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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die Ansiedlungskommission und die Lnteignung

wieder anlauft, kann nur der Versuch lehren. Diejenigen Polen, welche frei¬
händig verlauft hatten, haben sich sehr selten wieder in Preußen angekauft.
Ein wider Willen des Grundbesitzes entsetzter Mensch wird es häufiger tun.
Bei Ausländern, die in Preußen Grundbesitz haben, ist dies weniger zu befürchten.

Bei der Enteignung durch die Ansiedlungskommission kann der Enteignete
verlangen (Art. I H 18 des Gesetzes vom 20. März 1908), daß sein ganzer im
Zusammenhang gelegener Grundbesitz übernommen wird. Geben jetzt die Polen
die Losung aus, jeden zu boycottieren, der auf die bloße Androhung der Ent¬
eignung verkauft, damit formelle Enteignungsbeschlüsse und die Erschöpfung des
Höchstmaßes (70000 Im) enteigenbarer Fläche erzielt werden, so werden sie
ebenfalls die Enteignung des ganzen Grundbesitzes verlangen, nicht aber der
Kommission den besten und geeigneten Teil überlassen. Es empfiehlt sich daher
der Wegfall der Beschränkung auf 70000 Im, wenn es zur Ausführung der
Enteignung kommen sollte.

Zu der im Gesetze vom 20. März 1908 vorgesehenen Befestigung des
deutschen Besitzes durch Umwandlung in Rentengüter hat die Ansiedlungs-
kommisston für die Provinz Posen die deutsche Mittelstandskasse in Posen, sür
Westpreußen die deutsche Bauembank in Danzig gegründet. Beide haben bisher
zusammen nur 118546 Im befestigt und dafür fast 48 Mill. Mark ausgegeben.
Es ist zu hoffen, daß die Besitzbefestigung größere Fortschritte macht und die
deutschen Genossenschaften, deren Vermittlung bei der Regulierung der kleineren
Bauernstelleu angegangen wird, sich stärker daran beteiligen. Teilweise haben
sie leider die Mitwirkung abgelehnt. In den letzten Jahren sind gerade in
dem mir genau bekannten Südposen mehrere Herren, welche Familienfidei-
kommisse gebildet hatten, geadelt worden. Es scheint mir so, als ob man
dadurch zur Bildung von Fideikommissen, also zur Befestigung des deutschen
Großgrundbesitzes, mit Erfolg anregt. Je weiter die Besitzbefestigung fortschreitet,
desto geringer find die praktischen Bedenken gegen eine Enteignung.

Schon oben hatte ich erwähnt, daß die 75 Mill. Mark nicht nur zur
Besitzbefestigung der bäuerlichen Güter, sondern auch zugleich zur Förderung der
Scfzhastinachung von. Arbeitern auf dem Lande zu verwenden sind. Ferner ist
der Ansiedlungskommission die Aufgabe geworden, die Ansiedlung vou selb¬
ständigen deutschen Arbeitern auf größeren Rentengütern (dz 7a) -- die Bezug¬
nahme auf ß 7g, bedeutet, daß es sich um die von der Kommission gebildeten
großen, gegen volle Schadloshaltung veräußerten Nenteugüter des Fünfzig-
millionenfonds handelt -- und auf anderen größeren Gütern durch Prämien
zu fördern. Das Verhältnis dieser beiden Vorschriften ist nicht ganz klar. Ich
verstehe es dahin: Prämien (also Geschenke) können nur bei Ansiedlung von
Arbeitern auf großen Gütern gegeben werden, sonstige Arbeiteransiedlnng kann
nur bei angemessener Schadloshaltung des Staats gefördert werden. Im
letzteren Falle kann die Ansiedlungskommission zwar die Rente übernehmen und
zur Ansiedlung verzinsliche Darlehen geben, aber keine Prämien. Dies scheint


Die Ansiedlungskommission und die Lnteignung

wieder anlauft, kann nur der Versuch lehren. Diejenigen Polen, welche frei¬
händig verlauft hatten, haben sich sehr selten wieder in Preußen angekauft.
Ein wider Willen des Grundbesitzes entsetzter Mensch wird es häufiger tun.
Bei Ausländern, die in Preußen Grundbesitz haben, ist dies weniger zu befürchten.

Bei der Enteignung durch die Ansiedlungskommission kann der Enteignete
verlangen (Art. I H 18 des Gesetzes vom 20. März 1908), daß sein ganzer im
Zusammenhang gelegener Grundbesitz übernommen wird. Geben jetzt die Polen
die Losung aus, jeden zu boycottieren, der auf die bloße Androhung der Ent¬
eignung verkauft, damit formelle Enteignungsbeschlüsse und die Erschöpfung des
Höchstmaßes (70000 Im) enteigenbarer Fläche erzielt werden, so werden sie
ebenfalls die Enteignung des ganzen Grundbesitzes verlangen, nicht aber der
Kommission den besten und geeigneten Teil überlassen. Es empfiehlt sich daher
der Wegfall der Beschränkung auf 70000 Im, wenn es zur Ausführung der
Enteignung kommen sollte.

Zu der im Gesetze vom 20. März 1908 vorgesehenen Befestigung des
deutschen Besitzes durch Umwandlung in Rentengüter hat die Ansiedlungs-
kommisston für die Provinz Posen die deutsche Mittelstandskasse in Posen, sür
Westpreußen die deutsche Bauembank in Danzig gegründet. Beide haben bisher
zusammen nur 118546 Im befestigt und dafür fast 48 Mill. Mark ausgegeben.
Es ist zu hoffen, daß die Besitzbefestigung größere Fortschritte macht und die
deutschen Genossenschaften, deren Vermittlung bei der Regulierung der kleineren
Bauernstelleu angegangen wird, sich stärker daran beteiligen. Teilweise haben
sie leider die Mitwirkung abgelehnt. In den letzten Jahren sind gerade in
dem mir genau bekannten Südposen mehrere Herren, welche Familienfidei-
kommisse gebildet hatten, geadelt worden. Es scheint mir so, als ob man
dadurch zur Bildung von Fideikommissen, also zur Befestigung des deutschen
Großgrundbesitzes, mit Erfolg anregt. Je weiter die Besitzbefestigung fortschreitet,
desto geringer find die praktischen Bedenken gegen eine Enteignung.

Schon oben hatte ich erwähnt, daß die 75 Mill. Mark nicht nur zur
Besitzbefestigung der bäuerlichen Güter, sondern auch zugleich zur Förderung der
Scfzhastinachung von. Arbeitern auf dem Lande zu verwenden sind. Ferner ist
der Ansiedlungskommission die Aufgabe geworden, die Ansiedlung vou selb¬
ständigen deutschen Arbeitern auf größeren Rentengütern (dz 7a) — die Bezug¬
nahme auf ß 7g, bedeutet, daß es sich um die von der Kommission gebildeten
großen, gegen volle Schadloshaltung veräußerten Nenteugüter des Fünfzig-
millionenfonds handelt — und auf anderen größeren Gütern durch Prämien
zu fördern. Das Verhältnis dieser beiden Vorschriften ist nicht ganz klar. Ich
verstehe es dahin: Prämien (also Geschenke) können nur bei Ansiedlung von
Arbeitern auf großen Gütern gegeben werden, sonstige Arbeiteransiedlnng kann
nur bei angemessener Schadloshaltung des Staats gefördert werden. Im
letzteren Falle kann die Ansiedlungskommission zwar die Rente übernehmen und
zur Ansiedlung verzinsliche Darlehen geben, aber keine Prämien. Dies scheint


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[0066] Die Ansiedlungskommission und die Lnteignung wieder anlauft, kann nur der Versuch lehren. Diejenigen Polen, welche frei¬ händig verlauft hatten, haben sich sehr selten wieder in Preußen angekauft. Ein wider Willen des Grundbesitzes entsetzter Mensch wird es häufiger tun. Bei Ausländern, die in Preußen Grundbesitz haben, ist dies weniger zu befürchten. Bei der Enteignung durch die Ansiedlungskommission kann der Enteignete verlangen (Art. I H 18 des Gesetzes vom 20. März 1908), daß sein ganzer im Zusammenhang gelegener Grundbesitz übernommen wird. Geben jetzt die Polen die Losung aus, jeden zu boycottieren, der auf die bloße Androhung der Ent¬ eignung verkauft, damit formelle Enteignungsbeschlüsse und die Erschöpfung des Höchstmaßes (70000 Im) enteigenbarer Fläche erzielt werden, so werden sie ebenfalls die Enteignung des ganzen Grundbesitzes verlangen, nicht aber der Kommission den besten und geeigneten Teil überlassen. Es empfiehlt sich daher der Wegfall der Beschränkung auf 70000 Im, wenn es zur Ausführung der Enteignung kommen sollte. Zu der im Gesetze vom 20. März 1908 vorgesehenen Befestigung des deutschen Besitzes durch Umwandlung in Rentengüter hat die Ansiedlungs- kommisston für die Provinz Posen die deutsche Mittelstandskasse in Posen, sür Westpreußen die deutsche Bauembank in Danzig gegründet. Beide haben bisher zusammen nur 118546 Im befestigt und dafür fast 48 Mill. Mark ausgegeben. Es ist zu hoffen, daß die Besitzbefestigung größere Fortschritte macht und die deutschen Genossenschaften, deren Vermittlung bei der Regulierung der kleineren Bauernstelleu angegangen wird, sich stärker daran beteiligen. Teilweise haben sie leider die Mitwirkung abgelehnt. In den letzten Jahren sind gerade in dem mir genau bekannten Südposen mehrere Herren, welche Familienfidei- kommisse gebildet hatten, geadelt worden. Es scheint mir so, als ob man dadurch zur Bildung von Fideikommissen, also zur Befestigung des deutschen Großgrundbesitzes, mit Erfolg anregt. Je weiter die Besitzbefestigung fortschreitet, desto geringer find die praktischen Bedenken gegen eine Enteignung. Schon oben hatte ich erwähnt, daß die 75 Mill. Mark nicht nur zur Besitzbefestigung der bäuerlichen Güter, sondern auch zugleich zur Förderung der Scfzhastinachung von. Arbeitern auf dem Lande zu verwenden sind. Ferner ist der Ansiedlungskommission die Aufgabe geworden, die Ansiedlung vou selb¬ ständigen deutschen Arbeitern auf größeren Rentengütern (dz 7a) — die Bezug¬ nahme auf ß 7g, bedeutet, daß es sich um die von der Kommission gebildeten großen, gegen volle Schadloshaltung veräußerten Nenteugüter des Fünfzig- millionenfonds handelt — und auf anderen größeren Gütern durch Prämien zu fördern. Das Verhältnis dieser beiden Vorschriften ist nicht ganz klar. Ich verstehe es dahin: Prämien (also Geschenke) können nur bei Ansiedlung von Arbeitern auf großen Gütern gegeben werden, sonstige Arbeiteransiedlnng kann nur bei angemessener Schadloshaltung des Staats gefördert werden. Im letzteren Falle kann die Ansiedlungskommission zwar die Rente übernehmen und zur Ansiedlung verzinsliche Darlehen geben, aber keine Prämien. Dies scheint

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/66>, abgerufen am 15.05.2024.