Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsspiegel

den letzten Augenblick zu verschieben. Daher hatte sich der Steuerpflichtige Noten¬
umlauf der Reichsbank Ende März nur auf etwa 150 Millionen gestellt
und nicht den Umfang der vorjährigen Inanspruchnahme erreicht. Nach der
ersten Woche aber ergab sich die eigentümliche, bisher wohl noch niemals ver¬
zeichnete Tatsache, daß der Steuerpflichtige Notenumlauf um reichlich vierzig
Millionen zugenommen hatte! Der Rückfluß war hinter der Verminderung des
steuerfreien Kontingents zurückgeblieben. So präsentiert sich der Status, gemessen
am steuerpflichtigen Notenumlauf, schlechter als der vorangegangene, der doch
ein Bild der Quartalsanspannung bot. Es ist dies natürlich lediglich eine
Folge der Erhöhung des steuerfreien Kontingents an den Quartalstermmen.
einer Neuerung der letzten Bankgesetznovelle, deren recht zweifelhafter Wert durch
dieses Ergebnis in deutliches Licht gerückt wird. Diese Erhöhung des Kontingents
von 500 auf 750 Millionen ist, genau betrachtet, nur eine Maske. Sie dient
nur dem Zwecke, den steuerpflichtigen Umlauf geringer erscheinen zu lassen, als
er normaler Weise sein würde. Der Status der Bank an den kritischen Ter¬
minen wird künstlich verschönt -- denn die Öffentlichkeit beurteilt denselben
kurzweg nach der Höhe des steuerpflichtigen Umlaufs. Das ist natürlich an sich
nicht richtig, denn die Festsetzung des Kontingents ist eine willkürliche. Aber
man hat sie doch getroffen und trotz aller Einwürfe festgehalten, um der Außen¬
welt eine leichtfaßliche Handhabe zur Beurteilung des Status zu geben. Dieser
Absicht wirkt die plötzliche Steigerung des Kontingents für einen Ausweistag
direkt entgegen -- sie verschiebt die Vergleichsziffern völlig und ist geeignet, die
Öffentlichkeit irre zu führen. Die Kehrseite zeigt sich nunmehr in dem vor"
liegenden Ausweis. Erscheint der vorangegangene besser als er ist, so ist dieser
besser als er scheint.

Immerhin, der Geldmarkt spiegelt deutlich diestarkenKapitalsinvestitionen
wieder, die bis in die jüngste Zeit hinein stattgefunden haben. Für die
Höhe derselben liegen jetzt auch statistische Nachweise vor. Im ersten Quartal
des laufenden Jahres sind die Neugründungen und Kapitalserhöhungen bei den
Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus den normalen
Betrag von 430 Millionen Mark angewachsen. Das sind über 100 Millionen
mehr als im Vorjahre und etwa 33 Millionen mehr als im Hochkonjnnktur-
jahre 1907. Dabei ist wohl zu beachten, daß diese Ziffer sich nur auf das
Gesellschaftskapital bezieht und die sehr beträchtlichen Summen, die im
Wege der Obligationsanleihen für industrielle Zwecke aufgebracht worden
sind, nicht mit enthält. Der Kapitalbedarf der Aktiengesellschaften war mithin
ein außerordentlich hoher. Der Löwenanteil fällt auf die Banken, die Metall-
nnd Maschinen- sowie die Elektrizitätsindustrie. Es kann somit kaum mehr
ein Zweifel darüber herrschen, daß die allgemeinen Verhältnisse denen der letzten
Hochkonjunkturperiode immer ähnlicher werden. Nur insofern besteht ein offen¬
sichtlicher Unterschied, als damals Amerika die Führung hatte, während augen¬
blicklich die wirtschaftliche Entwicklung in den Vereinigten Staaten sich mit der


Reichsspiegel

den letzten Augenblick zu verschieben. Daher hatte sich der Steuerpflichtige Noten¬
umlauf der Reichsbank Ende März nur auf etwa 150 Millionen gestellt
und nicht den Umfang der vorjährigen Inanspruchnahme erreicht. Nach der
ersten Woche aber ergab sich die eigentümliche, bisher wohl noch niemals ver¬
zeichnete Tatsache, daß der Steuerpflichtige Notenumlauf um reichlich vierzig
Millionen zugenommen hatte! Der Rückfluß war hinter der Verminderung des
steuerfreien Kontingents zurückgeblieben. So präsentiert sich der Status, gemessen
am steuerpflichtigen Notenumlauf, schlechter als der vorangegangene, der doch
ein Bild der Quartalsanspannung bot. Es ist dies natürlich lediglich eine
Folge der Erhöhung des steuerfreien Kontingents an den Quartalstermmen.
einer Neuerung der letzten Bankgesetznovelle, deren recht zweifelhafter Wert durch
dieses Ergebnis in deutliches Licht gerückt wird. Diese Erhöhung des Kontingents
von 500 auf 750 Millionen ist, genau betrachtet, nur eine Maske. Sie dient
nur dem Zwecke, den steuerpflichtigen Umlauf geringer erscheinen zu lassen, als
er normaler Weise sein würde. Der Status der Bank an den kritischen Ter¬
minen wird künstlich verschönt — denn die Öffentlichkeit beurteilt denselben
kurzweg nach der Höhe des steuerpflichtigen Umlaufs. Das ist natürlich an sich
nicht richtig, denn die Festsetzung des Kontingents ist eine willkürliche. Aber
man hat sie doch getroffen und trotz aller Einwürfe festgehalten, um der Außen¬
welt eine leichtfaßliche Handhabe zur Beurteilung des Status zu geben. Dieser
Absicht wirkt die plötzliche Steigerung des Kontingents für einen Ausweistag
direkt entgegen — sie verschiebt die Vergleichsziffern völlig und ist geeignet, die
Öffentlichkeit irre zu führen. Die Kehrseite zeigt sich nunmehr in dem vor»
liegenden Ausweis. Erscheint der vorangegangene besser als er ist, so ist dieser
besser als er scheint.

Immerhin, der Geldmarkt spiegelt deutlich diestarkenKapitalsinvestitionen
wieder, die bis in die jüngste Zeit hinein stattgefunden haben. Für die
Höhe derselben liegen jetzt auch statistische Nachweise vor. Im ersten Quartal
des laufenden Jahres sind die Neugründungen und Kapitalserhöhungen bei den
Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus den normalen
Betrag von 430 Millionen Mark angewachsen. Das sind über 100 Millionen
mehr als im Vorjahre und etwa 33 Millionen mehr als im Hochkonjnnktur-
jahre 1907. Dabei ist wohl zu beachten, daß diese Ziffer sich nur auf das
Gesellschaftskapital bezieht und die sehr beträchtlichen Summen, die im
Wege der Obligationsanleihen für industrielle Zwecke aufgebracht worden
sind, nicht mit enthält. Der Kapitalbedarf der Aktiengesellschaften war mithin
ein außerordentlich hoher. Der Löwenanteil fällt auf die Banken, die Metall-
nnd Maschinen- sowie die Elektrizitätsindustrie. Es kann somit kaum mehr
ein Zweifel darüber herrschen, daß die allgemeinen Verhältnisse denen der letzten
Hochkonjunkturperiode immer ähnlicher werden. Nur insofern besteht ein offen¬
sichtlicher Unterschied, als damals Amerika die Führung hatte, während augen¬
blicklich die wirtschaftliche Entwicklung in den Vereinigten Staaten sich mit der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321245"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_645" prev="#ID_644"> den letzten Augenblick zu verschieben. Daher hatte sich der Steuerpflichtige Noten¬<lb/>
umlauf der Reichsbank Ende März nur auf etwa 150 Millionen gestellt<lb/>
und nicht den Umfang der vorjährigen Inanspruchnahme erreicht. Nach der<lb/>
ersten Woche aber ergab sich die eigentümliche, bisher wohl noch niemals ver¬<lb/>
zeichnete Tatsache, daß der Steuerpflichtige Notenumlauf um reichlich vierzig<lb/>
Millionen zugenommen hatte! Der Rückfluß war hinter der Verminderung des<lb/>
steuerfreien Kontingents zurückgeblieben. So präsentiert sich der Status, gemessen<lb/>
am steuerpflichtigen Notenumlauf, schlechter als der vorangegangene, der doch<lb/>
ein Bild der Quartalsanspannung bot. Es ist dies natürlich lediglich eine<lb/>
Folge der Erhöhung des steuerfreien Kontingents an den Quartalstermmen.<lb/>
einer Neuerung der letzten Bankgesetznovelle, deren recht zweifelhafter Wert durch<lb/>
dieses Ergebnis in deutliches Licht gerückt wird. Diese Erhöhung des Kontingents<lb/>
von 500 auf 750 Millionen ist, genau betrachtet, nur eine Maske. Sie dient<lb/>
nur dem Zwecke, den steuerpflichtigen Umlauf geringer erscheinen zu lassen, als<lb/>
er normaler Weise sein würde. Der Status der Bank an den kritischen Ter¬<lb/>
minen wird künstlich verschönt &#x2014; denn die Öffentlichkeit beurteilt denselben<lb/>
kurzweg nach der Höhe des steuerpflichtigen Umlaufs. Das ist natürlich an sich<lb/>
nicht richtig, denn die Festsetzung des Kontingents ist eine willkürliche. Aber<lb/>
man hat sie doch getroffen und trotz aller Einwürfe festgehalten, um der Außen¬<lb/>
welt eine leichtfaßliche Handhabe zur Beurteilung des Status zu geben. Dieser<lb/>
Absicht wirkt die plötzliche Steigerung des Kontingents für einen Ausweistag<lb/>
direkt entgegen &#x2014; sie verschiebt die Vergleichsziffern völlig und ist geeignet, die<lb/>
Öffentlichkeit irre zu führen. Die Kehrseite zeigt sich nunmehr in dem vor»<lb/>
liegenden Ausweis. Erscheint der vorangegangene besser als er ist, so ist dieser<lb/>
besser als er scheint.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_646" next="#ID_647"> Immerhin, der Geldmarkt spiegelt deutlich diestarkenKapitalsinvestitionen<lb/>
wieder, die bis in die jüngste Zeit hinein stattgefunden haben. Für die<lb/>
Höhe derselben liegen jetzt auch statistische Nachweise vor. Im ersten Quartal<lb/>
des laufenden Jahres sind die Neugründungen und Kapitalserhöhungen bei den<lb/>
Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus den normalen<lb/>
Betrag von 430 Millionen Mark angewachsen. Das sind über 100 Millionen<lb/>
mehr als im Vorjahre und etwa 33 Millionen mehr als im Hochkonjnnktur-<lb/>
jahre 1907. Dabei ist wohl zu beachten, daß diese Ziffer sich nur auf das<lb/>
Gesellschaftskapital bezieht und die sehr beträchtlichen Summen, die im<lb/>
Wege der Obligationsanleihen für industrielle Zwecke aufgebracht worden<lb/>
sind, nicht mit enthält. Der Kapitalbedarf der Aktiengesellschaften war mithin<lb/>
ein außerordentlich hoher. Der Löwenanteil fällt auf die Banken, die Metall-<lb/>
nnd Maschinen- sowie die Elektrizitätsindustrie. Es kann somit kaum mehr<lb/>
ein Zweifel darüber herrschen, daß die allgemeinen Verhältnisse denen der letzten<lb/>
Hochkonjunkturperiode immer ähnlicher werden. Nur insofern besteht ein offen¬<lb/>
sichtlicher Unterschied, als damals Amerika die Führung hatte, während augen¬<lb/>
blicklich die wirtschaftliche Entwicklung in den Vereinigten Staaten sich mit der</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0162] Reichsspiegel den letzten Augenblick zu verschieben. Daher hatte sich der Steuerpflichtige Noten¬ umlauf der Reichsbank Ende März nur auf etwa 150 Millionen gestellt und nicht den Umfang der vorjährigen Inanspruchnahme erreicht. Nach der ersten Woche aber ergab sich die eigentümliche, bisher wohl noch niemals ver¬ zeichnete Tatsache, daß der Steuerpflichtige Notenumlauf um reichlich vierzig Millionen zugenommen hatte! Der Rückfluß war hinter der Verminderung des steuerfreien Kontingents zurückgeblieben. So präsentiert sich der Status, gemessen am steuerpflichtigen Notenumlauf, schlechter als der vorangegangene, der doch ein Bild der Quartalsanspannung bot. Es ist dies natürlich lediglich eine Folge der Erhöhung des steuerfreien Kontingents an den Quartalstermmen. einer Neuerung der letzten Bankgesetznovelle, deren recht zweifelhafter Wert durch dieses Ergebnis in deutliches Licht gerückt wird. Diese Erhöhung des Kontingents von 500 auf 750 Millionen ist, genau betrachtet, nur eine Maske. Sie dient nur dem Zwecke, den steuerpflichtigen Umlauf geringer erscheinen zu lassen, als er normaler Weise sein würde. Der Status der Bank an den kritischen Ter¬ minen wird künstlich verschönt — denn die Öffentlichkeit beurteilt denselben kurzweg nach der Höhe des steuerpflichtigen Umlaufs. Das ist natürlich an sich nicht richtig, denn die Festsetzung des Kontingents ist eine willkürliche. Aber man hat sie doch getroffen und trotz aller Einwürfe festgehalten, um der Außen¬ welt eine leichtfaßliche Handhabe zur Beurteilung des Status zu geben. Dieser Absicht wirkt die plötzliche Steigerung des Kontingents für einen Ausweistag direkt entgegen — sie verschiebt die Vergleichsziffern völlig und ist geeignet, die Öffentlichkeit irre zu führen. Die Kehrseite zeigt sich nunmehr in dem vor» liegenden Ausweis. Erscheint der vorangegangene besser als er ist, so ist dieser besser als er scheint. Immerhin, der Geldmarkt spiegelt deutlich diestarkenKapitalsinvestitionen wieder, die bis in die jüngste Zeit hinein stattgefunden haben. Für die Höhe derselben liegen jetzt auch statistische Nachweise vor. Im ersten Quartal des laufenden Jahres sind die Neugründungen und Kapitalserhöhungen bei den Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus den normalen Betrag von 430 Millionen Mark angewachsen. Das sind über 100 Millionen mehr als im Vorjahre und etwa 33 Millionen mehr als im Hochkonjnnktur- jahre 1907. Dabei ist wohl zu beachten, daß diese Ziffer sich nur auf das Gesellschaftskapital bezieht und die sehr beträchtlichen Summen, die im Wege der Obligationsanleihen für industrielle Zwecke aufgebracht worden sind, nicht mit enthält. Der Kapitalbedarf der Aktiengesellschaften war mithin ein außerordentlich hoher. Der Löwenanteil fällt auf die Banken, die Metall- nnd Maschinen- sowie die Elektrizitätsindustrie. Es kann somit kaum mehr ein Zweifel darüber herrschen, daß die allgemeinen Verhältnisse denen der letzten Hochkonjunkturperiode immer ähnlicher werden. Nur insofern besteht ein offen¬ sichtlicher Unterschied, als damals Amerika die Führung hatte, während augen¬ blicklich die wirtschaftliche Entwicklung in den Vereinigten Staaten sich mit der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/162
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/162>, abgerufen am 09.06.2024.