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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Das englische Spionagcgesetz

Daß bisher die englische Spionage von Erfolg begleitet gewesen sein muß,
daß englisches Gold auch bei uns die moralisch Schwachen gefunden hat und
weiterhin suchen wird, darüber dürfen wir uns leider keinen Täuschungen mehr
hingeben; und besonders die Bewohner unserer Küsten und die daselbst ihrem
Handwerk oder Gewerbe nachgehenden sowie alle Angehörigen von Armee und
Marine sollten ihrer Harmlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Gefahren
der englischen Spionage Zügel anlegen. Das ist eine wichtige patriotische Pflicht.

Als eine sichere Bestätigung dieser Mutmaßung und gewissermaßen als
Niederschlag der Erfahrungen, welche die Leitung der englischen Spionage aus
dem Kontinent gemacht hat, kann man die Fassung des letzten englischen
Spionagegesetzes (T^e OMLial Lecrets /^Le 1911) ansehen. Es ist in der
Hitze des Marokkosommers ohne Aufhebens im englischen Parlament zustande
gekommen und soll die OMeial Leni-co /^et vom Jahre 1889 ersetzen. Die Un¬
bestimmtheit und Dehnbarkeit des Begriffes "Staatsinteresse" machen dieses Gesetz
geeignet, nicht nur allen Ausländern den Aufenthalt in England zu verleiden,
sondern auch in politisch gespannten Zeiten selbst harmlosen Engländern gefährlich
zu werden.

Der wesentliche Inhalt des OMLial Leeret8 vVet 1911 lautet unter Fort¬
lassung legislatorischen Beiwerks in Übersetzung:

I. Strafe der Spionage.
Wer in einer der Sicherheit oder den Interessen des Staates nachteiligen
Absicht:
1. einen verbotenen Platz betritt, sich ihm nähert oder sich in feiner
Nachbarschaft aufhält, oder
2. eine Skizze, einen Plan, ein Modell oder eine Notiz anfertigt, welche
berechnet, bestimmt oder geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar einem
Feinde zu nützen, oder
3. eine Skizze, einen Plan, ein Modell, einen Artikel oder eine Notiz oder
ein sonstiges Schriftstück oder Nachricht, welche berechnet, bestimmt
oder geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar einem Feinde zu nützen,
erlangt oder einer anderen Person mitteilt,

wird mit Zuchthaus von drei bis sieben Jahren bestraft.

Der Beweis einer staatsgefährdenden Absicht erfordert nicht die Feststellung
irgendeiner dahinzielenden Handlung, sondern es kann diese Absicht aus den
Umständen des Falles, aus dem allgemeinen Verhalten oder der Lebensstellung
des Täters geschlossen werden. Wer im Besitz der unter 2 und 3 angeführten
Dinge betroffen wird, hat zu beweisen, daß sie ihm von dazu nach ihrer
Stellung berechtigten Personen eingehändigt sind und eine Absicht der Schädigung
des Staatsinteresses nicht vorliegt.

II. sträfliche Mitteilung von Nachrichten usw.

Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren mit oder ohne schwere Arbeit oder
Geldstrafe oder beide Strafen hat zu erwarten:


Das englische Spionagcgesetz

Daß bisher die englische Spionage von Erfolg begleitet gewesen sein muß,
daß englisches Gold auch bei uns die moralisch Schwachen gefunden hat und
weiterhin suchen wird, darüber dürfen wir uns leider keinen Täuschungen mehr
hingeben; und besonders die Bewohner unserer Küsten und die daselbst ihrem
Handwerk oder Gewerbe nachgehenden sowie alle Angehörigen von Armee und
Marine sollten ihrer Harmlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Gefahren
der englischen Spionage Zügel anlegen. Das ist eine wichtige patriotische Pflicht.

Als eine sichere Bestätigung dieser Mutmaßung und gewissermaßen als
Niederschlag der Erfahrungen, welche die Leitung der englischen Spionage aus
dem Kontinent gemacht hat, kann man die Fassung des letzten englischen
Spionagegesetzes (T^e OMLial Lecrets /^Le 1911) ansehen. Es ist in der
Hitze des Marokkosommers ohne Aufhebens im englischen Parlament zustande
gekommen und soll die OMeial Leni-co /^et vom Jahre 1889 ersetzen. Die Un¬
bestimmtheit und Dehnbarkeit des Begriffes „Staatsinteresse" machen dieses Gesetz
geeignet, nicht nur allen Ausländern den Aufenthalt in England zu verleiden,
sondern auch in politisch gespannten Zeiten selbst harmlosen Engländern gefährlich
zu werden.

Der wesentliche Inhalt des OMLial Leeret8 vVet 1911 lautet unter Fort¬
lassung legislatorischen Beiwerks in Übersetzung:

I. Strafe der Spionage.
Wer in einer der Sicherheit oder den Interessen des Staates nachteiligen
Absicht:
1. einen verbotenen Platz betritt, sich ihm nähert oder sich in feiner
Nachbarschaft aufhält, oder
2. eine Skizze, einen Plan, ein Modell oder eine Notiz anfertigt, welche
berechnet, bestimmt oder geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar einem
Feinde zu nützen, oder
3. eine Skizze, einen Plan, ein Modell, einen Artikel oder eine Notiz oder
ein sonstiges Schriftstück oder Nachricht, welche berechnet, bestimmt
oder geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar einem Feinde zu nützen,
erlangt oder einer anderen Person mitteilt,

wird mit Zuchthaus von drei bis sieben Jahren bestraft.

Der Beweis einer staatsgefährdenden Absicht erfordert nicht die Feststellung
irgendeiner dahinzielenden Handlung, sondern es kann diese Absicht aus den
Umständen des Falles, aus dem allgemeinen Verhalten oder der Lebensstellung
des Täters geschlossen werden. Wer im Besitz der unter 2 und 3 angeführten
Dinge betroffen wird, hat zu beweisen, daß sie ihm von dazu nach ihrer
Stellung berechtigten Personen eingehändigt sind und eine Absicht der Schädigung
des Staatsinteresses nicht vorliegt.

II. sträfliche Mitteilung von Nachrichten usw.

Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren mit oder ohne schwere Arbeit oder
Geldstrafe oder beide Strafen hat zu erwarten:


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[0623] Das englische Spionagcgesetz Daß bisher die englische Spionage von Erfolg begleitet gewesen sein muß, daß englisches Gold auch bei uns die moralisch Schwachen gefunden hat und weiterhin suchen wird, darüber dürfen wir uns leider keinen Täuschungen mehr hingeben; und besonders die Bewohner unserer Küsten und die daselbst ihrem Handwerk oder Gewerbe nachgehenden sowie alle Angehörigen von Armee und Marine sollten ihrer Harmlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Gefahren der englischen Spionage Zügel anlegen. Das ist eine wichtige patriotische Pflicht. Als eine sichere Bestätigung dieser Mutmaßung und gewissermaßen als Niederschlag der Erfahrungen, welche die Leitung der englischen Spionage aus dem Kontinent gemacht hat, kann man die Fassung des letzten englischen Spionagegesetzes (T^e OMLial Lecrets /^Le 1911) ansehen. Es ist in der Hitze des Marokkosommers ohne Aufhebens im englischen Parlament zustande gekommen und soll die OMeial Leni-co /^et vom Jahre 1889 ersetzen. Die Un¬ bestimmtheit und Dehnbarkeit des Begriffes „Staatsinteresse" machen dieses Gesetz geeignet, nicht nur allen Ausländern den Aufenthalt in England zu verleiden, sondern auch in politisch gespannten Zeiten selbst harmlosen Engländern gefährlich zu werden. Der wesentliche Inhalt des OMLial Leeret8 vVet 1911 lautet unter Fort¬ lassung legislatorischen Beiwerks in Übersetzung: I. Strafe der Spionage. Wer in einer der Sicherheit oder den Interessen des Staates nachteiligen Absicht: 1. einen verbotenen Platz betritt, sich ihm nähert oder sich in feiner Nachbarschaft aufhält, oder 2. eine Skizze, einen Plan, ein Modell oder eine Notiz anfertigt, welche berechnet, bestimmt oder geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar einem Feinde zu nützen, oder 3. eine Skizze, einen Plan, ein Modell, einen Artikel oder eine Notiz oder ein sonstiges Schriftstück oder Nachricht, welche berechnet, bestimmt oder geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar einem Feinde zu nützen, erlangt oder einer anderen Person mitteilt, wird mit Zuchthaus von drei bis sieben Jahren bestraft. Der Beweis einer staatsgefährdenden Absicht erfordert nicht die Feststellung irgendeiner dahinzielenden Handlung, sondern es kann diese Absicht aus den Umständen des Falles, aus dem allgemeinen Verhalten oder der Lebensstellung des Täters geschlossen werden. Wer im Besitz der unter 2 und 3 angeführten Dinge betroffen wird, hat zu beweisen, daß sie ihm von dazu nach ihrer Stellung berechtigten Personen eingehändigt sind und eine Absicht der Schädigung des Staatsinteresses nicht vorliegt. II. sträfliche Mitteilung von Nachrichten usw. Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren mit oder ohne schwere Arbeit oder Geldstrafe oder beide Strafen hat zu erwarten:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/623>, abgerufen am 15.05.2024.