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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Landesverteidigung und Flottenuovelle

Mit dem Bau von Unterseebooten haben wir lange gewartet. Als
wir aber auf den Plan traten, hat der Ausbau dieser Waffe in Anlehnung an
das bewährte Muster der Torpedobootsorganisation rasche Fortschritte gemacht.
Man hat uns nichts erzählt von Fahrten und Gefahren, von Taten und
Retorten dieser jungen Waffe. Nur daun und wann drang ein leises Wort
der Anerkennung hinaus in die breite Öffentlichkeit. Wenn daher auch über
die Zahl unserer bereiten Unterseeboote wenig bekannt wurde, so kann man doch
aus allerlei Anzeichen schließen, daß sie in raschem Wachsen begriffen ist.
Immerhin wäre es möglich, daß die wachsende Größe und damit das Anschwellen
der Kosten der einzelnen Boote zahlenmäßige Beschränkungen auferlegt hat, die
zu mildern eine Novelle beitragen könnte.

Eine Flottennovelle wird somit überall Personalverstärkung
fordern müssen und ihre Hauptbedeutung durch die Schaffung eines
dritten aktiven Geschwaders erhalten.

Ein Geschwader besteht bei uns aus acht Linienschiffen. Unter Verwendung
bereits vorhandener Schiffe ließe sich ein drittes Geschwader ohne sehr große
Kosten dadurch schaffen, daß man die durch das Flottengesetz vorgesehenen vier
Schiffe der Materialreserve, die jetzt ohne Besatzung auf den Werften liegen,
bemannt und als fünftes Schiff im Notfalle das Flottenflaggschiff der Reserve¬
flotte hinzutreten läßt. So wäre bereits ein wenn auch zunächst nur aus fünf
Schiffen bestehendes drittes Geschwader geschaffen, ohne daß man die Reserve¬
flotte anschnitte. An der Gesamtzahl der organisatorisch bewährten Zahl von
acht Geschwaderschiffen fehlten dann nur noch drei, die eventuell allmählich durch
Neubauten zu beschaffen sein würden. Wird dieser Weg eingeschlagen, so kämen
wir relativ rasch und billig zu einem dritten Geschwader und damit zu einer
beträchtlichen Erhöhung unserer Bereitschaft.

Ob und wieweit es sich nach Indienststellung des dritten Geschwaders
ermöglichen läßt, bei den beiden gesetzlich vorgesehenen Neservegeschwadern fortab
weniger Schiffe in Dienst zu halten als das Gesetz vorsieht, kann hier nicht
entschieden werden. Das ist eine rein militärische Frage. Bisher sollte die
Hälfte dieser Schiffe mit voller Besatzung in Dienst sein. Immerhin scheint
eine Verminderung dieser Zahl in: Interesse der Kostenersparnis vielleicht
denkbar, wenn auch nicht davon abgesehen werden darf, den Verband als
solchen zu erhalten und wenigstens einige Schiffe als Stammschiffe in Dienst
zu belassen. Nur durch solche Organisation wird sichergestellt, daß die Tradition
erhalten bleibt und daß die Reserveformationen in nicht zu langer Zeit nach
Kriegsausbruch verwendbar sind. Ein Krieg kann lange dauern. Ein Zurück¬
greifen auf Reserven ist nach der Schlacht unvermeidlich, ist militärisch not¬
wendig.

Wenn in unseren! Aufsatz lediglich von den Flotten gesprochen wurde, so
soll dadurch niemand verleitet werden, die Armee zu vernachlässigen. Zeigt ihre
Organisation und Präsenzstärke unter Berücksichtigung der politischen Lage und


Landesverteidigung und Flottenuovelle

Mit dem Bau von Unterseebooten haben wir lange gewartet. Als
wir aber auf den Plan traten, hat der Ausbau dieser Waffe in Anlehnung an
das bewährte Muster der Torpedobootsorganisation rasche Fortschritte gemacht.
Man hat uns nichts erzählt von Fahrten und Gefahren, von Taten und
Retorten dieser jungen Waffe. Nur daun und wann drang ein leises Wort
der Anerkennung hinaus in die breite Öffentlichkeit. Wenn daher auch über
die Zahl unserer bereiten Unterseeboote wenig bekannt wurde, so kann man doch
aus allerlei Anzeichen schließen, daß sie in raschem Wachsen begriffen ist.
Immerhin wäre es möglich, daß die wachsende Größe und damit das Anschwellen
der Kosten der einzelnen Boote zahlenmäßige Beschränkungen auferlegt hat, die
zu mildern eine Novelle beitragen könnte.

Eine Flottennovelle wird somit überall Personalverstärkung
fordern müssen und ihre Hauptbedeutung durch die Schaffung eines
dritten aktiven Geschwaders erhalten.

Ein Geschwader besteht bei uns aus acht Linienschiffen. Unter Verwendung
bereits vorhandener Schiffe ließe sich ein drittes Geschwader ohne sehr große
Kosten dadurch schaffen, daß man die durch das Flottengesetz vorgesehenen vier
Schiffe der Materialreserve, die jetzt ohne Besatzung auf den Werften liegen,
bemannt und als fünftes Schiff im Notfalle das Flottenflaggschiff der Reserve¬
flotte hinzutreten läßt. So wäre bereits ein wenn auch zunächst nur aus fünf
Schiffen bestehendes drittes Geschwader geschaffen, ohne daß man die Reserve¬
flotte anschnitte. An der Gesamtzahl der organisatorisch bewährten Zahl von
acht Geschwaderschiffen fehlten dann nur noch drei, die eventuell allmählich durch
Neubauten zu beschaffen sein würden. Wird dieser Weg eingeschlagen, so kämen
wir relativ rasch und billig zu einem dritten Geschwader und damit zu einer
beträchtlichen Erhöhung unserer Bereitschaft.

Ob und wieweit es sich nach Indienststellung des dritten Geschwaders
ermöglichen läßt, bei den beiden gesetzlich vorgesehenen Neservegeschwadern fortab
weniger Schiffe in Dienst zu halten als das Gesetz vorsieht, kann hier nicht
entschieden werden. Das ist eine rein militärische Frage. Bisher sollte die
Hälfte dieser Schiffe mit voller Besatzung in Dienst sein. Immerhin scheint
eine Verminderung dieser Zahl in: Interesse der Kostenersparnis vielleicht
denkbar, wenn auch nicht davon abgesehen werden darf, den Verband als
solchen zu erhalten und wenigstens einige Schiffe als Stammschiffe in Dienst
zu belassen. Nur durch solche Organisation wird sichergestellt, daß die Tradition
erhalten bleibt und daß die Reserveformationen in nicht zu langer Zeit nach
Kriegsausbruch verwendbar sind. Ein Krieg kann lange dauern. Ein Zurück¬
greifen auf Reserven ist nach der Schlacht unvermeidlich, ist militärisch not¬
wendig.

Wenn in unseren! Aufsatz lediglich von den Flotten gesprochen wurde, so
soll dadurch niemand verleitet werden, die Armee zu vernachlässigen. Zeigt ihre
Organisation und Präsenzstärke unter Berücksichtigung der politischen Lage und


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[0269] Landesverteidigung und Flottenuovelle Mit dem Bau von Unterseebooten haben wir lange gewartet. Als wir aber auf den Plan traten, hat der Ausbau dieser Waffe in Anlehnung an das bewährte Muster der Torpedobootsorganisation rasche Fortschritte gemacht. Man hat uns nichts erzählt von Fahrten und Gefahren, von Taten und Retorten dieser jungen Waffe. Nur daun und wann drang ein leises Wort der Anerkennung hinaus in die breite Öffentlichkeit. Wenn daher auch über die Zahl unserer bereiten Unterseeboote wenig bekannt wurde, so kann man doch aus allerlei Anzeichen schließen, daß sie in raschem Wachsen begriffen ist. Immerhin wäre es möglich, daß die wachsende Größe und damit das Anschwellen der Kosten der einzelnen Boote zahlenmäßige Beschränkungen auferlegt hat, die zu mildern eine Novelle beitragen könnte. Eine Flottennovelle wird somit überall Personalverstärkung fordern müssen und ihre Hauptbedeutung durch die Schaffung eines dritten aktiven Geschwaders erhalten. Ein Geschwader besteht bei uns aus acht Linienschiffen. Unter Verwendung bereits vorhandener Schiffe ließe sich ein drittes Geschwader ohne sehr große Kosten dadurch schaffen, daß man die durch das Flottengesetz vorgesehenen vier Schiffe der Materialreserve, die jetzt ohne Besatzung auf den Werften liegen, bemannt und als fünftes Schiff im Notfalle das Flottenflaggschiff der Reserve¬ flotte hinzutreten läßt. So wäre bereits ein wenn auch zunächst nur aus fünf Schiffen bestehendes drittes Geschwader geschaffen, ohne daß man die Reserve¬ flotte anschnitte. An der Gesamtzahl der organisatorisch bewährten Zahl von acht Geschwaderschiffen fehlten dann nur noch drei, die eventuell allmählich durch Neubauten zu beschaffen sein würden. Wird dieser Weg eingeschlagen, so kämen wir relativ rasch und billig zu einem dritten Geschwader und damit zu einer beträchtlichen Erhöhung unserer Bereitschaft. Ob und wieweit es sich nach Indienststellung des dritten Geschwaders ermöglichen läßt, bei den beiden gesetzlich vorgesehenen Neservegeschwadern fortab weniger Schiffe in Dienst zu halten als das Gesetz vorsieht, kann hier nicht entschieden werden. Das ist eine rein militärische Frage. Bisher sollte die Hälfte dieser Schiffe mit voller Besatzung in Dienst sein. Immerhin scheint eine Verminderung dieser Zahl in: Interesse der Kostenersparnis vielleicht denkbar, wenn auch nicht davon abgesehen werden darf, den Verband als solchen zu erhalten und wenigstens einige Schiffe als Stammschiffe in Dienst zu belassen. Nur durch solche Organisation wird sichergestellt, daß die Tradition erhalten bleibt und daß die Reserveformationen in nicht zu langer Zeit nach Kriegsausbruch verwendbar sind. Ein Krieg kann lange dauern. Ein Zurück¬ greifen auf Reserven ist nach der Schlacht unvermeidlich, ist militärisch not¬ wendig. Wenn in unseren! Aufsatz lediglich von den Flotten gesprochen wurde, so soll dadurch niemand verleitet werden, die Armee zu vernachlässigen. Zeigt ihre Organisation und Präsenzstärke unter Berücksichtigung der politischen Lage und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/269>, abgerufen am 15.05.2024.