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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die Ansiedlungskonunission u"d die Enteignung

Je höher die Grundstückspreise steigen, desto früher müssen die polnischen
Landgesellschaften, die meist mit sehr geringem eigenen Kapital und hohen fremden
Krediten arbeiten und deshalb die Verzinsung nicht herabsetzen können, den
Wettbewerb mit der Ansiedlungskonunission aufgeben. Sie sind zum Teil so
schwach an eigenen Mitteln, daß sie eine erhebliche verkehrte Spekulation, ein
Überlaufen zugrunde richten muß, wie es eiuer polnischen Läutgesellschaft vor
wenigen Jahren erging. Sie verlor an einem Gute, das ihr die Ansiedlungs¬
kommission in der Zwangsversteigerung abnahm, über 100000 Mark und machte
bankerott. Durch die hohen Dividenden der polnischen Gesellschaften darf man
sich nicht täuschen lassen. Die Geschäftsguthabeu der Genossen sind meist so
gering, daß schon ein kleiner Reingewinn eine hohe Dividende bedingt.

Eine Herabsetzung der jährlichen Zahl der Ansiedler würde das Deutschtum
in beiden Provinzen erheblich gefährden. Von den 18127 Ansiedlern mit
Familien sind in den ersten fünfzehn Jahren des Bestehens der Ansiedlungs¬
kommission, also bis 1900 einschließlich nur 4286, im Jahresdurchschnitt noch
nicht 300 angesetzt. Die Bedeutung der staatlichen Ansiedlung war damals für
den Kampf ums Deutschtum der Ostmarken gering.

Die Volkszähluugeu vom Dezember 1890 bis 1900 berücksichtigten die
Muttersprache der Einwohner des Deutschen Reichs.

Man zählte:
Deutsch und Polnisch Polen einhebt.
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II. In Posen
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Die Deutschenhaben sowohl inPosen alsauch inWestpreußeii etwas
zugenommen, aber die Zunahme der Polen ist so viel größer, daß das Deutschtum
verhältnismäßig, nämlich in Westpreußen um fast 4^, in Posen sogar um
rund 14^ vom Tausend der Provinzialbevölkeruug zurückgegangen ist. Das
geschah in der Zeit der schwachen Besiedlung,

Im Jahre 1902 beginnt die vermehrte Stellenbegebung! von 1901 bis 1905
wurden 6103 Stellen besetzt. In derselben Zeit versetzten die Eisenbahn- und


Die Ansiedlungskonunission u»d die Enteignung

Je höher die Grundstückspreise steigen, desto früher müssen die polnischen
Landgesellschaften, die meist mit sehr geringem eigenen Kapital und hohen fremden
Krediten arbeiten und deshalb die Verzinsung nicht herabsetzen können, den
Wettbewerb mit der Ansiedlungskonunission aufgeben. Sie sind zum Teil so
schwach an eigenen Mitteln, daß sie eine erhebliche verkehrte Spekulation, ein
Überlaufen zugrunde richten muß, wie es eiuer polnischen Läutgesellschaft vor
wenigen Jahren erging. Sie verlor an einem Gute, das ihr die Ansiedlungs¬
kommission in der Zwangsversteigerung abnahm, über 100000 Mark und machte
bankerott. Durch die hohen Dividenden der polnischen Gesellschaften darf man
sich nicht täuschen lassen. Die Geschäftsguthabeu der Genossen sind meist so
gering, daß schon ein kleiner Reingewinn eine hohe Dividende bedingt.

Eine Herabsetzung der jährlichen Zahl der Ansiedler würde das Deutschtum
in beiden Provinzen erheblich gefährden. Von den 18127 Ansiedlern mit
Familien sind in den ersten fünfzehn Jahren des Bestehens der Ansiedlungs¬
kommission, also bis 1900 einschließlich nur 4286, im Jahresdurchschnitt noch
nicht 300 angesetzt. Die Bedeutung der staatlichen Ansiedlung war damals für
den Kampf ums Deutschtum der Ostmarken gering.

Die Volkszähluugeu vom Dezember 1890 bis 1900 berücksichtigten die
Muttersprache der Einwohner des Deutschen Reichs.

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Die Deutschenhaben sowohl inPosen alsauch inWestpreußeii etwas
zugenommen, aber die Zunahme der Polen ist so viel größer, daß das Deutschtum
verhältnismäßig, nämlich in Westpreußen um fast 4^, in Posen sogar um
rund 14^ vom Tausend der Provinzialbevölkeruug zurückgegangen ist. Das
geschah in der Zeit der schwachen Besiedlung,

Im Jahre 1902 beginnt die vermehrte Stellenbegebung! von 1901 bis 1905
wurden 6103 Stellen besetzt. In derselben Zeit versetzten die Eisenbahn- und


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[0068] Die Ansiedlungskonunission u»d die Enteignung Je höher die Grundstückspreise steigen, desto früher müssen die polnischen Landgesellschaften, die meist mit sehr geringem eigenen Kapital und hohen fremden Krediten arbeiten und deshalb die Verzinsung nicht herabsetzen können, den Wettbewerb mit der Ansiedlungskonunission aufgeben. Sie sind zum Teil so schwach an eigenen Mitteln, daß sie eine erhebliche verkehrte Spekulation, ein Überlaufen zugrunde richten muß, wie es eiuer polnischen Läutgesellschaft vor wenigen Jahren erging. Sie verlor an einem Gute, das ihr die Ansiedlungs¬ kommission in der Zwangsversteigerung abnahm, über 100000 Mark und machte bankerott. Durch die hohen Dividenden der polnischen Gesellschaften darf man sich nicht täuschen lassen. Die Geschäftsguthabeu der Genossen sind meist so gering, daß schon ein kleiner Reingewinn eine hohe Dividende bedingt. Eine Herabsetzung der jährlichen Zahl der Ansiedler würde das Deutschtum in beiden Provinzen erheblich gefährden. Von den 18127 Ansiedlern mit Familien sind in den ersten fünfzehn Jahren des Bestehens der Ansiedlungs¬ kommission, also bis 1900 einschließlich nur 4286, im Jahresdurchschnitt noch nicht 300 angesetzt. Die Bedeutung der staatlichen Ansiedlung war damals für den Kampf ums Deutschtum der Ostmarken gering. Die Volkszähluugeu vom Dezember 1890 bis 1900 berücksichtigten die Muttersprache der Einwohner des Deutschen Reichs. Man zählte: Deutsch und Polnisch Polen einhebt. ^'"Iche: Sprechende: Kassubeiu I. In Westpreußen 1890 , . .029 980 oder17 286oder483 731oder 648,7°/.,»12,1°/.»337,4°/°-, 1900 . . .1 007 400 oder16 130oder537 273oder 644,3°/,«10,3»/,,343,6°/«. Zu- oder Abnahme-j- 77 420 oder— 11osoder-s- 53 542oder - 4,4°/«- i M°u^ 6.2°/„„ II. In Posen 1890 . . .692 172 oder10 004oder1 047 409oder 395,2»/,.»3 7°<693,0°/», 1900 . . .718 421 oder10 556oder1 1ö6 866oder 380,7°/,,6,6°/.,,61 3 0».' v^,^ Zu- oder Abnahme-s- 26 249 oder> 522oder-s- 109 457oder - 14,5°/.«0,1°°o"i- 15,7°, °» Die Deutschenhaben sowohl inPosen alsauch inWestpreußeii etwas zugenommen, aber die Zunahme der Polen ist so viel größer, daß das Deutschtum verhältnismäßig, nämlich in Westpreußen um fast 4^, in Posen sogar um rund 14^ vom Tausend der Provinzialbevölkeruug zurückgegangen ist. Das geschah in der Zeit der schwachen Besiedlung, Im Jahre 1902 beginnt die vermehrte Stellenbegebung! von 1901 bis 1905 wurden 6103 Stellen besetzt. In derselben Zeit versetzten die Eisenbahn- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/68>, abgerufen am 15.05.2024.