daß sie eine in sich geschlossene war. Die künstlerische Entwicklung dieser Zeit — nur von einer solchen dürfen wir reden — ging ihren Weg ruhig voran, weil außenstehende und gebietende Mächte sie nicht von sich selbst abirren machten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/24>, abgerufen am 26.05.2024.