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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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mündung liegenden Guanoinseln. Die Wal¬
fischbai und das Land im Umkreis von fünf¬
zehn englischen Meilen um die durch Kapitän
Sullivcm gehißte englische Flagge wurde am
12, Mürz 1878 zu britischein Besitz erklärt.
Von einer weiteren Ausdehnung seines süd¬
afrikanischen Kolonialbesitzes über den Oranje
hinaus und von einer Vergrößerung des
Gebietes von Walfischbai wollte England
auch in der Folgezeit nichts wissen und ver¬
ständigte deshalb die Kapregierung davon,
daß es solchen Plänen seine Unterstützung
versagen werde. Damit hatte sich England
jeder Verpflichtung entledigt, den deutschen
Händlern und Missionaren, die sich über
Walfischbai hinaus ins Innere des Landes
begeben hatten, Schutz vor den Eingeborenen
zu gewähren. Die Kapregierung hatte in¬
folge davon ein solches unmittelbar an sie
gerichtetes Ersuchen im Jahre 1881 aus¬
drücklich abgelehnt. Bei dieser Haltung Eng¬
lands konnten dem Erwerb der noch nicht in
Besitz genommenen Gebiete durch das Deutsche
Reich ernstere Schwierigkeiten nicht mehr be¬
reitet werden. Die Besitzergreifung durch
Deutschland begann mit den Lnnderwerbungen
des Bremer Kaufmanns Lüderitz bei Angra
Pequena, die Bismarck unter deutschen Schutz
stellte.

Mit der zunehmenden Besiedlung des
Landes mußte die Tatsache, daß der erste
natürliche Eingangspunkt ins Schutzgebiet in
britischen Besitz war, unbequem und lästig
werden. Hauptmann von Frau?vis errichtete
deshalb im Jahre 1892 am nördlichen
Swcikopufer eine Station und gab sich alle
Mühe, den Landungsverkehr hierher zu lenken.
Das gelang, nachdem eine geeignete Lan¬
dungsstelle festgestellt worden war und nach¬
dem die Kolonialgesellschaft für Deutsch-Süd¬
westafrika eine regelmäßige Dampferverbin¬
dung nach der Swakopmündung geschaffen
hatte. Im Jahre 1894 hatten sich bereits
sechs deutsche Handelsfirmen hier niedergelassen
und damit hatte Swakopmund mit seinen
ungünstigen, ja gefährlichen LcmdungSverhält-
nissen den Hafenplatz Walfischbai überflügelt.
Gleichwohl suchte die Kapregierung in der
ersten Zeit den Platz nach Kräften zu halten.
Heute entspricht freilich der dort vorhandene
Beamtenstab nicht mehr der Bedeutung des

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Platzes und läßt sich allenfalls durch die
große Entfernung des zu verwaltenden Ge¬
bietes vom Sitze der Regierungszentrale und
durch seine eigenartige Lage mitten in einem
fremden Lande rechtfertigen. Ein nennens¬
werter Aufschwung wird auch durch die
Tätigkeit der Walfanggesellschaft, die sich dort
niederlassen will oder inzwischen schon nieder¬
gelassen hat, nicht zu erwarten sein. Der
"Ort" Walfischbai besteht heute aus den
wenigen Beamtenwohnhäusern, der evan¬
gelischen Mission mit dem einfachen,
aber würdig aussehenden Gotteshause,
zwei oder drei Geschäftshäusern, der Kon¬
densatoranlage, die zur Herstellung von Trink¬
wasser aus Meerwasser dient, und aus einer
Anzahl unbewohnter und verfallender Häuser,
die dem Ort einen unsagbar traurigen und
verlassenen Eindruck verleihen. Hinter den
Häusern ragt die dunkle Masse der nicht großen
und schon stark versandeten Kohlenvorräte em¬
por. Lautlose Stille herrscht zwischen den
Häusern und in der einen Straße, die aus
den Häusern an der Missionskirche vorbei nach
der Landungsbrücke führt; wir vermissen die
tobende Brandung, die in Swakopmund die
Pfähle des Piers mit wuchtigen Stößen an¬
rennt und deren Rauschen man in den am
Strande gelegenen Stadtteilen Tag und Nacht
vernimmt. Endlos dehnt sich das Hafenbecken
aus, kaum vermag man in der flimmernden
Sonne die im Westen sich vorschiebende Land¬
zunge mit ihren Schiffahrtszeichen zu erkennen.
Das Wasser ist vollständig ruhig, nur am
Strande huschen kleine Wellen über den feinen
grau-weißen Sand dahin. Tausende von
Flamingos beleben den südlichen Teil der
Bucht, unzählige Möwen schwirren hin und
her, auch der Pelikan ist eine häufige Er¬
scheinung. Aber die Größe der Bucht und
ihre überaus günstige Lage genügen nicht
allein zu einem für die Schiffahrt brauchbaren
Hafen. Infolge der von Jahr zu Jahr fort¬
schreitenden Versandung, die durch Sturm¬
fluten, die bisweilen vom Norden her herein¬
brechen, noch gefördert wird, ist das Wasser
außerordentlich flach. Die wenigen Dampfer,
die Walfischbai besuchen, können deshalb nur
mit größter Vorsicht in das Hafenbecken ein¬
laufen und müssen mehrere Kilometer von
der eigentlichen Landungsstelle entfernt vor

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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mündung liegenden Guanoinseln. Die Wal¬
fischbai und das Land im Umkreis von fünf¬
zehn englischen Meilen um die durch Kapitän
Sullivcm gehißte englische Flagge wurde am
12, Mürz 1878 zu britischein Besitz erklärt.
Von einer weiteren Ausdehnung seines süd¬
afrikanischen Kolonialbesitzes über den Oranje
hinaus und von einer Vergrößerung des
Gebietes von Walfischbai wollte England
auch in der Folgezeit nichts wissen und ver¬
ständigte deshalb die Kapregierung davon,
daß es solchen Plänen seine Unterstützung
versagen werde. Damit hatte sich England
jeder Verpflichtung entledigt, den deutschen
Händlern und Missionaren, die sich über
Walfischbai hinaus ins Innere des Landes
begeben hatten, Schutz vor den Eingeborenen
zu gewähren. Die Kapregierung hatte in¬
folge davon ein solches unmittelbar an sie
gerichtetes Ersuchen im Jahre 1881 aus¬
drücklich abgelehnt. Bei dieser Haltung Eng¬
lands konnten dem Erwerb der noch nicht in
Besitz genommenen Gebiete durch das Deutsche
Reich ernstere Schwierigkeiten nicht mehr be¬
reitet werden. Die Besitzergreifung durch
Deutschland begann mit den Lnnderwerbungen
des Bremer Kaufmanns Lüderitz bei Angra
Pequena, die Bismarck unter deutschen Schutz
stellte.

Mit der zunehmenden Besiedlung des
Landes mußte die Tatsache, daß der erste
natürliche Eingangspunkt ins Schutzgebiet in
britischen Besitz war, unbequem und lästig
werden. Hauptmann von Frau?vis errichtete
deshalb im Jahre 1892 am nördlichen
Swcikopufer eine Station und gab sich alle
Mühe, den Landungsverkehr hierher zu lenken.
Das gelang, nachdem eine geeignete Lan¬
dungsstelle festgestellt worden war und nach¬
dem die Kolonialgesellschaft für Deutsch-Süd¬
westafrika eine regelmäßige Dampferverbin¬
dung nach der Swakopmündung geschaffen
hatte. Im Jahre 1894 hatten sich bereits
sechs deutsche Handelsfirmen hier niedergelassen
und damit hatte Swakopmund mit seinen
ungünstigen, ja gefährlichen LcmdungSverhält-
nissen den Hafenplatz Walfischbai überflügelt.
Gleichwohl suchte die Kapregierung in der
ersten Zeit den Platz nach Kräften zu halten.
Heute entspricht freilich der dort vorhandene
Beamtenstab nicht mehr der Bedeutung des

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Platzes und läßt sich allenfalls durch die
große Entfernung des zu verwaltenden Ge¬
bietes vom Sitze der Regierungszentrale und
durch seine eigenartige Lage mitten in einem
fremden Lande rechtfertigen. Ein nennens¬
werter Aufschwung wird auch durch die
Tätigkeit der Walfanggesellschaft, die sich dort
niederlassen will oder inzwischen schon nieder¬
gelassen hat, nicht zu erwarten sein. Der
„Ort" Walfischbai besteht heute aus den
wenigen Beamtenwohnhäusern, der evan¬
gelischen Mission mit dem einfachen,
aber würdig aussehenden Gotteshause,
zwei oder drei Geschäftshäusern, der Kon¬
densatoranlage, die zur Herstellung von Trink¬
wasser aus Meerwasser dient, und aus einer
Anzahl unbewohnter und verfallender Häuser,
die dem Ort einen unsagbar traurigen und
verlassenen Eindruck verleihen. Hinter den
Häusern ragt die dunkle Masse der nicht großen
und schon stark versandeten Kohlenvorräte em¬
por. Lautlose Stille herrscht zwischen den
Häusern und in der einen Straße, die aus
den Häusern an der Missionskirche vorbei nach
der Landungsbrücke führt; wir vermissen die
tobende Brandung, die in Swakopmund die
Pfähle des Piers mit wuchtigen Stößen an¬
rennt und deren Rauschen man in den am
Strande gelegenen Stadtteilen Tag und Nacht
vernimmt. Endlos dehnt sich das Hafenbecken
aus, kaum vermag man in der flimmernden
Sonne die im Westen sich vorschiebende Land¬
zunge mit ihren Schiffahrtszeichen zu erkennen.
Das Wasser ist vollständig ruhig, nur am
Strande huschen kleine Wellen über den feinen
grau-weißen Sand dahin. Tausende von
Flamingos beleben den südlichen Teil der
Bucht, unzählige Möwen schwirren hin und
her, auch der Pelikan ist eine häufige Er¬
scheinung. Aber die Größe der Bucht und
ihre überaus günstige Lage genügen nicht
allein zu einem für die Schiffahrt brauchbaren
Hafen. Infolge der von Jahr zu Jahr fort¬
schreitenden Versandung, die durch Sturm¬
fluten, die bisweilen vom Norden her herein¬
brechen, noch gefördert wird, ist das Wasser
außerordentlich flach. Die wenigen Dampfer,
die Walfischbai besuchen, können deshalb nur
mit größter Vorsicht in das Hafenbecken ein¬
laufen und müssen mehrere Kilometer von
der eigentlichen Landungsstelle entfernt vor

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[0148] Maßgebliches und Unmaßgebliches mündung liegenden Guanoinseln. Die Wal¬ fischbai und das Land im Umkreis von fünf¬ zehn englischen Meilen um die durch Kapitän Sullivcm gehißte englische Flagge wurde am 12, Mürz 1878 zu britischein Besitz erklärt. Von einer weiteren Ausdehnung seines süd¬ afrikanischen Kolonialbesitzes über den Oranje hinaus und von einer Vergrößerung des Gebietes von Walfischbai wollte England auch in der Folgezeit nichts wissen und ver¬ ständigte deshalb die Kapregierung davon, daß es solchen Plänen seine Unterstützung versagen werde. Damit hatte sich England jeder Verpflichtung entledigt, den deutschen Händlern und Missionaren, die sich über Walfischbai hinaus ins Innere des Landes begeben hatten, Schutz vor den Eingeborenen zu gewähren. Die Kapregierung hatte in¬ folge davon ein solches unmittelbar an sie gerichtetes Ersuchen im Jahre 1881 aus¬ drücklich abgelehnt. Bei dieser Haltung Eng¬ lands konnten dem Erwerb der noch nicht in Besitz genommenen Gebiete durch das Deutsche Reich ernstere Schwierigkeiten nicht mehr be¬ reitet werden. Die Besitzergreifung durch Deutschland begann mit den Lnnderwerbungen des Bremer Kaufmanns Lüderitz bei Angra Pequena, die Bismarck unter deutschen Schutz stellte. Mit der zunehmenden Besiedlung des Landes mußte die Tatsache, daß der erste natürliche Eingangspunkt ins Schutzgebiet in britischen Besitz war, unbequem und lästig werden. Hauptmann von Frau?vis errichtete deshalb im Jahre 1892 am nördlichen Swcikopufer eine Station und gab sich alle Mühe, den Landungsverkehr hierher zu lenken. Das gelang, nachdem eine geeignete Lan¬ dungsstelle festgestellt worden war und nach¬ dem die Kolonialgesellschaft für Deutsch-Süd¬ westafrika eine regelmäßige Dampferverbin¬ dung nach der Swakopmündung geschaffen hatte. Im Jahre 1894 hatten sich bereits sechs deutsche Handelsfirmen hier niedergelassen und damit hatte Swakopmund mit seinen ungünstigen, ja gefährlichen LcmdungSverhält- nissen den Hafenplatz Walfischbai überflügelt. Gleichwohl suchte die Kapregierung in der ersten Zeit den Platz nach Kräften zu halten. Heute entspricht freilich der dort vorhandene Beamtenstab nicht mehr der Bedeutung des Platzes und läßt sich allenfalls durch die große Entfernung des zu verwaltenden Ge¬ bietes vom Sitze der Regierungszentrale und durch seine eigenartige Lage mitten in einem fremden Lande rechtfertigen. Ein nennens¬ werter Aufschwung wird auch durch die Tätigkeit der Walfanggesellschaft, die sich dort niederlassen will oder inzwischen schon nieder¬ gelassen hat, nicht zu erwarten sein. Der „Ort" Walfischbai besteht heute aus den wenigen Beamtenwohnhäusern, der evan¬ gelischen Mission mit dem einfachen, aber würdig aussehenden Gotteshause, zwei oder drei Geschäftshäusern, der Kon¬ densatoranlage, die zur Herstellung von Trink¬ wasser aus Meerwasser dient, und aus einer Anzahl unbewohnter und verfallender Häuser, die dem Ort einen unsagbar traurigen und verlassenen Eindruck verleihen. Hinter den Häusern ragt die dunkle Masse der nicht großen und schon stark versandeten Kohlenvorräte em¬ por. Lautlose Stille herrscht zwischen den Häusern und in der einen Straße, die aus den Häusern an der Missionskirche vorbei nach der Landungsbrücke führt; wir vermissen die tobende Brandung, die in Swakopmund die Pfähle des Piers mit wuchtigen Stößen an¬ rennt und deren Rauschen man in den am Strande gelegenen Stadtteilen Tag und Nacht vernimmt. Endlos dehnt sich das Hafenbecken aus, kaum vermag man in der flimmernden Sonne die im Westen sich vorschiebende Land¬ zunge mit ihren Schiffahrtszeichen zu erkennen. Das Wasser ist vollständig ruhig, nur am Strande huschen kleine Wellen über den feinen grau-weißen Sand dahin. Tausende von Flamingos beleben den südlichen Teil der Bucht, unzählige Möwen schwirren hin und her, auch der Pelikan ist eine häufige Er¬ scheinung. Aber die Größe der Bucht und ihre überaus günstige Lage genügen nicht allein zu einem für die Schiffahrt brauchbaren Hafen. Infolge der von Jahr zu Jahr fort¬ schreitenden Versandung, die durch Sturm¬ fluten, die bisweilen vom Norden her herein¬ brechen, noch gefördert wird, ist das Wasser außerordentlich flach. Die wenigen Dampfer, die Walfischbai besuchen, können deshalb nur mit größter Vorsicht in das Hafenbecken ein¬ laufen und müssen mehrere Kilometer von der eigentlichen Landungsstelle entfernt vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/148>, abgerufen am 18.05.2024.