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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Gin Später Derer van Doorn

Nur das kleine Licht brannte heiß und streckte sich und arbeitete selber
wie eine Seele, um des jungen Hieronymus Seele tiefer und tiefer aufzuhellen.

Die Flamme hatte noch immer das tiefe Dunkel um sich, in dem sie ragte wie
ein goldenes Geheimnis. Und vor sich das tiefe Dunkel von Hieronymus Seele,
die im innersten Schlafe jetzt inbrünstig stöhnte und schwer nach Atem sich mühte.

Beinahe schien der junge Geistliche auf seinem Bette, worauf er mit dem
Priestergewand angetan, von Eisflocken der Nachtsee angeweht und durchnäßt,
hingestreckt lag. zu erwachen.

Er regte sich.

Aber er erwachte nicht.

Er sank nur in letztes, völliges Vergessen.

Da hatte die Flamme endlich den Grund der schlafenden Seele langsam
und sanft erreicht.

Und es kamen allerlei frohe Menschen, die in einem Bergtale schritten. Es
mußte ein Fest sein. Es kamen auch Züge von weißen Tieren. Es kamen
auch glänzende Engel mit Schalmeien, und mitten inne in einer Schar, die ihm
deuchie wie dienende, heilige Frauen, ging lächelnd von einer unbeschreiblichen
Güte Frau Hartje wie unter einem Baldachin, und ihre Blicke riefen in die
Luft. .. riefen seinen Namen ... nur immer wieder seinen Namen, den alle
Lüfte wiedergaben, wie ein Echo . . . und er hörte seinen Namen rufen ... er
wollte aufstehen... er konnte sich nicht lösen, weil ihn ein Bann gebunden
hielt... es war eine furchtbare Pein. Er konnte sich nicht lösen. Er war
gebunden an Händen und Füßen. Gefesselt richtig, daß Blut von Händen und
Füßen rann. Er hatte eine Qual, weil er in glühenden Ketten lag, die ihm
den Odem aus der Seele preßten ... er mußte sich lösen. Er mußte dem Rufe
folgen, der in den hellen Lüften nicht ausklang. Frau Hartje rief ihn. Sie
rief ihn mit lockender heimlicher Stimme. Jetzt hatte er Kraft!. . . jetzt begann
er zu wachsenl. . . jetzt zerbrach er alle Fesseln und sprang in die Höhe. Und
stand wie verstört . . . blickte sich um . . . erkannte das kleine Licht im Raume...
der weite Himmel sank krachend zusammen . . . Hieronymus erkannte wieder den
engen, schwarzen Raum seiner ärmlichen Stube. Und seine Verwirrung ging unter
in heißen, zerreißenden Tränen, die er in die irdische Nacht unaufhörlich weinte.

Aber am anderen Morgen kam zufällig auch ein Brief von Frau Hartje
Kroen und auch von Herrn Kroen. worin ihm beide Grüße aus dem Sonnen¬
lande sandten, darin sie den Winter zur vollen Genesung leben mußten, und
worin es geschrieben stand, daß sie sich auf die Rückkehr in ihr Strandschlößchen
sehr freuten oder, wie Frau Hartje stärker sagte, sich nach nichts als wie danach
sehnten. Worin noch geschrieben stand, daß sie nichts mehr wünschten, als daß
dann der Herr Pfarrer oft ihre Schwelle mit seinem hehren Wesen beglücken
möchte. Hieronymus van Doorn erschienen dann bald seine Aufwühlungen
und Träume wie ganz fern und fremd. (Fortsetzung folgt)




Gin Später Derer van Doorn

Nur das kleine Licht brannte heiß und streckte sich und arbeitete selber
wie eine Seele, um des jungen Hieronymus Seele tiefer und tiefer aufzuhellen.

Die Flamme hatte noch immer das tiefe Dunkel um sich, in dem sie ragte wie
ein goldenes Geheimnis. Und vor sich das tiefe Dunkel von Hieronymus Seele,
die im innersten Schlafe jetzt inbrünstig stöhnte und schwer nach Atem sich mühte.

Beinahe schien der junge Geistliche auf seinem Bette, worauf er mit dem
Priestergewand angetan, von Eisflocken der Nachtsee angeweht und durchnäßt,
hingestreckt lag. zu erwachen.

Er regte sich.

Aber er erwachte nicht.

Er sank nur in letztes, völliges Vergessen.

Da hatte die Flamme endlich den Grund der schlafenden Seele langsam
und sanft erreicht.

Und es kamen allerlei frohe Menschen, die in einem Bergtale schritten. Es
mußte ein Fest sein. Es kamen auch Züge von weißen Tieren. Es kamen
auch glänzende Engel mit Schalmeien, und mitten inne in einer Schar, die ihm
deuchie wie dienende, heilige Frauen, ging lächelnd von einer unbeschreiblichen
Güte Frau Hartje wie unter einem Baldachin, und ihre Blicke riefen in die
Luft. .. riefen seinen Namen ... nur immer wieder seinen Namen, den alle
Lüfte wiedergaben, wie ein Echo . . . und er hörte seinen Namen rufen ... er
wollte aufstehen... er konnte sich nicht lösen, weil ihn ein Bann gebunden
hielt... es war eine furchtbare Pein. Er konnte sich nicht lösen. Er war
gebunden an Händen und Füßen. Gefesselt richtig, daß Blut von Händen und
Füßen rann. Er hatte eine Qual, weil er in glühenden Ketten lag, die ihm
den Odem aus der Seele preßten ... er mußte sich lösen. Er mußte dem Rufe
folgen, der in den hellen Lüften nicht ausklang. Frau Hartje rief ihn. Sie
rief ihn mit lockender heimlicher Stimme. Jetzt hatte er Kraft!. . . jetzt begann
er zu wachsenl. . . jetzt zerbrach er alle Fesseln und sprang in die Höhe. Und
stand wie verstört . . . blickte sich um . . . erkannte das kleine Licht im Raume...
der weite Himmel sank krachend zusammen . . . Hieronymus erkannte wieder den
engen, schwarzen Raum seiner ärmlichen Stube. Und seine Verwirrung ging unter
in heißen, zerreißenden Tränen, die er in die irdische Nacht unaufhörlich weinte.

Aber am anderen Morgen kam zufällig auch ein Brief von Frau Hartje
Kroen und auch von Herrn Kroen. worin ihm beide Grüße aus dem Sonnen¬
lande sandten, darin sie den Winter zur vollen Genesung leben mußten, und
worin es geschrieben stand, daß sie sich auf die Rückkehr in ihr Strandschlößchen
sehr freuten oder, wie Frau Hartje stärker sagte, sich nach nichts als wie danach
sehnten. Worin noch geschrieben stand, daß sie nichts mehr wünschten, als daß
dann der Herr Pfarrer oft ihre Schwelle mit seinem hehren Wesen beglücken
möchte. Hieronymus van Doorn erschienen dann bald seine Aufwühlungen
und Träume wie ganz fern und fremd. (Fortsetzung folgt)




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[0197] Gin Später Derer van Doorn Nur das kleine Licht brannte heiß und streckte sich und arbeitete selber wie eine Seele, um des jungen Hieronymus Seele tiefer und tiefer aufzuhellen. Die Flamme hatte noch immer das tiefe Dunkel um sich, in dem sie ragte wie ein goldenes Geheimnis. Und vor sich das tiefe Dunkel von Hieronymus Seele, die im innersten Schlafe jetzt inbrünstig stöhnte und schwer nach Atem sich mühte. Beinahe schien der junge Geistliche auf seinem Bette, worauf er mit dem Priestergewand angetan, von Eisflocken der Nachtsee angeweht und durchnäßt, hingestreckt lag. zu erwachen. Er regte sich. Aber er erwachte nicht. Er sank nur in letztes, völliges Vergessen. Da hatte die Flamme endlich den Grund der schlafenden Seele langsam und sanft erreicht. Und es kamen allerlei frohe Menschen, die in einem Bergtale schritten. Es mußte ein Fest sein. Es kamen auch Züge von weißen Tieren. Es kamen auch glänzende Engel mit Schalmeien, und mitten inne in einer Schar, die ihm deuchie wie dienende, heilige Frauen, ging lächelnd von einer unbeschreiblichen Güte Frau Hartje wie unter einem Baldachin, und ihre Blicke riefen in die Luft. .. riefen seinen Namen ... nur immer wieder seinen Namen, den alle Lüfte wiedergaben, wie ein Echo . . . und er hörte seinen Namen rufen ... er wollte aufstehen... er konnte sich nicht lösen, weil ihn ein Bann gebunden hielt... es war eine furchtbare Pein. Er konnte sich nicht lösen. Er war gebunden an Händen und Füßen. Gefesselt richtig, daß Blut von Händen und Füßen rann. Er hatte eine Qual, weil er in glühenden Ketten lag, die ihm den Odem aus der Seele preßten ... er mußte sich lösen. Er mußte dem Rufe folgen, der in den hellen Lüften nicht ausklang. Frau Hartje rief ihn. Sie rief ihn mit lockender heimlicher Stimme. Jetzt hatte er Kraft!. . . jetzt begann er zu wachsenl. . . jetzt zerbrach er alle Fesseln und sprang in die Höhe. Und stand wie verstört . . . blickte sich um . . . erkannte das kleine Licht im Raume... der weite Himmel sank krachend zusammen . . . Hieronymus erkannte wieder den engen, schwarzen Raum seiner ärmlichen Stube. Und seine Verwirrung ging unter in heißen, zerreißenden Tränen, die er in die irdische Nacht unaufhörlich weinte. Aber am anderen Morgen kam zufällig auch ein Brief von Frau Hartje Kroen und auch von Herrn Kroen. worin ihm beide Grüße aus dem Sonnen¬ lande sandten, darin sie den Winter zur vollen Genesung leben mußten, und worin es geschrieben stand, daß sie sich auf die Rückkehr in ihr Strandschlößchen sehr freuten oder, wie Frau Hartje stärker sagte, sich nach nichts als wie danach sehnten. Worin noch geschrieben stand, daß sie nichts mehr wünschten, als daß dann der Herr Pfarrer oft ihre Schwelle mit seinem hehren Wesen beglücken möchte. Hieronymus van Doorn erschienen dann bald seine Aufwühlungen und Träume wie ganz fern und fremd. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/197>, abgerufen am 15.05.2024.